Der Deutsche Presserat hat sich kritisch über die angedrohte Strafanzeige von Bundesinnenminister Horst Seehofer gegen eine Autorin der taz geäußert. "Der Weg über das Strafrecht ist immer mit Einschüchterung verbunden", sagte Roman Portack, Geschäftsführer des Presserates, unserer Redaktion. "Eine Folge dieses Falls könnte daher sein, dass Journalisten möglicherweise später einmal zögern, bevor sie etwas veröffentlichen. Wir wollen aber keine Schere im Kopf."
Presserat sieht auch Seehofers "Fürsorgepflicht" für Polizisten
Gleichwohl sei es das Recht des CSU-Ministers, gegen die polizeikritische Zeitungskolumne der taz vorzugehen, sagte der Presserat-Vertreter. "Natürlich hat Seehofer als oberster Dienstherr der Bundespolizei auch eine Fürsorgepflicht für seine Beamten – dazu kann auch das Erstatten von Anzeigen gehören", sagte Portack. "Bei einem solchen Fall – einem Meinungsbeitrag in der Presse – sollte man mit einer Strafanzeige nicht gleich zum schärfsten Schwert des Rechtsstaates greifen", fügte er hinzu. "Das war kein guter Schritt von Seehofer."
Als Angriff auf die Pressefreiheit würde er die angekündigte Strafanzeige Seehofers gegen die taz-Kolumnistin jedoch nicht bezeichnen. "Es stünde aber einem Bundesminister des Inneren besser zu Gesicht, den Fall von der Selbstkontrolle der Presse, dem Deutschen Presserat, klären zu lassen."
Umstrittene taz-Kolumne: 318 Beschwerden eingegangen
Dem Deutschen Presserat lagen am Dienstagvormittag nach Angaben Portacks bereits 318 Beschwerden wegen der taz-Kolumne vor: "Solche Massenbeschwerden haben wir immer wieder, dieser Fall ist also nichts Ungewöhnliches für uns", sagte Portacks. Die Beschwerden richten sich nach Angaben des Selbstkontrollorgans vor allem gegen den letzten Absatz des satirisch gemeinten Beitrags "All cops are berufsunfähig". In ihrer Kolumne schrieb Hengameh Yaghoobifarah über ein mögliches neues Betätigungsfeld für Polizisten, falls die Polizei abgeschafft werde, der Kapitalismus aber nicht. Wörtlich heißt es im letzten Absatz: "Spontan fällt mir nur eine geeignete Option ein: die Mülldeponie. Nicht als Müllmenschen mit Schlüsseln zu Häusern, sondern auf der Halde, wo sie wirklich nur von Abfall umgeben sind. Unter ihresgleichen fühlen sie sich bestimmt auch selber am wohlsten."
Nach Angaben des Presserats befindet man sich noch in der Vorprüfung. Diese übernehmen der Beschwerdeausschussvorsitzende und die Geschäftsstelle. Das Gremium will voraussichtlich noch in dieser Woche über die Einleitung eines Verfahrens gegen die taz entscheiden.
So geht der Presserat mit Beschwerden um
Wenn es zu einem Verfahren kommt, wird die taz-Redaktion um eine Stellungnahme gebeten, danach befassen sich vermutlich die zwölf Mitglieder des "Beschwerdeausschuss 2" des Presserats mit der Kolumne. Die in diesem Ausschuss vertretenen Redakteure und Branchenverbandsvertreter treffen sich am 8. Dezember zu ihrer nächsten Sitzung. Im Falle der taz-Kolumne werden sie dann wohl darüber zu befinden haben, ob der umstrittene Text gegen Ziffer 1 des Pressekodex verstößt. Dort steht: "Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse."
Der Deutsche Presserat ist die Freiwillige Selbstkontrolle der Print- und Onlinemedien in Deutschland. Er tritt für die Einhaltung ethischer Standards im Journalismus ein und verteidigt seinem Selbstverständnis nach die Pressefreiheit gegen Eingriffe von außen.
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