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Fernsehkritik: „Machen S’ a Sondersendung!“

Fernsehkritik

„Machen S’ a Sondersendung!“

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    Das Beste kommt zum Schluss: Als ZDF-Moderator Claus Kleber (rechts) eigentlich nur noch Small Talk machen will, nimmt CSU-Chef Horst Seehofer erst so richtig Fahrt auf. Spaß gemacht hat es beiden, wie es scheint.
    Das Beste kommt zum Schluss: Als ZDF-Moderator Claus Kleber (rechts) eigentlich nur noch Small Talk machen will, nimmt CSU-Chef Horst Seehofer erst so richtig Fahrt auf. Spaß gemacht hat es beiden, wie es scheint. Foto: Ulrich Wagner

    Augsburg Journalisten lieben Hintergrundgespräche und hassen sie zugleich. Endlich reden Politiker mal Klartext, plaudern und lästern bisweilen sogar ein bisschen. Schön. Bloß anfangen kann der Journalist nichts damit. Weil: darf man ja nicht schreiben oder senden. Unzählige Male hat ZDF-Moderator Claus Kleber so etwas erlebt. Und dann das: Nach einem inhaltlich überschaubaren Gespräch mit Horst Seehofer will Kleber eigentlich nur noch ein bisschen Small Talk machen, als der CSU-Chef so richtig in Fahrt kommt und am Ende zur freudigen Verblüffung des Moderators sagt: „Sie können das alles senden!“

    Der Ministerpräsident ist grantig, sein Ärger muss jetzt raus

    Horst Seehofer ist grantig an diesem Abend. In ihm hat sich ordentlich Ärger angestaut, vor allem über den beinahe gleichgültigen Umgang der Schwesterpartei CDU mit ihrer Wahlschlappe in Nordrhein-Westfalen. Dieser Ärger muss raus. Als Kleber das Interview beendet, hat der Bayer noch lange nicht genug. „Wissen Sie, was mir so wehtut?“, fragt Seehofer und antwortet umgehend selbst: „Ich glaube, dass diese Union und die FDP wirklich ein Potenzial haben in Deutschland, um zu regieren. Und wir machen das einfach nicht so gut, dass wir diese Zustimmung auch von der Bevölkerung erhalten. Es tut mir leid.“

    Selten spricht ein Politiker so offen über eigene Fehler. Doch Seehofer ist noch immer nicht fertig. Jetzt kommt die Sprache auf Norbert Röttgen, der im nordrhein-westfälischen Wahlkampf eine Menge Kredit für die Union verspielte. „Innerhalb von sechs Wochen ist das weggeschmolzen wie ein Eisbecher, der in der Sonne steht“, sagt Seehofer und hört sich mittlerweile beinahe an wie Franz Beckenbauer.

    Kleber hört amüsiert zu und gibt genüsslich die nächste Steilvorlage. Ob es daran lag, dass Röttgen sich nicht klar zu NRW bekannt hat, fragt er und Seehofer verwandelt erwartungsgemäß: „Ja, das war ein ganz großer Fehler“, sagt er mit bedeutungsschwerer Miene. Und wiederholt: „Das war ein ganz großer Fehler.“

    Kleber findet zunehmend Gefallen an dem Gespräch und legt nach. Er, Seehofer, habe Röttgen doch gewarnt, wirft der Journalist gespielt naiv ein. „Ich habe ja mit ihm gesprochen, persönlich und über die Bild-Zeitung. Persönlich hat er mich abtropfen lassen, die Kanzlerin war ja dabei“, schimpft der bayerische Ministerpräsident, der nun immer mehr nach Gerhard Polt klingt. Spätestens jetzt wird dem Letzten klar, warum dieser Mann so schlecht auf den Kollegen aus NRW zu sprechen ist. Einen Seehofer lässt man eben nicht „abtropfen“.

    Und so folgt ein weiterer Seitenhieb auf Röttgen, ehe Kleber, der sich zwischendurch vergewissert hat, dass die Kamera noch läuft, aufs Ganze geht. Scheinbar beiläufig erwähnt er, dass bei Fernsehinterviews meist das vorher und nachher Gesprochene interessanter ist als das Aufgezeichnete. „Sie können das alles senden!“, fällt Seehofer ihm prompt ins Wort. Ob er damit nun einer Provokation erlegen ist oder seinen Auftritt kalkuliert hat, darf dem Zuschauer herzlich egal sein. Das Interview nach dem Interview war jedenfalls das bessere. Deshalb bekommt der Herr Ministerpräsident auch das Schlusswort für heute: „Machen S’ a Sondersendung, also Servus, Wiederschauen, Danke.“

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