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Fall Franco A.: Wie rechts ist die Bundeswehr?

Fall Franco A.

Wie rechts ist die Bundeswehr?

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    Im Aufenthaltsraum des Jägerbataillons 291 der Bundeswehr im französischen Illkirch bei Straßburg hängt die Maschinenpistole MP 40, eine Waffe der deutschen Wehrmacht, an der Wand.
    Im Aufenthaltsraum des Jägerbataillons 291 der Bundeswehr im französischen Illkirch bei Straßburg hängt die Maschinenpistole MP 40, eine Waffe der deutschen Wehrmacht, an der Wand. Foto: Patrick Seeger, dpa

    Das Urteil des unabhängigen Gutachters, beauftragt vom Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, fiel eindeutig aus: „Bei dem Test handelt es sich nach Art und Inhalt nicht um eine akademische Qualifikationsarbeit, sondern um einen radikalnationalistischen, rassistischen Appell, den der Verfasser mit einigem Aufwand auf eine pseudowissenschaftliche Art zu unterfüttern versucht.“ In manchen Teilen lese sich die Masterarbeit „wie eine Gebrauchsanweisung für rassistische Propaganda“.

    Doch für den jungen Offiziersanwärter Franco A., hatte dieses vernichtende Urteil keine Konsequenzen. Ebenso wenig, dass in den Schaft seines Sturmgewehrs ein Hakenkreuz eingeritzt war, dass das gerahmte Bild eines Wehrmachtslandsers in seiner Stube hing und in die Wand ein „H….H“ gekritzelt war, das man als „Heil Hitler“ deuten kann. Franco A. durfte seine Masterarbeit wiederholen und schloss im Juli 2014 seine Offiziersausbildung mit Erfolg ab – als Zweitbester des militärischen Teils. Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass A. „eine innere Einstellung besitzt, die mit der soldatischen Pflicht (…) unvereinbar wäre“, fasste der Leiter der Deutschen Stabsgruppe Frankreich die disziplinarischen Vorermittlungen zusammen.

    Warum drückten die Vorgesetzten alle Augen zu?

    Der Fall Franco A. und die Bundeswehr

    1. Juli 2008: Franco A. beginnt seinen Grundwehrdienst in Idar-Oberstein.

    11. September 2009: Versetzung zur Deutschen Stabsgruppe in Frankreich, Studium der Staats- und Sozialwissenschaften an der französischen Militärakademie Saint-Cyr.

    Dezember 2013: Franco A. reicht seine Masterarbeit bei der französischen Prüfungskommission ein. Darin beklagt er unter anderem eine bewusste „Durchmischung“ der Völker Europas.

    8. Januar 2014: Der französische Schulkommandeur informiert A.s Vorgesetzten über schwere Mängel in der Masterarbeit. Er sagt: Wenn ein Franzose so etwas geschrieben hätte, müsste er gehen. A. beteuert, er verfolge kein extremistisches Gedankengut.

    15. Januar 2014: Der Vorgesetzte wendet sich an einen Rechtsberater des Streitkräfteamts.

    18. Januar 2014: Ein Gutachter des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr stellt fest, es handele sich bei der Arbeit um „einen radikalnationalistischen, rassistischen Appell“.

    27. Januar 2014: Ein disziplinarisches Vorermittlungsverfahren wird eingestellt, nachdem sich Franco A. zum Inhalt seiner Arbeit geäußert hat. A. weist unter anderem auf den Zeitdruck hin, unter dem er beim Verfassen der Arbeit stand.

    9. Juli 2015: Ernennung zum Berufssoldaten.

    19. Dezember 2015: Franco A. meldet sich in Offenbach als Asylsuchender „David Benjamin“. Er wird später einer Unterkunft im Kreis Erding zugewiesen.

    1. Februar 2016: Versetzung zum Jägerbataillon 291 in Illkirch.

    16. Dezember 2016: Zuerkennung subsidiärer Schutzstatus durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

    3. Februar 2017: Vorübergehende Festnahme von A. durch österreichische Polizei nach Waffenfund auf einer Toilette am Flughafen Wien.

    14. Februar 2017: BKA leitet Informationen zur Doppel-Identität von A. an MAD weiter. Truppe soll wegen laufender Ermittlungen nicht unterrichtet werden.

