Forderungen aus der CDU, ein „verpflichtendes Gesellschaftsjahr“ für junge Erwachsene einzuführen, stoßen auf erbitterten Widerstand – in der Opposition und sogar im eigenen Lager. Sieben Jahre ist es her, dass Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), der damalige Hoffnungsträger der Union, die Wehrpflicht ausgesetzt hat. Jetzt denkt eine aktuelle Hoffnungsträgerin der Union, CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, über einen verpflichtenden Dienst nach. Alle jungen Erwachsenen könnten laut den Überlegungen für ein Pflichtjahr bei der Bundeswehr oder in der Pflege herangezogen werden.
Fanden sich in der von Kramp-Karrenbauer angestoßenen Debatte zunächst gerade in der CDU etliche Befürworter einer allgemeinen Dienstpflicht, dreht sich nun der Wind. Eine Sprecherin von Bundeskanzlerin Angela Merkel machte am Montag in der Bundespressekonferenz unmissverständlich klar, dass eine Wiedereinführung der 2011 ausgesetzten Wehrpflicht nicht zur Debatte stehe. Auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ließ ausrichten, dass es nicht um eine Rückkehr zur Wehrpflicht gehe. Die Ministerin begrüße aber die Diskussion über eine Dienstpflicht. Die Bundeswehr, die seit einigen Jahren Schwierigkeiten hat, genügend geeignete Soldaten zu rekrutieren, benötige allerdings Personal, das auf hochprofessionelle Einsätze eingestellt sei, das mehrere Jahre Training erfordere.
Stephan Thomae spricht von 13,1 Milliarden Euro
Massive Kritik an den Forderungen nach einer allgemeinen Dienstpflicht kommt aus der FDP, die warnt, dass eine solche Maßnahme gewaltige Kosten verursachen werde. „Es würde 13,1 Milliarden Euro verschlingen, einem ganzen Jahrgang mindestens den gesetzlichen Mindestlohn zu zahlen“, sagte Stephan Thomae. Hinzu kämen noch Sozialversicherungsbeiträge und Pensionsrückstellungen. „Wenn man tatsächlich alljährlich einen solch hohen Betrag aus dem Bundeshaushalt in die Hand nehmen wollte, lassen sich bessere Verwendungen vorstellen, als diese Summe für nicht ausgebildete und sicher auch nicht alle gleichermaßen motivierte Menschen auszugeben“, findet der FDP-Politiker. Der heute 18 Jahre alte Jahrgang umfasse rund 750.000 Männer und Frauen, bei einem Mindestlohn von aktuell 8,84 Euro und 38 Wochenarbeitsstunden in 52 Wochen entstünden so die von Thomae errechneten Gesamtkosten von 13,1 Milliarden Euro.
Bei den Grünen heißt es, ein Personalmangel bei der Bundeswehr und in sozialen Berufen könne nicht „über einen Zwangsdienst“ behoben werden. Und Linken-Parteichef Bernd Riexinger will keine „Millionenbeträge für einen antiquierten Kriegsdienst“ verfeuern, sondern lieber in das krankende Pflegesystem investieren.
Gauland: "Wer gegen die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht ist, schadet Deutschland"
Unterstützung erhält die CDU-Forderung von der AfD. Parteichef Alexander Gauland sagte: „Wer gegen die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht ist, schadet Deutschland.“ Bei der SPD stößt die von CDU-Generalin Kramp-Karrenbauer angestoßene Debatte dagegen auf wenig Begeisterung. Verteidigungsexperte Fritz Felgentreu: „Zwangsdienste sind nach europäischem Recht menschenrechtswidrig.“
Geäußert hat sich inzwischen auch Karl-Theodor zu Guttenberg. Eine allgemeine Dienstpflicht sieht er kritisch. Dies sei eine „ehrenwerte Idee“, den Menschen müsse aber auch reiner Wein eingeschenkt werden, was die Kosten und die verfassungsrechtliche Lage betreffe, sagte der CSU-Politiker der Bild-Zeitung. Das Grundgesetz sehe einen verpflichtenden, „also erzwungenen Arbeitseinsatz nicht vor“.
Der CSU-Bundeswehr-Experte Johannes Hintersberger warnt davor, die Debatte aus rechtlichen Bedenken schon im Keim zu ersticken. Der Landtagsabgeordnete aus Augsburg hatte schon 2010 für ein „aktives Bürgerjahr“ geworben. „Sich ein Jahr lang für das Gemeinwesen einzubringen, brächte nicht nur einen Mehrwert für das Land, sondern auch für die jungen Leute“, sagt Hintersberger. Er ist überzeugt davon, dass ein solches „Dienstjahr“ auch den sozialen Zusammenhalt in Deutschland stärken würde.
Mit dem Ende der Wehrpflicht, die auch den Wegfall des Zivildiensts bedeutete, war 2011 der in der Regel zwölfmonatige Bundesfreiwilligendienst im sozialen und ökologischen Bereich eingeführt worden. Eine Sprecherin von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) sagte, der Bundesfreiwilligendienst habe sich zu einer „echten Erfolgsgeschichte entwickelt“. Rund 320.000 Freiwillige haben demnach bisher teilgenommen. Die Tendenz sei weiter steigend. Im Juli 2018 wurden bundesweit gut 39.000 „Bufdis“ gezählt. Der Jahresdurchschnitt sei von 34.345 Personen im Jahr 2012 auf die Zahl von 41.891 Freiwilligen im Jahr 2017 gestiegen.
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