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Flucht-Ursachen: Flüchtlingskrise: Warum kommen gerade jetzt so viele?

Flucht-Ursachen

Flüchtlingskrise: Warum kommen gerade jetzt so viele?

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    Immer mehr Asylsuchende zieht es nach Deutschland. Viele werden sich wohl fragen, warum gerade jetzt so viele Flüchtlinge nach Europa kommen.
    Immer mehr Asylsuchende zieht es nach Deutschland. Viele werden sich wohl fragen, warum gerade jetzt so viele Flüchtlinge nach Europa kommen. Foto: Barbara Gindl (dpa) (Archiv)

    Täglich kommen tausende, an manchen Tagen zehntausende Flüchtlinge in Deutschland an. Und noch ist kein Ende des Flüchtlingszustroms in Sicht – im Gegenteil: Flüchtlingsexperten rechnen damit, dass die Zuwanderungswelle nach einem kurzen Abebben in den Wintermonaten im Frühjahr erneut anschwellen könnte – auf der Balkanroute und auch über das Mittelmeer. Martin Rentsch vom Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen UNHCR erläutert die stärksten Beweggründe der Flucht nach Europa.

    Zuwanderungswelle könnte im Frühjahr erneut anschwellen

    Die Hauptfluchtursachen

    Krieg, Armut und Hunger. Und zwar in dieser Reihenfolge. Weltweit sind derzeit 60 Millionen Menschen auf der Flucht – so viele wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Die allermeisten wählen aus Angst vor Gewalt den Exodus. Unter den weltweit zehn wichtigsten Herkunftsländern von Flüchtlingen (unter anderem Syrien, Afghanistan, Somalia) ist kein einziges, in dem auch nur annähernd so etwas wie Frieden herrscht.

    Hauptursachen: Krieg, Armut und Hunger

    Das Wetter

    Die Flüchtlinge nutzen derzeit die letzten „ruhigen Wochen“, um nach Europa zu kommen. „Vor Oktober rechnen wir nicht mit einer Entspannung der Lage“, sagt UNHCR-Experte Martin Rentsch. Ab Herbst ist das Mittelmeer oft stürmisch. Die Flucht über den Balkan für Frauen, Kinder und ältere Menschen sei jetzt schon extrem anstrengend und gefährlich. Ein Kälteeinbruch setzt derzeit tausenden Flüchtlingen in Serbien und Mazedonien zu.

    Die Lage in Syrien

    Die Terrormiliz Islamischer Staat hat weite Gebiete Syriens erobert, ist weiter auf dem Vormarsch und versucht das ganze Land einzunehmen. Christen und Angehörige anderer Religionen werden verfolgt und bestialisch ermordet. Die Armee des Präsidenten Baschar el Assad bombardiert gleichzeitig Zivilisten in Wohngebieten. Angst und Gewalt regieren den Alltag, der Bürgerkrieg raubt immer mehr Menschen ihr Zuhause und ihre Existenzgrundlage. Eine Flucht innerhalb Syriens wird immer schwieriger. Die Sicherheitslage hat sich laut UNHCR extrem verschlechtert. Zivilisten geraten immer häufiger zwischen die Fronten. An vielen Orten gibt es nur für wenige Stunden Strom, Wasser und Nahrungsmittel sind knapp. Menschen mit gesundheitlichen Problemen werden schon lange nicht mehr ausreichend medizinisch versorgt.

    Flüchtlinge nutzen "ruhige Wochen", um nach Europa zu kommen

    Die Not in den Flüchtlingscamps

    Laut UNHCR sind in den Nachbarländern Syriens derzeit rund vier Millionen syrische Flüchtlinge registriert. Die meisten hat die Türkei aufgenommen – 1,9 Millionen. Vor allem in den Lagern Jordaniens und des Libanons lebten die Flüchtlinge unterhalb der Armutsgrenze, sagt Rentsch, und das vielfach schon mehrere Jahre. Viele Menschen dort müssten ihr Essen auf Kredit kaufen und können sich keinen Unterricht für ihre Kinder leisten: Inzwischen gehen rund 700000 syrische Kinder nicht zur Schule, hat das UN-Flüchtlingshilfswerk errechnet. „Man riskiert dort eine verlorene Generation“, sagt Rentsch.

    Die Angst vor Assads Armee

    Dem syrischen Präsidenten Assad gehen die Soldaten aus, deshalb sucht er immer neue Kämpfer für den Krieg. Die Angst, in die syrische Armee eingezogen zu werden, treibt junge Männer ins Ausland.

    Fluchtdynamik wird beschleunigt

    Die Schlepper

    Die Fluchtdynamik werde durch immer professioneller arbeitende Schlepper und den schnellen Informationsfluss in den sozialen Netzwerken beschleunigt, kritisieren Politiker. UN-Experte Rentsch betont jedoch: „Die Hauptursache sind die Konflikte. Der Krieg und die Not treiben die Menschen in die Flucht. Da es keinen legalen Weg nach Europa in die Sicherheit gibt, sind diese Menschen eben darauf angewiesen, sich in die Hände von Schleppern zu begeben.“ Einzige Möglichkeit, Schleppern die Geschäftsgrundlage zu entziehen, sei die Beendigung der Konflikte. „Nichtsdestotrotz muss man sich für die Bekämpfung dieser kriminellen Schleppernetzwerke aussprechen, weil sie einfach die Not der Menschen ausnutzen.“

    "Nie dagewesene Wilkommenskultur" in Deutschland

    Die Bilder aus Deutschland

    Viele Syrer sind schon zu Beginn des Bürgerkrieges 2011 in Nachbarländer geflohen. Langsam schrumpfen bei ihnen die letzten Hoffnungen, dass sie jemals in ihre Heimat zurückkehren können. Zugleich erreichen sie Berichte von vielen Flüchtlingen, die es nach Deutschland, Österreich und Schweden geschafft haben, und Bilder von glücklichen Ankömmlingen, die an deutschen Bahnhöfen mit Jubel und mit Geschenken begrüßt wurden. Rentsch freut sich über die „nie dagewesene Willkommenskultur“ und die vielen freiwilligen Helfer, die die Arbeit deutscher Behörden „entscheidend“ unterstützen. Dass die Bilder von deutschen Bahnhöfen einen endgültigen Massenexodus auslösen, glaubt Rentsch dennoch nicht: „Wir sehen, dass viele Menschen in den Nachbarländern Syriens unter der absoluten Armutsgrenze leben. Die Mehrheit der Flüchtlinge in Jordanien und im Libanon hat einfach nicht die finanziellen Ressourcen, die kostspielige und gefährliche Reise nach Europa überhaupt in Betracht ziehen zu können.“ (mit dpa)

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