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Exklusiv: Wendt: Ämter sollen Antisemiten Kinder wegnehmen

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Wendt: Ämter sollen Antisemiten Kinder wegnehmen

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    Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPoIG), Rainer Wendt: „Weder Europa noch Deutschland können ihre Grenzen ausreichend sichern“
    Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPoIG), Rainer Wendt: „Weder Europa noch Deutschland können ihre Grenzen ausreichend sichern“ Foto: Ingo Wagner, dpa

    CSU-Innenminister Horst Seehofer hat angekündigt, dass bis zum Herbst ein erstes Rückführungszentrum für Flüchtlinge in Betrieb gehen soll. Mittelfristig soll das gesamte Asylverfahren in solchen Ankerzentren abgewickelt werden statt wie bisher in den Kommunen. Ist das der richtige Weg?

    Rainer Wendt: Das Konzept gibt es im Prinzip ja schon, etwa bei den Transitzonen an Flughäfen. Dort werden vor der Einreise die Identität und die Berechtigung zur Einreise geprüft. In den Ankerzentren soll neben der Identität das Asylbegehren geprüft werden. Nur wenn die Voraussetzungen stimmen, werden die Leute auf die Städte und Gemeinden verteilt, andernfalls wird zügig abgeschoben. Und dieses Prinzip ist auch absolut richtig. Wir müssen wissen, wer ins Land kommt und die Abschiebe-Verhinderungsindustrie in den Griff bekommen.

    Was meinen Sie damit?

    Wendt: Es gibt zahlreiche Verbände, Ärzte und Anwälte, die alle Register zieht, um Abschiebungen zu verhindern. So kommt es, dass es im vergangenen Jahr nur 24.000 Abschiebungen gegeben hat - diese Zahl ist ein Witz. Durch eine Residenzpflicht in den Ankerzentren kann verhindert werden, dass Asylbewerber abtauchen, um sich Abschiebungen zu entziehen.

    Das erste Ankerzentrum soll unter der Führung der Bundespolizei stehen...

    Wendt: Das ist ein erster Schritt, doch es kann keinesfalls eine Dauerlösung sein, denn dafür reichen unsere Kapazitäten nicht. Der Innenminister muss ein Konzept für die Ankerzentren vorlegen, das die Polizei nicht überfordert.

    Wie sollen Bewohner am Verlassen der Einrichtung gehindert werden?

    Wendt: Die Bewohner werden dort nicht eingesperrt sein, ich finde, da darf es keine hohen Zäune geben. Für Fälle, in denen die Gefahr des Untertauchens droht, gibt es ja bereits das Instrument der Abschiebehaft. Aber generell hat die Bundespolizei gar nicht das Personal, über einen längeren Zeitraum diese Einrichtungen zu bewachen.

    Was spricht gegen Privatwachdienste?

    Wendt: In der Praxis zeigt sich, dass man sich die Personen, die in diesem Bereich arbeiten, genau ansehen muss. Da kommen oft Mitglieder von Rockerbanden oder kriminellen arabischen Familienclans zum Einsatz. Es ist Sicherheitsunternehmen leider nicht verboten, Subunternehmer zu beschäftigen, das macht es schwierig, zu garantieren, dass nur seriöse Firmen zum Zug kommen.

    "Antisemitismus bringen viele Kinder von zu Hause mit"

    Wie könnte die Aufgabe trotzdem bewältigt werden?

    Wendt: Etwa indem Bundes- und Landespolizei eng zusammenarbeiten und auch insgesamt mehr sogenannte Einsatzassistenten eingestellt werden. Das sind tariflich beschäftigte Kräfte in Uniform, die keine Beamten sind, aber unter Führung erfahrener Polizisten eingesetzt werden. Übrigens ist die Bundespolizei ja bereits durch ihre Aufgaben im Bereich Grenzschutz überlastet.

    Bayerns Ministerpräsident Markus Söder von der CSU will deswegen eine eigene Grenzpolizei aufbauen...

    Wendt: Söder macht das absolut richtig. Alle Bundesländer sollten dem Beispiel Bayerns folgen und die Schleierfahndung an ihren Grenzen hochfahren. Denn wenn Bayern stärker kontrolliert, werden sich die Schleuserrouten etwa nach Baden-Württemberg, Sachsen oder Brandenburg verlagern. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in ihrer Regierungserklärung versprochen, dass sich ein Kontrollverlust wie im Herbst 2015 nicht wiederholen darf. Doch dafür gibt es nicht die Voraussetzungen, die Grenze ist nach wie vor offen. Weder Europa noch Deutschland können ihre Grenzen ausreichend sichern, in Deutschland fehlen dazu tausende Polizisten. Es geht ja auch nicht nur um illegale Migration, sondern auch um Kriminalität. Dort, wo in Grenznähe kontrolliert wird, gibt es tausende Aufgriffe, etwa im Bereich Drogenschmuggel.

