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FDP: Der neue Dr. Westerwelle

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Der neue Dr. Westerwelle

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    Der Ex-Parteichef überrascht in einem Interview mit Selbstkritik, ungewohnter Offenheit und sogar Bescheidenheit. Die Strategie passt zur Erholung der Liberalen in den Umfragen.
    Der Ex-Parteichef überrascht in einem Interview mit Selbstkritik, ungewohnter Offenheit und sogar Bescheidenheit. Die Strategie passt zur Erholung der Liberalen in den Umfragen. Foto: Stephen Morrison, dpa

    Die Außenminister der Bundesrepublik Deutschland

    Konrad Adenauer (CDU): 1951 - 1955 Adenauer war der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik. Zusätzlich hat er 1951 das Amt des Außenministers übernommen, das gerade erst neu geschaffen worden war. Der Schwerpunkt seiner Politik hat darin bestanden, Deutschland nachhaltig an den Westen anzubinden. Als die BRD durch die Pariser Verträge endgültig als souveräner Staat anerkannt wird, gibt er das Auswärtige Amt ab.

    Heinrich von Brentano (CDU): 1955 - 1961 Brentano tritt die Nachfolge Adenauers an und wird zweiter Außenminister der BRD. Der Jurist stammte aus einer politisch sehr ambitionierten Familie. Weil er nie geheiratet hat, wurde viel über seine sexuelle Orientierung spekuliert. Adenauer äußerte sich zu Brentanos angeblicher Homosexualität mit folgenden Worten: "Dat ist mir ejal, solange er misch nit anpackt."

    Gerhard Schröder (CDU): 1961 - 1966 Auch Schröder war Jurist. Im Laufe seiner Karriere hatte er einige Ministerien inne. Als Außenminister hat er die deutsche Ostpolitik maßgeblich beeinflusst und die freundschaftlichen Beziehungen zu den USA und England geprägt. Man bezeichnete ihn als den "Atlantiker".

    Willy Brandt (SPD): 1966 - 1969 Brandt war ein sehr beliebter Politiker. Als Außenminister hat er viel bewirkt. Unter anderem hat er das deutsch-französische Truppenabkommen auf den Weg gebracht und sich für die Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrags eingesetzt. Im Anschluss an seine Zeit im Auswärtigen Amt wurde er der vierte Bundekanzler der BRD.

    Walter Scheel (FDP): 1969 - 1974 Zusammen mit Willy Brandt wird Scheel als "Vater der Entspannung" bezeichnet. Er war der erste Außenminister, der nach Israel reiste. Außerdem hat er sich erfolgreich um eine Verbesserung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und dem Osten bemüht.

    Hans-Dietrich Genscher (FDP): 1974 - 1982 Auch der Jurist Hans-Dietrich Genscher hat versucht, zwischen Ost und West zu vermitteln. Er hat sich für eine "aktive Entspannungspolitik" stark gemacht. 1978 wurde ihm der "Orden wider den tierischen Ernst" verliehen. Diese Auszeichnung würdigt Personen des öffentlichen Lebens, die "Humor und Menschlichkeit im Amt bewiesen haben".

    Helmut Schmidt (SPD): 1982 Seine Amtszeit dauerte von 17. September bis 1. Oktober 1982. Weil die vier amtierenden FDP-Minister geschlossen das Kabinett verlassen hatten, bildete er ein SPD-Minderheitskabinett und beantragte vorgezogene Neuwahlen. Am 1. Oktober wird Schmidt als Bundeskanzler abgewählt und die Ämter werden neu verteilt.

    Hans-Dietrich Genscher (FDP): 1982 - 1992) Unter dem neu gewählten Bundeskanzler Helmut Kohl hat Genscher wieder das Amt des Außenministers übernommen. Er führt seine Entspannungspolitik fort und bemüht sich um ein Zusammenwachsen der EG. Mit kurzer Unterbrechung war er insgesamt fast 17 Jahre lang Außenminister der Bundesrepublik Deutschland.

    Klaus Kinkel (FDP): 1992 - 1998 Nach dem Rücktritt Genschers übernahm Klaus Kinkel das Bundesministerium des Auswärtigen. Sein erklärtes Ziel bestand darin, eine Aussöhnung mit den Nachbarstaaten zu erreichen. "Unsere Bürger haben begriffen, dass die Zeit des Ausnahmezustandes vorbei ist".

    Joschka Fischer (Bündnis 90/Die Grünen): 1998 - 2005 Er ist der erste Außenminister der Grünen. Ein massives Glaubwürdigkeitsproblem bescherte er seiner Partei mit der Billigung militärischer Gewalt im Kosovo.

    Guido Westerwelle (FDP) 2009 - heute Der Jurist ist seit 1980 Mitglied der FDP. Viele seiner Entscheidungen sind sehr umstritten. Seine Enthaltung im UN-Sicherheitsrat, als über eine Beteiligung am Libyen-Konflikt abgestimmt wurde, hat ihm viel Kritik eingetragen.

