Der von AfD-Politikern gegründete rechtsnationale "Flügel" ist für den Verfassungsschutz jetzt offiziell ein Beobachtungsfall. Seine wichtigsten Vertreter, der Thüringer Fraktionsvorsitzende Björn Höcke und der Brandenburger Fraktionschef Andreas Kalbitz, seien erwiesenermaßen "Rechtsextremisten", sagte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Thomas Haldenwang, am Donnerstag in Berlin.
Die Einstufung als Beobachtungsobjekt bedeutet, dass die Bewegung mit dem kompletten Instrumentarium nachrichtendienstlicher Mittel beobachtet werden darf. Dazu zählen beispielsweise die Observation und das Anwerben von Informanten. Daten zu einzelnen Personen dürfen gesammelt und gespeichert werden. Was ein Abgeordneter im Plenum oder Ausschüssen sagt, darf allerdings nicht in die Akten einfließen.
AfD: "Flügel" um Björn Höcke hat rund 7000 Anhänger
Der Inlandsgeheimdienst sieht nach seinen Worten seinen Verdacht bestätigt, dass es sich bei dem informellen, aber gut organisierten "Flügel" um eine rechtsextreme Bestrebung handele. Nach Schätzungen des Verfassungsschutzes hat der Zusammenschluss rund 7000 Anhänger. "Wenn sich die Spielarten des Extremismus erweitern, dann erweitern auch wir unseren Beobachtungsradius", erklärte Haldenwang. Der Verfassungsschutz führte als Beleg für seine Entscheidung auch die "nochmals gestiegene zentrale Bedeutung der rechtsextremistischen Führungspersonen" des "Flügels", Höcke und Kalbitz, an.
Nach Einschätzung der Behörde gibt es in Deutschland damit aktuell rund 32.000 Rechtsextremisten. Der Verfassungsschutz stuft etwa 13 000 von ihnen als gewaltbereit ein. Die Behörde sieht eine neue Dynamik im Bereich des Rechtsextremismus und eine Vermischung unterschiedlicher Milieus. Dazu zählt auch die sogenannte Neue Rechte, zu deren Vordenkern der Verleger Götz Kubitschek gehört.
Wer als "Flügel"-Anhänger im öffentlichen Dienst beschäftigt ist, "der wird zukünftig ein Problem mit seiner Dienststelle bekommen", sagte Haldenwang. Auf die Frage, ob diese Menschen mit Jobverlust zu rechnen hätten, antwortete er, es müsse in jedem Fall eine "Einzelfallprüfung" geben.
Die AfD hatte am Vortag Stellungnahmen von Funktionären der Partei veröffentlicht, mit denen diese frühere Äußerungen zum Islam, zur Einwanderung und zur Abschiebung abgelehnter Asylbewerber "klarstellen" wollten. Damit sollten Vorhaltungen des Verfassungsschutzes entkräftet werden. Nicht alle diese Äußerungen stammten von Anhängern des "Flügels", dessen Gründer und Wortführer Höcke ist.
Beispielsweise erklärte Hans-Thomas Tillschneider, "Flügel"-Anhänger und Landtagsabgeordneter der AfD in Sachsen-Anhalt: "Es handelt sich bei dem Vergleich des Islams mit einem Baumpilz um eine drastische und polemisch überzogene Bildlichkeit, die ich 2017 verwendet habe, auf die ich aber nicht mehr zurückgreifen würde, da sie falsche Assoziationen weckt. Wichtig ist mir deshalb die Betonung, dass ich nicht Menschen mit Parasiten vergleiche, sondern eine Parallelgesellschaft."
Seit 2019 galt der "Flügel" der AfD als "Verdachtsfall
Der Verfassungsschutz hatte den rechtsnationalen "Flügel" im Januar 2019 als Verdachtsfall im Bereich des Rechtsextremismus eingestuft, ebenso die Nachwuchsorganisation der AfD, die Junge Alternative (JA). Für eine "Höherstufung" der JA fehlten aktuell weitere Anhaltspunkte, sagte Haldenwang. Es gebe "sowohl belastende als auch entlastende Momente". Die JA-Programmatik sei inzwischen deutlich moderater aufgesetzt.
Der "Flügel" kennt keine formale Mitgliedschaft. Seine Anhänger versammeln sich einmal im Jahr zum sogenannten "Kyffhäusertreffen". An dieser Veranstaltung haben in der Vergangenheit auch AfD-Politiker teilgenommen, die sich selbst nicht dem "Flügel" zurechnen, etwa der Parteivorsitzende Jörg Meuthen. Der Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Alexander Gauland, hatte im vergangenen Oktober gesagt: "Also, Herr Höcke rückt die Partei nicht nach rechts. Herr Höcke ist die Mitte der Partei."
Der FDP-Innenpolitiker Benjamin Strasser erklärte: "Der dominierende Einfluss des Flügels auf die Gesamtpartei ist besorgniserregend und zeigt, dass die AfD in weiten Teilen eine verfassungsfeindliche Partei ist." (dpa)
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