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Fall Edathy: Hat der Chef des Bundeskriminalamtes Edathy gewarnt?

Fall Edathy

Hat der Chef des Bundeskriminalamtes Edathy gewarnt?

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    Niemand erkannte die Brisanz der Liste, niemandem fiel der Name Sebastian Edathy auf. Zwei Jahre lang, von Oktober 2011 bis Oktober 2013, lag das Material der Ermittlungsbehörden aus Kanada, auf der rund 800 Namen von deutschen Kunden standen, die bei einer kanadischen Firma Fotos und Videos mit kinderpornografischem Inhalt gekauft hatten, im Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden, ohne dass die Ermittler in dieser Zeit den Namen des SPD-Abgeordneten, der als Vorsitzender des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestages eigentlich bundesweit bekannt war, registrierten. Auch die Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt und die 16 Landeskriminalämter, die für die weiteren Ermittlungen die Namensliste erhielten, reagierten nicht.

    Erst die örtliche Polizei entdeckte den Namen Edathy auf der Liste

    Erst die Beamten der örtlichen Polizeiinspektion in Edathys niedersächsischem Wahlkreis Nienburg-Schaumburg entdeckten den Namen und erkannten unverzüglich die Brisanz. Der Chef der Polizeiinspektion informierte am Nachmittag des 15. Oktober 2013 das BKA, einen Tag später, Vormittag des 16. Oktober, gab BKA-Chef Jörg Ziercke die Information an seinen Dienstherrn, Innen-Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche, weiter, der wiederum den damaligen Innenminister Hans-Peter Friedrich in Kenntnis setzte.

    Die Mitglieder des Innenausschusses des Bundestags staunten nicht schlecht, als ihnen Ziercke am Mittwochvormittag in einer nicht-öffentlichen Sitzung diesen Sachverhalt schilderte. „Dass es sich um den ehemaligen Abgeordneten handelte, war bis dahin nicht bekannt. Jeder wurde auf dieser Liste gleich behandelt“, sagte der BKA-Chef hinterher. Damit sei auch der Vorwurf vom Tisch, es habe sich um eine „gezielte Aktion“ der Sicherheitsbehörden gegen Edathy gehandelt.

    BKA-Chef widerspricht Oppermann

    Nach der Darstellung Zierckes rief wiederum einen Tag später, am 17. Oktober, nachmittags um 15.30 Uhr der damalige SPD-Fraktionsgeschäftsführer und heutige Fraktionschef Thomas Oppermann bei Ziercke an. „Ich war wirklich überrascht, da ich vier, fünf Jahre lang keinen Kontakt mit ihm hatte“, sagte Ziercke, auch danach habe es keinen Kontakt mehr gegeben. Oppermann habe den Sachverhalt referiert, ohne Fragen zu stellen, er sei wohl „besorgt“ gewesen. Ziercke selbst nahm keine Stellung dazu und beendete rasch das Gespräch, da er sich selber nicht gefährden wollte. Der SPD-Politiker erkannte dies und beendete das Gespräch mit den Worten, er wolle den BKA-Chef nicht in Schwierigkeiten bringen. „Oppermann schloss wohl daraus, dass mein Schweigen eine Zustimmung wäre – doch das war ein Fehlschluss“, so Ziercke. „Ich habe nichts offenbart, und Herr Oppermann hat nicht versucht, mich dazu zu verleiten.“ Das Gespräch sei daher „strafrechtlich nicht relevant“. Ausdrücklich widersprach Ziercke der Darstellung Oppermanns, er habe sich den Sachverhalt in dem Telefonat vom BKA-Chef „bestätigen lassen“. „Die Presseinformation war mit mir nicht abgestimmt.“

    Liste seit Mitte 2013 ausliegen

    Gleichwohl fühlte sich Oppermann nach der Aussage Zierckes in seiner Position gestärkt, demonstrativ stellte sich die SPD hinter ihren Fraktionschef. Der Vorwurf der Anstiftung zur Verletzung von Dienstgeheimnissen sei durch nichts begründet, das Telefonat Oppermanns mit Ziercke werde „völlig zu Unrecht skandalisiert“, sagte SPD-Innenexpertin Eva Högl in Richtung CSU. Nichts deute darauf hin, dass Edathy aus Reihen der SPD-Bundestagsfraktion einen Tipp erhalten haben könne, wonach er unter Verdacht stehe. „Seit Mitte des Jahres 2013 hatten zahlreiche Stellen im ganzen Bundesgebiet die Liste vorliegen, auf der der Name Edathy stand.“ Oppermann seinerseits habe sich „völlig korrekt“ verhalten, als er sich „aus Fürsorgepflicht“ über den Sachverhalt informieren wollte. Oppermann selber sandte vor seinem Auftritt vor dem Innenausschuss versöhnliche Signale an den Koalitionspartner. „Mir tut es aufrichtig leid, dass durch meine Veröffentlichung Hans-Peter Friedrich zum Rücktritt gebracht wurde.“

    Die Opposition warf den Koalitionsparteien hingegen „Vertuschung“ und „Kumpanei“ sowie ein fragwürdiges Rechtsstaatsverständnis vor.

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