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Finanzkrise: Europäische Ratingagentur als Gegengewicht gewünscht

Finanzkrise

Europäische Ratingagentur als Gegengewicht gewünscht

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    Die US-Ratingagentur Standard & Poor's hat den Ausblick für die gesamte Eurozone auf «negativ» gesetzt.
    Die US-Ratingagentur Standard & Poor's hat den Ausblick für die gesamte Eurozone auf «negativ» gesetzt. Foto: dpa

    Angesichts der offenbar drohenden Herabstufung der Kreditwürdigkeit quasi des gesamten Euro-Raumes durch den Ratingriesen Standard & Poor's wird der Ruf nach einer europäischen Ratingagentur immer lauter. Im Jahr 2012 müsse der "Aufbau einer unabhängigen europäischen Ratingagentur" vorangetrieben werden, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Michael Fuchs (CDU), der "Bild"-Zeitung. Als Vorbild nannte er die Stiftung Warentest. Ähnlich äußerte sich der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Gerd Billen. Er warf den großen US-Ratingagenturen unverantwortliches Handeln vor.

    "Sie treiben das Fieber nach oben"

    Die US-Firmen seien in der Euro-Krise "nicht nur ein neutrales Fieberthermometer, sondern sie treiben das Fieber mit nach oben", sagte Billen. Letztlich sorgten die Ratingagenturen dafür, "dass demokratisch legitimierte Staaten von der Finanzindustrie vor sich hergetrieben werden ". Um dies zu vermeiden, sollte nach seinen Worten eine europäische Ratingagentur eingerichtet werden, "die unabhängig ist und verantwortlich handelt".

    Billen sprach sich für eine Art Stiftung aus, in der etwa auch die produzierende Wirtschaft vertreten ist. Damit könne sichergestellt werden, dass das Ziel einer solchen Organisation im Blick gehalten werde, nämlich das seriöse Bewerten von Kreditrisiken.

    Auch FDP-Generalsekretär Christian Lindner machte sich für eine unabhängige Ratingagentur stark. "Mehr Transparenz und Wettbewerb bei den Agenturen sind nötig", sagte er der "Bild"-Zeitung.

    Mit Herabstufung gedroht

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    Staatsanleihen: Sie sind für Staaten die wichtigsten Instrumente, um ihre Finanzierung langfristig sicherzustellen. Der ausgebende Staat sichert in der Regel die Rückzahlung der Summe plus einen festen Zinssatz zu einem festgelegten Zeitpunkt zu. Die Laufzeiten liegen bei bis zu 30 Jahren.

    Auktion: Dies ist der bevorzugte Weg für Staaten, um ihre Schuldpapiere zu verkaufen. Einige Tage vor dem Verkauf werden Summe und Laufzeiten der Anleihen bekannt gemacht. An einem festgelegten Tag können dazu berechtigte Investoren ihre Gebote abgeben. Die Bieter mit den günstigsten Geboten erhalten den Zuschlag. In der Euro-Krise haben einige Staaten, darunter auch Deutschland, bei Auktionen auch schon nicht genug Käufer gefunden. Andere Staaten mussten höhere Zinsen als geplant bieten, um ihre Papiere loszuwerden.

    Primär- und Sekundärmarkt: Die Neuausgabe von Staatsanleihen wird als Primärmarkt bezeichnet. Danach werden sie wie gewöhnliche Wertpapiere weitergehandelt, am sogenannten Sekundärmarkt. Er funktioniert wie ein Gebrauchtwarenmarkt - bereits ausgegebene Staatsanleihen werden während ihrer Laufzeit weiterverkauft. Dabei können sie im Laufe der Zeit an Wert zunehmen oder verlieren. Ein Verkauf vor Ablauf der Laufzeit kann also Gewinn bringen - oder Verlust.

    Zins: Dies ist die Summe, die ein Schuldner - bei Staatsanleihen also der Staat - pro Jahr zusätzlich zahlen muss, damit er für eine bestimmte Zeit Geld geliehen bekommt. Bei den Staatspapieren haben die Zinsen für kriselnde Länder wie Italien in den vergangenen Wochen ständig neue Höchstwerte erreicht. Bei einer Neuausgabe zehnjähriger Staatsanleihen musste das Land zuletzt mehr als sieben Prozent Zinsen bieten - schon sechs Prozent Zinsen gelten als kritischer Wert, ab dem Länder wie Irland oder Griechenland um internationale Hilfe bitten mussten.

