Christian Lindner könnte, wenn am Sonntagabend die ersten Wahlergebnisse vorliegen, vielleicht zu den meist umworbenen Männern im politischen Berlin gehören. Eigentlich war für den FDP-Chef im Juli klar, dass die Wahl gelaufen ist und Armin Laschet neuer Bundeskanzler und er in einer Jamaika-Koalition an der Seite von Union und Grünen für die FDP Bundesfinanzminister werden will. Doch dann änderten sich die Umfragen. Ist Christian Lindner auch für eine Ampel bereit, wollte Chefredakteur Gregor Peter Schmitz bei „Augsburger Allgemeine live“ wissen. Zumindest in einem wäre Lindner überraschend grün, denn sein alter Porsche wäre kein Hindernis für ein Bündnis mit den Grünen.
„Ich bin nämlich privat vollkommen klimaneutral“, bekannte der FDP-Chef. „Ich lösche jedes Jahr meinen privaten CO2-Fußabdruck“, sagte er. Der sei ohnehin sehr schmal. „Mit meinem angesprochenen alten Auto fahre ich im Jahr 500 Kilometer, vielleicht mal 600 Kilometer mit einem Verbrauch von neun Litern“, sagte der Porsche-Oldtimer-Besitzer, der für seinen persönlichen CO2-Ausstoß zur Kompensation privat Ausgleichszertifikate kauft. Das allerdings war es auch fast schon mit den Gemeinsamkeiten für eine Ampel-Koalition.
Bundestagswahl 2021: Christian Lindner sieht Ampel-Koalition kritisch
Außer der Legalisierung von Cannabis, falle ihm nichts ein, was die FDP an der Seite von SPD und Grünen besser aus ihrem Programm durchsetzen könne, als in einer Jamaika-Koalition mit Union und Grünen. Zum Beispiel ein Tempolimit halte er für falsch. „Grundlegend sollte unsere Gesellschaft Vertrauen haben in erwachsene Menschen“, sagte er. „Nur da, wo das in Frage steht, kommen für mich Verbote oder eben in diesem Fall ein Limit in Frage.
Und ich glaube, dass ein erwachsener Mensch nachts auf einer menschenleeren Autobahn mit wenig Verkehr bei gutem Wetter, wenn er mit seinem emissionsfreien Elektroauto unterwegs ist, eine verantwortungsbewusste Entscheidung treffen kann.“ Die Frage des Tempolimits sei deshalb eine Frage des Menschenbilds. Wer ein anderes habe, solle SPD und Grüne wählen.
Lindner nimmt Scholz Umgang mit FDP in Hamburg übel
Lindner deutete an, dass SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz ohnehin auf ein rot-rot-grünes Regierungsbündnis zusteuere. Scholz habe 2015 als Bürgermeister von Hamburg die Gelegenheit gehabt, eine sozialliberale Koalition zu bilden, diese aber zugunsten von Rot-Grün abgelehnt. „Noch vor dem Wahltag in Hamburg hat er sogar Gespräche mit der FDP ausgeschlossen, weil er sich exklusiv an die Grünen gebunden hat, was sogar seine Verhandlungsposition eingeschränkt hat. Das heißt, es war ihm so wichtig, eine potenzielle Zusammenarbeit mit der FDP noch vor der Wahl auszuschließen, obwohl er wusste, dass er da nach der Wahl den Grünen höhere Preise zahlen muss.“ Scholz trete nach außen bürgerlich auf, aber niemand wisse, wofür er wirklich stehe.
Doch auch CDU und CSU hätten sich mit einen finanzpolitischen Schlingerkurs selbst in die Krise gestürzt. Die Union habe mit sich widersprechenden Aussagen zur Steuerentlastungen und der Schuldenbremse ihre innere Mitte verloren und würde auch mit Söder als Kanzlerkandidat nicht besser dastehen. Deshalb rate er jedem, beide Stimmen der FDP zu geben, auch wenn diese Aussage nicht überraschend komme.
FDP: Lindner setzt auf „Super-Abschreibungen“ für Klimaschutz
„Wir brauchen einen selbsttragenden Aufschwung im Land und wir müssen in Europa darauf achten, dass die Schulden und die Risiken nicht zu stark vergemeinschaftet werden“, sagte Lindner. Dass er selber weiterhin Finanzminister werden will, formuliert der FDP-Vorsitzende für seine Verhältnisse eher zurückhaltend. „Unser Angebot wäre, die schwierige Aufgabe im Finanzministerium zu schultern“, sagte er. „Da könnte die FDP gute Beiträge leisten, um insgesamt mit dem Geld der Menschen gut umzugehen“, fügte er hinzu. Das sei „ein Thema, das mich auch persönlich interessiert.“
Mit neuen „Super-Abschreibungen“ wolle er Investitionen, die dem Klimaschutz und der Digitalisierung dienen, für die Umwelt und die Modernisierung des Landes entfesseln. aber die eben auch sehr schnell steuerlich geltend gemacht werden können. „Dann hätten wir einen echten Impuls, der sich auf Wachstum, auf Beschäftigung, auf Investitionen und dann zeitlich versetzt, auch auf steigende Staatseinnahmen auswirken könnte“, sagt der Mann der nach der Wahl Olaf Scholz im Ministeramt beerben möchte.