Schwäbisch Gmünd hat es schon vor vier Wochen erwischt. Am 23. Juni platzten 150 Liter Regen je Quadratmeter nieder, Straßen, Keller und Unterführungen liefen voll. Doch die alte Reichsstadt im Remstal auf der Schwäbischen Alb war vorbereitet – anders als vor fünf Jahren, als das Wasser kam und zwei Menschen ertranken. Seinerzeit waren die Schäden noch viel gravierender. Die Bilder von damals erinnern an die Zerstörungen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, die dieser Tage ganz Deutschland tief bewegen.
Schwäbisch Gmünd hat sich gewappnet. An der Unterführung, wo die beiden Männer ertrunken waren, steht heute eine Videokamera und sendet ihre Bilder in die Verwaltung. „Die Unterführung läuft binnen 10 Minuten voll, Starkregen kommt schnell und heftig“, erzählt Baubürgermeister Julius Mihm. Auch dieses Mal ist es so gewesen, doch im Gegensatz zu 2016 waren Polizei und Feuerwehr schnell da, um die Engstelle abzusperren.
Jeder und Jede kann schauen, wie stark das Wasser das eigene Haus bedroht
In den Jahren nach dem Hochwasser hat die Verwaltung die Zeit genutzt, um das ganze Stadtgebiet in Starkregenkarten einzutragen. „Alle Leute können dort schauen, wie stark ihr Haus gefährdet ist und von wo die Wassermassen kommen“, sagt Mihm. Die Stadt erstreckt sich im Tal, von den Hängen der Alb tragen Bäche das Wasser in die Rems. Auf der Karte können die Gmünder ablesen, vor welche Kellerfenster sie am besten ein paar Sandsäcke schlichten, wenn eine Sturzflut droht
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Die Verwaltung hat sich außerdem die öffentlichen Gebäude angeschaut und ein Risikoprofil angelegt, wo Wasser eindringen kann, durch Kellerfenster oder fehlende Rückflussklappen in Kanalrohren. Mängel wurden abgestellt. Schwäbisch Gmünd ist eine Modellstadt, die bei ihren Vorbereitungen auf Extremwetter durch Wissenschaftler aus Stuttgart und Dortmund und Geld vom Bundesforschungsministerium durch das Programm „Resi-Extrem“ unterstützt wird. Der Baubürgermeister rechnet damit, dass die Stadt nicht auf dem Erreichten stehen bleibt, wenn Sturzfluten wegen des Klimawandels häufiger werden.
Mihm hält es für sinnvoll, sich die Bäche anzusehen und kleine Wälle einzuziehen, um dem Wasser die Wucht zu nehmen. „Das haben wir bisher nicht gemacht wegen des Eingriffs in die Natur“, sagt er.
Klimaforscher: Das Risiko von Flut, Hitze und Dürre steigt steil an
Dass sich Städte und Gemeinden darauf einstellen müssen, viel mehr Geld für die Anpassung an die Folgen der Erderwärmung auszugeben, halten Klimaforscher für absolut notwendig. Die Experten des Umweltbundesamtes haben erst im Juni eine umfassende Untersuchung vorgelegt. Das Ergebnis: Bis Ende des Jahrhunderts nimmt bei einem ausgeprägten Klimawandel das Risiko für Starkregen, Hitze und Dürre im gesamten Land enorm zu. Am schwersten treffen wird es den Südwesten und den Osten. Auch die Küsten sind bedroht, weil der Meeresspiegel steigen wird.
Der Chef des Umweltamtes macht einen Vergleich auf. Die Sturzfluten in NRW und Rheinland-Pfalz und die Dürresommer der vergangenen Jahre seien die Folgen einer Erderwärmung von einem Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter, sagt Dirk Messner unserer Redaktion. „Bei einer Erwärmung von zwei Grad Celsius oder gar mehr müssen wir mit noch viel heftigeren Extremwetterereignissen rechnen“.
Dazu zählen auch heiße, staubtrockene Sommer, wie sie 2018 und 2019 über das Land kamen. In den Städten staut sich die Hitze noch stärker auf dem Land. In Würzburg in seiner Kessellage kann der Temperaturunterschied bis zu sieben Grad ausmachen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es auf dem engen Grundriss der mittelalterlichen Stadt wieder aufgebaut.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) hält es für an der Zeit, der Klimaanpassung mehr Gewicht im politischen Gepräge zu verleihen. Sie fordert, dass das eine nationale Aufgabe wird und der Bund die Länder unterstützt. „Jetzt müssen wir einen Schritt weiter gehen. Klimaanpassung muss zur staatlichen Daueraufgabe werden“, sagte die Ministerin unserer Reaktion. Dazu müsste das Grundgesetz geändert werden. „Damit könnten wir eine dauerhafte Finanzierung für diese wichtige Aufgabe sicherstellen“, meint Schulze. Bislang darf der Bund den Ländern nur beim Küstenschutz und der Agrarstruktur unter die Arme greifen.
Wenn die Innenstadt zum Backofen wird
Die Fläche ist versiegelt. Steine, Beton und Asphalt heizen sich auf und können Würzburg zu seinem Backofen machen. Das Klimazentrum der Stadt hat ein schlagendes Beispiel parat. Ein Quadratmeter Asphaltfläche strahlt an einem heißen Sommertag so viel Wärme zurück wie ein Heizlüfter. Die einzige Chance, die Würzburg hat, ist grün zu werden. In den Hinterhöfen soll die Betonkruste aufgebrochen werden, um Bäume zu pflanzen.
Bäume spenden Schatten und weil das Wasser in den Blättern verdunstet, kühlen sie ihre Umgebung. Ein Baum bringt so viel wie fünf Kühlschränke, sagt das Umweltzentrum. Die Würzburgerinnen und Würzburger sollen ihre Balkone und Terrassen bepflanzen und an den Fassaden ihrer Häuser Rankgesträuch wuchern lassen.
Die Stadt schenkt jungen Eltern einen Apfel-, Birnen-, oder Zwetschgenbaum oder eine Mispel, wenn ein Baby auf die Welt gekommen ist. Pflanzen müssen sie die Bäumchen selbst.