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Fall Timoschenko: Kritik an Boykott-Forderungen deutscher Politiker

Fall Timoschenko

Kritik an Boykott-Forderungen deutscher Politiker

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    Der früheren Verfassungsgerichts-Präsident Hans-Jürgen Papier.
    Der früheren Verfassungsgerichts-Präsident Hans-Jürgen Papier. Foto: dpa Archiv

    Scharfe Kritik zum politischen Umgang mit dem Fall der inhaftierten ukrainischen Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko kommt vom früheren Verfassungsgerichts-Präsident Hans-Jürgen Papier. "Deutschland könnte vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg die Ukraine verklagen. Dieser Weg wird wahrscheinlich deshalb nicht beschritten, weil er nicht als medienwirksam genug angesehen wird", sagte er der Welt am Sonntag.

    Papier: abwegige Forderungen nach einem Boykott der Fußball-EM

    Stattdessen würden "auch von deutschen Politikern abwegige Forderungen nach einem Boykott der Fußball-Europameisterschaft erhoben". Der Ex-Präsident des Bundesverfassungsgerichts erinnerte daran, dass sich die Ukraine als Mitglied des Europarats verpflichtet habe, die Grundfreiheiten der Europäischen Menschenrechtskonvention zu achten. "Alle Staaten des Europarats haben eine Verantwortung dafür, dass die Bestimmungen in anderen Mitgliedstaaten eingehalten werden", betonte Papier.

    Vitali Klitschko: Besuch der Ukraine statt EM-Boykott

    Zehn Fakten zur Ukraine

    Die Ukraine wurde nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 unabhängig. Die Hauptstadt ist Kiew. Die Ukraine ist mit 603.700 Quadratkilometern der größte Flächenstaat in Europa. Zum Vergleich: Die Bundesrepublik misst 357.121Quadratkilometer.

    Die Ukraine war zusammen mit Polen der Austragungsort der Fußball-Europameisterschaft 2012. Spielstätten in der Ukraine waren: Die Hauptstadt Kiew, Donezk im Südosten, Lemberg (Lwiw) in der Westukraine und Charkow im Nordosten des Landes.

    Staatsoberhaupt der Ukraine ist seit 2010 Präsident Wiktor Janukowytsch. Sein Vorgänger im Amt war Wiktor Juschtschenko, der 2004 als ein Held der Orangenen Revolution international bekannt wurde.

    Julia Timoschenko: Julia Timoschenko war von Januar bis September 2005 und von Dezember 2007 bis März 2010 Ministerpräsidentin der Ukraine unter Präsident Wiktor Juschtschenko. Seit August 2011 befindet sich die 51-Jährige mit der charakteristischen Zopffrisur in Haft.

    Die Schwarzmeer-Halbinsel Krim ist eine Autonome Republik innerhalb der Ukraine. Sie hat rund zwei Millionen Einwohner und ist 26.100 Quadratkilometer groß. Die größte Stadt der Krim ist Sewastopol.

    Die Stadt Odessa, im Südwesten des Landes an der Schwarzmeerküste gelegen, gilt als ein Zentrum der Liberalen und Intellektuellen. Odessa hat rund eine Million Einwohner.

    Die Ukraine ist innerhalb des Landes in vielfacher Hinsicht gespalten. Der Fluss Dnepr, an dem die Stadt Dnipropetrowsk liegt, gilt als die geographische Trennlinie des Landes. Westlich ist die Nähe zu Europa und der Europäischen Union deutlich stärker ausgeprägt als im Osten, der die Nähe zu Russland pflegt.

    Die Ukraine galt zu Stalins Zeiten wegen ihrer fruchtbaren Schwarzböden als die "Kornkammer" der Sowjetunion. Als Stalin die Landwirtschaft kollektivierte, brach in den 1920 Jahren eine Hungersnot aus, die bis heute einen bestimmenden Platz im nationalen Gedächtnis der Ukraine hat.

    Fußballerisch erzielten die Ukrainer ihren bisher größten Erfolg bei er EM 2006: Die ukrainische Mannschaft erreichte das Viertelfinale.

    Die Boxer Wladimir und Vitali Klitschko haben für die Ukraine den Weltmeistertitel im Schwergewicht geholt.

    Box-Weltmeister Vitali Klitschko forderte die westlichen Politiker auf, Appelle zum Boykott der Fußball-EM  nicht zu befolgen und stattdessen als Zuschauer in die Stadien zu kommen. "Ihr Missfallen an der Verletzung der Menschenrechte" könnten sie dann an Ort und Stelle "direkt gegenüber den ukrainischen Machthabern äußern", sagte der ukrainische Oppositionspolitiker dem Magazin Focus. So werde die Weltöffentlichkeit auf die Missstände in dem Land aufmerksam.

    Unter anderem könnten ausländische Politiker darauf bestehen, bei Reisen in die Ukraine politische Häftlinge zu besuchen. Klitschko: "Das wäre auf jeden Fall effektiver als die Fußball-EM zu boykottieren." Die Spiele seien ein sportliches Ereignis, auf dass sich Millionen Ukrainer freuen: "Man soll ihnen die Chance nicht nehmen, ihr Land zu präsentieren, ihre Gastfreundschaft zu zeigen und sich einfach gemeinsam mit den anderen am Fußball zu erfreuen."

    Hungerstreik als Protest gegen Haftbedingungen

    Timoschenko verbüßt in Charkiw im Osten der Ukraine eine siebenjährige Haftstrafe wegen Amtsmissbrauchs. Die unter Bandscheibenproblemen leidende  Ex-Regierungschefin protestiert mit einem Hungerstreik gegen ihre  Haftbedingungen. Wegen des Umgangs mit Timoschenko  wird in Deutschland seit Tagen über einen Politiker-Boykott der Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine diskutiert, die im Juni gemeinsam mit Polen Gastgeberland ist. afp/dpa

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