    Im Koalitionsvertrag von Union und SPD steht, dass bei Bund und Ländern zusammen 15.000 Polizistenstellen geschaffen werden sollen. Reicht das aus?

    Wendt: Nicht annähernd. Es sind ja zuvor 17.000 Stellen abgebaut worden und das war vor der Flüchtlingskrise. Neue Aufgaben sind auch durch die ausufernde Cyberkriminalität oder durch Rockerbanden hinzugekommen. Wir haben rund 265.000 Polizisten in Deutschland. Das sind nach unserer Einschätzung etwa 50.000 zu wenig.

    Zuletzt hat eine Reihe judenfeindlicher Vorfälle für Entsetzen gesorgt. Unionsfraktionschef Volker Kauder fordert eine Meldepflicht für antisemitische Vorfälle an Schulen. Was halten Sie davon?

    Wendt: Das hätte man längst machen müssen. Wir brauchen dringend eine bessere Meldekultur, auch was Gewalttaten insgesamt betrifft. Leider haben viele Schulleiter bisher nach dem Motto „in meiner Schule gibt es das nicht“ gehandelt. Antisemitismus bringen viele Kinder von zu Hause mit. Und da darf man nicht davor zurückschrecken, das klar zu benennen. Auch hier wurde bisher vieles von dem, was an Antisemitismus von Muslimen ausgeht, nicht gerne registriert. Doch das muss vorurteilsfrei erfasst werden, um wirksame Gegenstrategien entwickeln zu können.

    "Wir sollten keine messertragende Gesellschaft werden"

    Wie könnten die aussehen?

    Wendt: Ein entschiedenes Eintreten gegen Antisemitismus ist in Deutschland zu Recht Staatsräson. Da muss sehr entschieden gehandelt werden, auch wenn die Aggression von Migranten ausgeht. Wenn Kinder zu Antisemiten erzogen werden, darf man nicht davor zurückschrecken, sie aus ihren Familien herauszunehmen.

    Laut Statistik wird nur ein kleiner Teil der antisemitischen Straftaten von Muslimen begangen, der überwiegende Teil von Rechtsextremen...

    Wendt: An der Art, wie diese Straftaten bisher erfasst werden, sind erhebliche Zweifel angebracht. Wenn etwa jüdische Einrichtungen beschmiert oder beschädigt werden und die Täter unbekannt sind, wird für die Statistik automatisch von einer rechtsextremen Tat ausgegangen. Das ist nicht mehr zeitgemäß, wie die Entwicklung zeigt. Es ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, was von Muslimen begangene antisemitische Taten betrifft.

    Nach einer Reihe von Messerangriffen wird über ein mögliches Messer-Verbot diskutiert. Brauchen wir das?

    Wendt: Ich verstehe überhaupt nicht, warum bestimmte Messer in der Öffentlichkeit getragen werden dürfen. Klappmesser etwa sind erlaubt und die werden dann auch in Discos, Schulen oder Jugendtreffs getragen. Und wenn es Streit gibt, dann kann das schnell tödlich enden.

    Ist die Gefahr, Opfer eines Messerangriffs größer geworden?

    Wendt: Es gibt Studien, etwa aus Hessen, die nahelegen, dass immer mehr Personen, meist Jugendliche oder junge Männer, Messer bei sich tragen. Und es deutet einiges darauf hin, dass dies bei Zuwanderern besonders häufig der Fall ist. In manchen Kulturen ist das Tragen eines Messers für Männer normal. Wir müssen klar machen, dass dies bei uns nicht der Fall ist. Wir müssen uns fragen, ob wir eine messertragende Jugend haben wollen. Auch hier geht es darum, vor einer Verbotsdiskussion erst einmal die Lage zu erfassen, herauszufinden, was die Leute dazu treibt, mit einer Stichwaffe herumzulaufen. Wir sind keine schusswaffentragende Gesellschaft wie etwa die USA. Ich denke, wir sollten auch keine messertragende Gesellschaft werden.

    Zur Person: Rainer Wendt ist seit 2007 Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft DPolG, der mit etwa 94.000 Mitgliedern zweitgrößten deutschen Polizeigewerkschaft. Der 62-jährige Nordrhein-Westfale ist Mitglied sowohl der CDU als auch der CSU.

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