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Finanzen: Der nächste Kraftakt

Finanzen

Der nächste Kraftakt

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    Rollt den Bürgern bald wieder mehr Geld ins Portemonnaie? Kanzlerin Merkel plant jedenfalls Steuerentlastungen. – Die Demonstrantin auf unserem Bild hatte übrigens ganz anderes im Sinn: Sie setzte sich diese Woche vor dem Kanzleramt für eine Finanztransaktionssteuer zur Bekämpfung der Armut ein.
    Rollt den Bürgern bald wieder mehr Geld ins Portemonnaie? Kanzlerin Merkel plant jedenfalls Steuerentlastungen. – Die Demonstrantin auf unserem Bild hatte übrigens ganz anderes im Sinn: Sie setzte sich diese Woche vor dem Kanzleramt für eine Finanztransaktionssteuer zur Bekämpfung der Armut ein. Foto: Foto: dpa

    Das Drehbuch ist schon geschrieben – von Theo Waigel. Als die SPD im September 1997 mit ihrer Mehrheit im Bundesrat die Steuerreform des damaligen Finanzministers stoppte, hielten Union und FDP trotzdem Wort. Um die Bürger um knapp vier Milliarden Euro zu entlasten, reduzierte die Koalition den Solidaritätszuschlag kurzerhand von 7,5 auf 5,5 Prozent. Der umstrittene Aufschlag auf die Einkommenssteuer kann auch ohne Zustimmung der Länder erhöht, gesenkt oder ganz abgeschafft werden.

    So ähnlich könnte es auch jetzt laufen. Dass die Steuern vor der Bundestagswahl noch sinken, gilt seit Donnerstag als sicher. Andernfalls ließe die Kanzlerin ihren Sprecher Steffen Seibert keine Sätze wie diesen verbreiten: „Die Bundesregierung wird in dieser Legislaturperiode Steuererleichterungen für kleinere und mittlere Einkommen beschließen.“ Nur wie sie das bewerkstelligen soll, ohne Mehrheit in der Länderkammer, das ist wie damals bei Waigel noch die Frage.

    Buchstäblich über Nacht hat sich die Koalition nach dem Atomausstieg einen neuen Kraftakt vorgenommen: Obwohl die Verschuldung weiter steigt und die neue Schuldengrenze im Grundgesetz sie zu strikter Sparsamkeit zwingt, haben sich Angela Merkel, CSU-Chef Horst Seehofer und der neue FDP-Vorsitzende Philipp Rösler offenbar auf eine Steuerreform verständigt. Im Gespräch ist ein Volumen von zehn Milliarden Euro, was ziemlich genau den Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag entspricht, der dem Fiskus Jahr für Jahr zwölf Milliarden Euro einbringt. Alternativ dazu können sich Abgeordnete wie der CDU-Wirtschaftsexperte Michael Fuchs auch niedrigere Sozialbeiträge vorstellen. Vor allem in der Rentenkasse, sagt er, liege wegen der guten Konjunktur und der niedrigen Arbeitslosigkeit „viel Geld“.

    Eigentlich hatten Union und FDP im Koalitionsvertrag vereinbart, die kalte Progression zu entschärfen: Bei ihr steigt mit jedem zusätzlichen Euro, den ein Beschäftigter etwa durch eine Gehaltserhöhung verdient, die Steuerlast stärker als das Einkommen – was im Extremfall dazu führt, dass das neue Gehalt unter Berücksichtigung der Inflationsrate oft niedriger ist als das alte. Um die Steuertabellen entsprechend zu korrigieren, braucht die Regierung jedoch die Zustimmung des Bundesrates. Und die wird, aus heutiger Sicht, nicht zu bekommen sein.

    Selbst Ministerpräsidenten der CDU wie Reiner Haseloff aus Sachsen-Anhalt wollen ihre Hände nicht für eine solche Steuersenkung heben: Für Geschenke dieser Art, sagt der Mann aus Magdeburg, „fehlt mir nicht nur das Verständnis, sondern es fehlt uns allen dazu der Spielraum“. Seine nordrhein-westfälische Kollegin Hannelore Kraft denkt ähnlich: Eine „Milliardentransfusion für die blut- und inhaltsleere FDP“, sagt die stellvertretende SPD-Vorsitzende, mache ihr Land nicht mit. „Steuersenkungen durch Schulden finanziert: So rettet Frau Merkel die FDP nicht.“

    Vor allem bei den Liberalen wird deshalb verschärft über den Solidaritätszuschlag nachgedacht. Dessen Absenkung, sagt Fraktionschef Rainer Brüderle, sei „eine denkbare Möglichkeit“. CDU-Vorstandsmitglied Thomas Strobl stößt ins gleiche Horn: „Das wäre eine sehr unbürokratische, schnelle und spürbare Entlastung für alle Arbeitnehmer in Ost und West“, sekundiert der Abgeordnete aus Heilbronn, wohl wissend, dass längst nicht alle in seiner Partei so denken. Vor allem die Kanzlerin selbst, heißt es, sei noch skeptisch. Sie wolle als Ostdeutsche nicht in den Verdacht geraten, die Steuern zulasten der neuen Länder zu senken.

    Eine Bestandsgarantie für den Soli gibt allerdings auch ihr Sprecher Seibert nicht ab. Die Abgabe, sagt er lediglich, leiste einen wichtigen Beitrag zur Finanzierung des Bundes, was immer das heißt.

    Ob die Steuern schon im Januar sinken, erst im Wahljahr 2013 oder vielleicht in zwei Schritten, ist noch ebenso unklar wie die Frage, ob die Union von der FDP im Gegenzug für die Steuerreform größere Zugeständnisse im Streit um die Anti-Terror-Gesetze und das Speichern von Daten auf Vorrat erwartet. Im Idealfall, heißt es in Koalitionskreisen, räumen die Partei- und Fraktionsvorsitzenden bei der angekündigten Klausur gleich beide Themen ab. Sichtbares Zeichen eines solchen Befreiungsschlages könnte am Ende die Abschaffung des Solidaritätszuschlages sein. „Das“, sagt ein FDP-Mann, „wäre wirklich ein Coup.“

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