    Frank-Walter Steinmeier (SPD): 2005 - 2009 und 2013 bis heute Er stammt aus einer Arbeiterfamilie und war schon während seiner Zeit als Student der Politikwissenschaften politisch aktiv. Steinmeier hat in seinem letzten Amtsjahr gefordert, sämtliche US-amerikanische Atomwaffen, die in Deutschland stationiert sind, zu entfernen. Darüber hinaus hat er stets die große Bedeutung der NATO betont.

    In allen Bundesregierungen, bei denen die FDP bislang am Kabinettstisch saß, war der Posten des Außenministers fast immer ein großer Pluspunkt im Werben um die Wähler. Ein Außenminister zählte stets von Amts wegen in Umfragen zu den populärsten Politikern im Lande. Bis Guido Westerwelle kam.

    Erholung Westerwelles geht mit Erholung seiner Partei einher

    Schon in den ersten Monaten seiner Amtszeit geriet der Liberale durch viel eigenes Zutun in einen Strudel von Negativschlagzeilen und derart in Misskredit, dass er in Umfragen lange den Makel des unsympathischsten Spitzenpolitikers aufgestempelt bekam. Inzwischen erholt sich die FDP langsam in der Wählergunst. So, wie gestern im ARD-Deutschlandtrend, sehen viele Meinungsforscher die Partei stabil über der Fünf-Prozent-Hürde. Der Chef des Forsa-Umfrage-Instituts, Manfred Güllner, hält die Liberalen für deutlich gefestigt: „Somit ist nicht auszuschließen, dass die jetzige Koalition doch wieder eine eigene Mehrheit bekommt.“ Sogar 48 Prozent seien gemeinsam drin, wenn die FDP ihr Lager mobilisieren könne.

    Da ist es kaum ein Zufall, dass Außenminister Westerwelle auf den Tag genau sechs Monate vor der Bundestagswahl versucht, nach Monaten der Zurückhaltung sein Bild in der Öffentlichkeit neu zu erfinden.

    "Mir fallen viele Fehler ein"

    Für das Projekt NDW – Neuer Dr. Westerwelle – wählte der Liberale die Süddeutsche Zeitung: In einem Interview rechnet der Minister ungekannt selbstkritisch mit eigenen Fehlern ab: „Mir fallen viele Fehler in meinem Leben ein, in der Politik und auch außerhalb“, beginnt er. Der Unterschied zu Fehlern anderer Menschen sei, „dass meine auf offener Bühne stattfinden und ziemlich lange im Gedächtnis bleiben“.

    Dass er von der „spätrömischen Dekadenz“ in seiner Attacke wider den Umverteilungs-Geist sprach, „darüber gräme ich mich heute noch“, sagt er. „Hätte ich das gewusst, was die beiden Worte auslösen, hätte ich es gelassen.“

    Die Krise seiner Amtszeit habe schon in seiner allerersten Pressekonferenz begonnen. Westerwelle wollte einem britischen Journalisten partout nicht auf Englisch antworten. Er kanzelte den BBC-Mann rüde ab, in Deutschland antworte er auf Deutsch: „Ich war völlig übermüdet nach einer Siegesfeier, die bis vier Uhr morgens ging und bei der nicht nur Endorphine im Spiel waren, sondern auch Dinge, die man in Promille misst.“ In dieser Verfassung habe er falsch reagiert. „Das hat mich ein Jahr lang geärgert. Seitdem lache ich darüber.“

    Über Libyen-Enthaltung will Westerwelle nicht sprechen

    Über seinen in den Augen vieler Beobachter größten politischen Fehler seiner Amtszeit gibt sich der Liberale allerdings wortkarg: Mit der Enthaltung im UN-Sicherheitsrat zur Unterstützung der libyschen Opposition gegen den damaligen Diktator Muammar al-Gaddafi hatte sich Deutschland an der Seite Chinas und Russlands von den westlichen Partnern isoliert. „Ich habe unsere schwierige Abwägungsentscheidung damals ausführlich begründet“, sagt er nur. Und fügt hinzu, dass er seine Haltung mit vielen zuvor diskutiert habe: „Dass SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier auch nachher noch dazu stand, dass er die Entscheidung nachvollziehbar fand, rechne ich ihm hoch an.“

    Einen überraschend offenen Eindruck macht der Liberale auch im Umgang mit seinem Sturz vom FDP-Chefposten: „Die Partei war mit mir durch und ich mit dem Parteivorsitz. So einfach ist das.“

    Vielleicht doch nur ein Anflug von Bescheidenheit

    Nur selten klingt der „alte Westerwelle“ durch. Etwa in der Art, wie er aufgestauten Überdruss seiner Partei an seinem Vorsitz erklärt: „Es gibt nur einen in der liberalen Geschichte, der so lange an der Spitze stand, und das war Hans-Dietrich Genscher.“ So bleibt es dann möglicherweise doch nur ein kleiner Anflug neuer Bescheidenheit, der am Ende im Gedächtnis bleiben könnte.

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