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Fall Dutroux: Die "Komplizin des Teufels" will ins Kloster gehen

Fall Dutroux

Die "Komplizin des Teufels" will ins Kloster gehen

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    Michelle Martin war als Mittäterin des belgischen Kindermörders Marc Dutroux zu 30 Jahren Haft verurteilt worden. dpa
    Michelle Martin war als Mittäterin des belgischen Kindermörders Marc Dutroux zu 30 Jahren Haft verurteilt worden. dpa

    Belgien hat diesen Tag gefürchtet. „Komplizin des Teufels“ und „Hexe“ wurde sie noch vor wenigen Wochen von Demonstranten genannt: Michelle Martin (52), bis 2003 Ehefrau des vierfachen Kindermörders Marc Dutroux – und Mittäterin. Zumindest zwei der entführten Mädchen ließ sie wissentlich verhungern und versorgte stattdessen lieber den gemeinsamen Hund.

    „Wie kann man Martin vergeben und ihr eine zweite Chance geben? Hat sie den Kindern eine Chance gelassen? Nein!“, sagt Muriel Lallement (51), Organisatorin des Marsches gegen die Freilassung der einstigen Dutroux-Gefährtin. Der Aufstand war vergeblich: Gestern bestätigte der Kassationsgerichtshof in Brüssel die Entscheidung aus Mons vom Juli. Martin wird vorzeitig unter Auflagen aus der Haft entlassen.

    2004 war sie zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt worden, 16 hat sie verbüßt, acht Jahre in Untersuchungshaft werden ihr angerechnet. Nach belgischem Recht können Straftäter nach Verbüßung eines Drittels ihrer Strafe freigelassen werden. Voraussetzung: Es muss eine Chance auf erfolgreiche Wiedereingliederung in die Gesellschaft bestehen.

    Zehn Jahre begleitet sie ein Bewährungshelfer

    Die sieht die Justiz bei Martin. Sie darf nun im Schutz des Klarissenklosters Malonne bei Namur leben, die Regionen Brüssel und Lüttich sind für sie Sperrgebiet. Zehn Jahre lang wird ein Bewährungshelfer sie begleiten. „Was wäre die Welt für ein Ort, wenn niemandem eine Zukunft gegönnt wird, der jemals eine Sünde begangen hat“, begründeten die elf Schwestern des heiligen Franziskus ihre Entscheidung, Michelle Martin aufzunehmen.

    40 Polizeibeamte, ein Wasserwerfer und ein Hubschrauber werden das abgelegene Kloster künftig schützen. Rund 150000 Euro pro Monat kostet die Absicherung. Und noch weiß keiner, wer diese Summe aufbringen soll. Die Stadt Namur hat eine Kostenübernahme abgelehnt und den Nonnen geraten, keine öffentlich zugänglichen Gottesdienste mehr im Kloster anzubieten.

    Der Prozess gegen den Kindermörder Martin N.

    Der Kindermörder Martin N. stieg nachts in Häuser, Zeltlager und Ferienheime ein, um Jungen zu missbrauchen.

    In drei Fällen tötete er seine Opfer: 1992 entführte er den 13-jährigen Stefan aus einem Internat im Kreis Rotenburg (Niedersachsen). 1995 holte er den achtjährigen Dennis R. aus einem Zeltlager in Schleswig-Holstein. Den neunjährigen Dennis K. brachte er 2001 nachts aus einem Schullandheim im Kreis Cuxhaven fort. Im April vergangenen Jahres konnten die Fahnder den Serientäter schließlich schnappen. Eine Chronologie des Prozesses:

    - 10. Februar 2011: Fast zehn Jahre nach dem Tod von Dennis gibt es neue Hinweise zu den drei Morden. Die Polizei wendet sich bei einer Pressekonferenz an die Öffentlichkeit.

    - 13. April: In Hamburg nehmen Ermittler einen Verdächtigen fest.

    - 14. April: Der aus Bremen stammende Pädagoge Martin N. gesteht die drei Morde.

    - 15. Juli: Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Martin N. wegen dreifachen Mordes und sexuellen Missbrauchs in 20 Fällen.

    - 10. Oktober: Der Prozess vor dem Landgericht Stade beginnt.

    - 26. Oktober: Martin N. gesteht vor Gericht drei Morde und einige Missbrauchsfälle.

    - 9. Januar 2012: Ein psychiatrischer Gutachter stuft Martin N. als rückfallgefährdet ein.

    - 25. Januar: Die Staatsanwaltschaft fordert eine lebenslange Haftstrafe sowie Sicherungsverwahrung für den Angeklagten.

    - 13. Februar: Auch die Nebenkläger plädieren für lebenslange Haft und bis auf eine Anwältin für Sicherungsverwahrung.

    - 15. Februar: Die Verteidigung fordert ebenfalls lebenslange Haft, hält Sicherungsverwahrung aber nicht für nötig.

    - 27. Februar: Die Richter verurteilen Martin N. wegen dreifachen Mordes und sexuellen Missbrauchs zu lebenslanger Haft. Außerdem muss er im Anschluss in Sicherungsverwahrung bleiben.

    „Nie wieder dürfen solche Menschen freikommen“, lautet die Forderung in Internet-Foren und Leserbrief-Spalten der belgischen Tageszeitungen. Sechs Mädchen hatte Marc Dutroux zwischen 1989 und 1995 verschleppt, vier starben in der Gewalt ihres Entführers und Missbrauchers. Die 12-jährige Sabine Dardenne wird nach 80 Tagen aus dem Haus Dutroux’ befreit, die 14-jährige Laetitia Delhez nach zwei Wochen. Jahre später schildert Dardenne in einem Buch die Gräuel, denen sie ausgesetzt war.

    Doch viele Belgier bezweifeln bis heute, dass die Justiz wirklich alles aufgeklärt hat. Noch immer gibt es Spekulationen, Dutroux und seine damalige Frau seien die Instrumente eines Netzwerkes gewesen, das Kinder regelrecht verbrauchte. 27 Zeugen verschwanden oder verstarben auf ungeklärte Weise während der jahrelangen Ermittlungen. Beweise verschwanden oder wurden, so die Kläger, nie ausgewertet. Darunter rund 6000 Haarproben und 30 DNA-Profile, die weder Dutroux noch Martin noch ihren Opfern zugeordnet werden konnten. Als Untersuchungsrichter Jean-Marc Connerotte nach der Verhaftung des Kindermörders seine Landsleute aufforderte, alles, was sie über Verbrechen an Kindern wüssten, mitzuteilen, brach eine Lawine über die Ermittler herein.

    Sie gaben Unfassbares zu Protokoll. So schilderte eine Zeugin „Sexpartys in einem Schloss mit einem großen Park“, wo Kinder in Käfigen darauf warteten, „dranzukommen“. Namen von prominenten Teilnehmern fielen. Spuren, denen niemand nachging, einige wiesen auch in Richtung Deutschland. Die Entlassung Michelle Martins bringt die Unzufriedenheit mit den Ermittlungen und die ungeklärten Hintergründe wieder ans Licht.

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