    Rating: Rating ist das englische Wort für Bewertung. Es wird für die Noten benutzt, die Prüfunternehmen - die Ratingagenturen - vergeben, um die Kreditwürdigkeit von Staaten zu beurteilen. Verschlechtern diese Unternehmen etwa wegen hoher Schulden die Note eines Landes, ist von einer Herabstufung die Rede. Das betroffene Land muss dann höhere Zinsen zahlen, um sich Geld zu leihen.

    Rendite: Damit wird im Prinzip der tatsächliche Gewinn bezeichnet, den ein Käufer von Schuldpapieren am Ende eines Jahres macht. Depotgebühren werden dabei eingerechnet genauso wie Kursgewinne oder -verluste. Die Rendite liegt derzeit in der Regel höher als der Zinssatz, der bei der Erstausgabe für die Staatsanleihen festgelegt wurde. Denn aufgrund der krisenhaften Entwicklung verlangen die Investoren am Sekundärmarkt Risikoaufschläge, wenn sie Staatspapiere kaufen. Unterm Strich zahlen sie damit für eine Anleihe also einfach weniger - und machen am Ende einen größeren Gewinn. An der aktuellen Rendite orientiert sich der künftige Zinssatz, der für neue Staatsschuldtitel bezahlt werden muss.

    Spread: Damit wird der Unterschied am Markt bei der Rendite von zwei Staatsanleihen angegeben. Dieser Wert, der in Basispunkten oder Prozentpunkten angegeben wird, ist umso höher, je größer das Risiko eines Zahlungsausfalls eines Landes ist. In der Euro-Krise sind die zehnjährigen Staatsanleihen Deutschlands ein Referenzwert, weil diese als besonders sicher gelten: Wenn also der «Spread» für Frankreich auf zwei Prozentpunkte steigt, dann bedeutet dies, dass das Land einen um diesen Wert höheren Zinssatz als Deutschland bei einer Neuausgabe von Schuldpapieren zahlen muss.

    Standard & Poor's (S&P) hatte Deutschland und zahlreichen anderen Euro-Ländern mit der Herabstufung ihrer Kreditwürdigkeit gedroht und sie auf verschärfte Beobachtung gesetzt . Entscheidend sei, dass das Treffen der EU-Staats- und Regierungschef am Donnerstag und Freitag in Brüssel "glaubwürdige und solide Lösungen" bringe, sagte S&P-Europa-Chefanalyst Moritz Kraemer.

    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy wollen in Brüssel die Weichen für eine Änderung der EU-Verträge stellen, um so eine Verschärfung der Euro-Spielregeln zu erreichen. Sie sprechen sich unter anderem für automatische Sanktionen bei Überschreitung der Defizit-Obergrenze von 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus.

    Kauder: "Europa wird seine Probleme in den Griff bekommen"

    Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) rechnet mit einem Ende der europäischen Schuldenkrise bis zum Sommer nächsten Jahres, sollten die Vorschläge Merkels und Sarkozys von den EU-Partnern akzeptiert werden. "Werden die Pläne umgesetzt, wird Europa seine Probleme in den Griff bekommen", sagte er der "Rheinischen Post" (Mittwoch). Kurzfristig würden sie zur Beruhigung der Märkte beitragen.

    Unterdessen geht EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy auf Konfrontationskurs zu den deutsch-französischen Plänen. Auf dem Weg zu mehr Haushaltsdisziplin in der Euro-Zone sei die von Berlin und Paris angestrebte Änderung der EU-Verträge nicht unbedingt notwendig, schreibt er in einem Bericht zur Vorbereitung des Gipfels, der der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel vorliegt. Als eine Möglichkeit wird darin eine stärkere Selbstverpflichtung der Staaten zu ausgeglichenen Haushalten genannt.

    Keine Ratifizierung auf nationaler Ebene nötig

    Machbar sei dies über eine Ergänzung des Protokoll Nr. 12 des Lissabon-Vertrags, schreibt Van Rompuy. Da dieses Verfahren keine Ratifizierung auf nationaler Ebene benötige, könne es "zu schnellen und bedeutenden Änderungen führen." Es genüge ein einstimmiger Beschluss des Rates auf Vorschlag der EU-Kommission, das Europäische Parlament und die Europäische Zentralbank müssten konsultiert werden.

    Dagegen sei die von Berlin und Paris angestrebte Änderung des EU-Vertrages "zeitaufwendiger und müsste von allen Mitgliedsstaaten ratifiziert werden", so Van Rompuy. (dpa)

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