    26. April 2017: Franco A. wird in Hammelburg verhaftet.

    28. April 2017: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) erteilte den Auftrag, das dienstliche Umfeld von A. zu durchleuchten. Untersuchungen in Illkirch, Schwarzenborn, Munster und Hammelburg.

    Drei Jahre später ist das Entsetzen groß. An Fragen herrscht kein Mangel: Warum drückten die Vorgesetzten alle Augen zu und wischten die Hinweise auf die rechtsextremistische Gesinnung von A. beiseite? Warum wurde der Militärische Abschirmdienst MAD nicht informiert? Gab es rund um Franco A. ein rechtsradikales Netzwerk? Und über allem steht die Frage: Wie rechts ist die Bundeswehr insgesamt? Nach dem im Januar vom Wehrbeauftragten des Bundestags, Hans-Peter Bartels, vorgelegten Jahresbericht, gab es 2016 insgesamt 63 meldepflichtige Ereignisse mit Verdacht auf Extremismus oder Verstößen gegen die Grundsätze der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, sechs mehr als 2015 und genauso viele wie 2014. In der Hälfte der Fälle gab es disziplinarische Vorermittlungen, in 24 Fällen ermittelt die Staatsanwaltschaft.

    Unter anderem veröffentlichte ein Rekrut ohne Kommentar auf Facebook ein offenbar aus der Zeit des Nationalsozialismus stammendes Plakat, das einen Soldaten der Waffen-SS und einen Hitler-Jungen zeigte, dazu der Text „Deutsche Jugend meldet sich freiwillig zur

    Einzelfälle? „Die Bundeswehr ist fast so groß wie Augsburg – da gibt es immer einzelne Verfehlungen“, sagt der Verteidigungsexperte der CDU/CSU-Fraktion, der Ingolstädter Reinhard Brandl unserer Zeitung. Er halte es allerdings für richtig, „angesichts der bekanntgewordenen Vorkommnisse die bestehenden Strukturen zu hinterfragen“. So sieht es auch der Wehrbeauftragte des Bundestags. Die Bundeswehr sei „strukturell anfälliger“ für Rechtsextremismus als andere Bereiche der Gesellschaft. „Hierarchien, Waffen und Uniformen“ zögen so manchen Bewerber an, den die Bundeswehr eigentlich nicht haben wolle, sagt Bartels. Aus Bundeswehrkreisen verlautet, seit Aussetzung der Wehrpflicht im Jahre 2011 gebe es praktisch keine Bewerber mehr aus dem rot-grünen, linken oder alternativen Parteienspektrum.

    Bundeswehr zog schon immer Wertkonservative an

    Gleichwohl halten Experten die oft vertretene These, ohne Wehrpflicht sei die Bundeswehr deutlich rechter geworden, mit Blick auf die Zahlen nicht für haltbar. Rechtsextremistische Vorfälle habe es schon immer gegeben. Mehr noch, in der Vergangenheit sei die Zahl der Vorkommnisse mit rassistischem oder fremdenfeindlichem Hintergrund deutlich höher gewesen, auch bezogen auf je 1000 Soldaten, heißt es.

    Die Bundeswehr habe schon immer traditionell wertkonservative Männer und Frauen angezogen. So ergab eine Studie der Bundeswehrhochschule in Hamburg im Jahre 1997, dass 21 Prozent der angehenden Offiziere ihre Einstellung als „national-konservativ“ bezeichneten, 75 Prozent stuften sich als „christlich-konservativ“ ein. Und zehn Jahre später sagten bei der bislang letzten durchgeführten Befragung vier Prozent der Studierenden an den Bundeswehrhochschulen in

    Das alles ist nicht neu, doch in den letzten Jahren war das Problem in den Hintergrund geraten. Die zahlreichen Auslandseinsätze, die Umstrukturierung der Bundeswehr, die Schließung von Standorten, die Debatte um den Wehretat, die massiven Probleme bei der Ausrüstung und dem Material und die Neuverhandlungen mit den Rüstungskonzernen standen für die Ministerin im Vordergrund, auch in den Streitkräften verdrängten die zahlreichen Auslandseinsätze die politische Bildung. „Für Ursula von der Leyen war das bislang schlicht kein Thema“, sagt ein Bundeswehr-Insider. Jetzt schon.

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