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Finanzen: Aufnahme, Unterbringung, Versorgung: Was kostet die Krise den Staat?

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Aufnahme, Unterbringung, Versorgung: Was kostet die Krise den Staat?

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    Eine Kantine in einer Erstaufnahmeeinrichtung – die Versorgung mit Lebensmitteln ist eine klassische Sachleistung.
    Eine Kantine in einer Erstaufnahmeeinrichtung – die Versorgung mit Lebensmitteln ist eine klassische Sachleistung. Foto: Annette Zoepf, epd (Archiv)

    Die Deutschen sind ein gründliches Volk. Sie erfassen jeden Kubikmeter umbauten Raum, sie registrieren jedes neu geborene Kalb und zählen jede Tonne Kohlendioxid, die aus Fabriken, Wohnungen oder Fahrzeugen in der Luft landet. Nur eine Zahl findet sich in keiner Statistik - was die Flüchtlingskrise die Steuerzahler bisher gekostet hat.

    Nach Angaben des Finanzministeriums hat der Bund von 2016 bis 2019 etwas mehr als 87 Milliarden Euro für die Aufnahme, Registrierung und Unterbringung von Asylbewerbern, für die Bekämpfung von Fluchtursachen in den Herkunftsländern und die Integration von Flüchtlingen in Deutschland ausgegeben. Auch der deutsche Anteil von knapp 1,3 Milliarden für das Abkommen der EU mit der Türkei, das den Andrang der Flüchtlinge begrenzen soll, ist darin enthalten.

    Diese insgesamt 87 Milliarden Euro allerdings bilden nur einen Teil der tatsächlichen Kosten ab, weil auch die Länder und die Kommunen noch Leistungen für Flüchtlinge finanzieren. Dafür haben Sie vom Bund bisher knapp 30 Milliarden Euro erhalten - wenn die Rechnung der Länder jedoch stimmt, dass sie nur die Hälfte ihrer tatsächlichen Kosten erstattet bekommen, kämen zu den 87 Milliarden noch einmal rund 30 Milliarden in den vergangenen vier Jahren dazu. Grob gerechnet wären das bislang jährliche Kosten von knapp 30 Milliarden Euro - einmalige Ausgaben wie die 1,5 Milliarden Euro, die den Krankenkassen aus den Reserven des Gesundheitsfonds für die medizinische Versorgung von Flüchtlingen zugeflossen sind, nicht mitgerechnet.

    Indirekte Kosten wie Schul- und Kindergartenplätze sind kaum zu beziffern

    Diese direkten Posten lassen sich noch vergleichsweise einfach beziffern. Deutlich schwerer in Euro und Cent zu benennen sind die Ausgaben, die zumindest indirekt noch mit der Aufnahme von Flüchtlingen zu tun haben - zusätzliche Schul- und Kindergartenplätze etwa, neue Stellen bei der Polizei, in den Verwaltungen oder in den Gerichten, bei denen sich die Klagen gegen negative Asylbescheide bald stapelten. Da diese Ausgaben auf Hunderte von Haushalten in Bund, Ländern und Gemeinden verteilt sind, lässt sich hieraus keine aussagefähige Zahl destillieren. Sicher ist nur: Auch sie geht in die Milliarden.

    Auf der anderen Seite geben Flüchtlinge, die in Deutschland aufgenommen werden, ihr Geld auch hier wieder aus - und zahlen, wenn sie einen Job finden, auch Steuern und Sozialabgaben. Wie groß der Ertrag daraus für Bund, Länder, Gemeinden und Sozialkassen ist, lässt sich nicht solide beziffern. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) war sich jedoch schon sehr früh sehr sicher: "Selbst wenn viele Flüchtlinge aufgrund fehlender Qualifikationen kurzfristig vergleichsweise schlechte Aussichten am Arbeitsmarkt haben und diejenigen, die den Weg in eine Beschäftigung finden, oftmals unterdurchschnittlich produktiv sind, werden langfristig die positiven wirtschaftlichen Impulse die Kosten übertreffen."

    43 Prozent der Flüchtlinge haben mittlerweile eine Beschäftigung gefunden

    Der bekannte Ökonom Bernd Raffelhüschen von der Universität Freiburg glaubt das nicht. Wegen des niedrigen Bildungsniveaus und der hohen Arbeitslosenzahlen schätzt er, dass im Schnitt jeder Flüchtling den Steuer- und Beitragszahler im Laufe seines Lebens rund 450.000 Euro kostet. Alles in allem kommt Raffelhüschen so auf Kosten von 312 Milliarden Euro. In der Annahme, dass über die Jahre noch deutlich mehr Menschen in Deutschland Asyl beantragen würden, hatte er ursprünglich sogar Kosten von 900 Milliarden prophezeit. Der Bonner Arbeitsmarktforscher Holger Bonin hat 2016 bereits eine ähnliche, wenn auch nicht ganz so dramatische Rechnung aufgemacht: Selbst wenn ein Teil der Flüchtlinge irgendwann als gut ausgebildete Fachkräfte beschäftigt sein wird, könnte die Zuwanderung den Staat in den kommenden zwei Jahrzehnten bis zu 200 Milliarden Euro mehr kosten als einbringen.

    Unter anderem sind die Kosten für Hartz-IV-Bezieher mit ausländischem Pass stark gestiegen. Alleine an die Flüchtlinge aus den acht wichtigsten Herkunftsländern fließen nach Angaben des Sozialministeriums in Berlin sechs Milliarden Euro im Jahr. Die Integration in den Arbeitsmarkt, moniert Experte Raffelhüschen, "gelang nur wenigen." Selbst unter Berücksichtigung aller Mini- und Teilzeitjobs haben nach einer neuen Untersuchung der Bundesagentur für Arbeit und des DIW erst 43 Prozent der Flüchtlinge eine Beschäftigung gefunden.

    Größere finanzielle Reserven hat der Bund nicht mehr. Die so genannte Flüchtlingsrücklage von 48 Milliarden Euro wurde faktisch aufgelöst, das Geld liegt nach Auskunft des Finanzministeriums jetzt in einer "ungebundene Rücklage" im Haushalt, die auch für andere Zwecke eingesetzt werden kann.

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