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Fernsehkritik: Der Mann, der Putin traf

Fernsehkritik

Der Mann, der Putin traf

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    ARD-Reporter Hubert Seipel führte ein Interview mit Wladimir Putin. Die wichtigsten Fragen stellte er dabei jedoch nicht.
    ARD-Reporter Hubert Seipel führte ein Interview mit Wladimir Putin. Die wichtigsten Fragen stellte er dabei jedoch nicht. Foto: Mikhail Klimentyev/Ria Novosti/Kremlin Pool (dpa)

    Selten hat Günther Jauch einen Gast so euphorisch angekündigt wie Hubert Seipel. „Diesem Mann ist es gelungen, ein exklusives und ausführliches Interview mit Wladimir Putin zu führen“, sagt der Moderator. Stolz schwingt mit. Die ARD hat es geschafft:

    Seipel und Putin sind sich bereits bekannt

    Seipel und Putin kennen sich. Der Reporter hat den Politiker für eine Doku monatelang begleitet. Diese Nähe ist nun der Türöffner für das Interview. Was der Sender als Coup feiert, wird in Wahrheit zur Bühne für den Strategen aus Moskau. Das Problem sind nicht die Fragen, die Seipel stellt. Das Problem sind die Fragen, die er nicht stellt.

    Schon vorab sagt der Journalist, er habe sich in dem Gespräch nicht als Freiheitskämpfer inszenieren wollen. Das ehrt ihn. Populismus gibt es schon genug im Konflikt um die Ukraine. Doch Seipel arbeitet sich derart defensiv durch das Gespräch, dass sich sein Gegenüber im wahrsten Sinne des Wortes entspannt zurücklehnen kann.

    Kariertes Hemd, oberster Knopf geöffnet, keine Krawatte – Putin strahlt Gelassenheit aus. Wie ein Mann, der weiß, dass er Herr der Lage bleiben wird. Ab und zu streut er sogar ein paar Worte auf Deutsch ein. In ruhigem Ton erzählt er, wie seine Truppen die ukrainischen Streitkräfte auf der Krim „blockiert“ haben, als es zur Volksabstimmung über den Anschluss der Halbinsel an Russland kam. Dabei sei es natürlich nicht darum gegangen, das Referendum zu beeinflussen. Nein, man wollte „Blutvergießen vermeiden und den Menschen die Möglichkeit geben, ihre eigene Meinung zu äußern.“

    Putin beherrscht das Gespräch

    Ist Putin am Ende doch ein lupenreiner Demokrat? Seipel, eigentlich als investigativer Journalist bekannt, hakt nicht nach. Auch dann nicht, als der Präsident von seiner Angst spricht, Neonazis könnten die Macht in der Ukraine übernehmen. „Es sind ja Menschen mit dem Hakenkreuz unterwegs. Auf den Helmen von Kampfeinheiten sehen wir SS-Symbole“, sagt Putin. Dass das Volk die Rechten bei der Wahl links liegen ließ, sagt er nicht. In aller Ruhe deutet er das Geschehen in der Ukraine um. Und Seipel lässt es geschehen. Irgendwann fängt der Politiker sogar an, sich selbst die Fragen zu stellen. Erst ganz am Ende will Seipel wissen, ob auch Putin Fehler gemacht habe. Der Reporter lächelt verlegen. Der Präsident sagt, jeder Mensch mache Fehler. Er lächelt ebenfalls und legt einen Teppich aus nichtssagenden Worten über all die unausgesprochene Kritik.

    Der Journalist kann immerhin von sich behaupten, den Deutschen einen erstaunlich unverstellten Einblick in das krude Denken des Machtmenschen aus Moskau eröffnet zu haben. Nicht weniger. Aber eben auch nicht mehr.

    Der Kreml fand das Interview übrigens so gut, dass es – ohne Rücksprache mit der ARD – schon vorab im russischen Fernsehen lief.

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