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Exklusiv: Altersdiskriminierung in Krankenkassen: Was die Groko dagegen tun will

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Altersdiskriminierung in Krankenkassen: Was die Groko dagegen tun will

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    Die große Koalition fordert, dass ältere Versicherte bei den gesetzlichen Krankenkassen weniger diskriminiert werden.
    Die große Koalition fordert, dass ältere Versicherte bei den gesetzlichen Krankenkassen weniger diskriminiert werden. Foto: Maurizio Gambarini (dpa, Symbolbild)

    Die Gesundheitsexperten der großen Koalition haben gesetzliche Maßnahmen gegen eine Diskriminierung von älteren Versicherten in der gesetzlichen Krankenkassen angekündigt. 

    Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach stellte sich im Gespräch mit unserer Redaktion hinter die jüngste Kritik des Bundesversicherungsamts, dass die Kassen im verstärkten Wettbewerb um junge und gesunde Versicherte Ältere und Kranke benachteiligten. „Die Vorwürfe des Bundesversicherungsamtes sind auf der Grundlage meiner Erkenntnisse berechtigt“, betonte der SPD-Politiker.

    Bonusprogramme der Krankenkassen kommen oft nur den Jungen und Gesunden zu Gute

    „Der Bericht offenbart einen Handlungsbedarf für den Gesetzgeber“, sagte Lauterbach über die Studie der Rechtsaufsicht zum Wettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung.  „Wir haben einen zunehmenden Wettbewerb der Kassen um junge Gesunde“, fügte er hinzu.  Deshalb müsse der Gesetzgeber „das Genehmigungsverfahren für Bonusprogramme und Präventionsprogramme ändern“, forderte der SPD-Politiker.

    Die Genehmigung muss stärker berücksichtigen, ob diese Programme nicht nur den Jungen und Gesunden, sondern auch den sozial Schwachen mit Risikofaktoren sowie Älteren zu Gute kommen“, betonte er.

    Der CSU-Gesundheitsexperte Georg Nüßlein geht noch weiter: „Wir müssen als Gesetzgeber über schärfere persönliche Sanktionen gegen Vorstände der betroffenen Kassen nachdenken“, sagte der Unionsfraktionsvizevorsitzende unserer Redaktion.

    „Die Phantasie und Renitenz einiger Kassen, sich im Wettbewerb unfair und unverschämt Vorteile zu verschaffen, sind leider grenzenlos und verstoßen gegen das Solidarprinzip“, betonte Nüßlein mit Blick auf umstrittene Bonusprogramme für junge Versicherte. „Seit 25 Jahren haben wir mit den Auswüchsen des unterm Strich trotzdem sinnvollen Wettbewerbs immer wieder zu kämpfen“, kritisierte der CSU-Politiker.

    Gesetzgeber stehen in der Pflicht

    Der SPD-Politiker Lauterbach forderte zudem, vor allem die Ursachen unfairer Wettbewerbsmaßnahmen zu bekämpfen. „Daher müssen wir als Gesetzgeber dafür sorgen, dass auch die Menschen, die chronisch krank sind, sich für die Kassen lohnen“, betonte der Gesundheitsexperte. „Den Kassen ist es nicht zuzumuten, dass sie mit chronisch Kranken Verluste machen“, fügte er hinzu.

    Das Gesundheitssystem in Deutschland

    Die Beteiligten im deutschen Gesundheitsystem lassen sich in fünf Kategorien aufteilen:

    Die Leistungsempfänger, also Patienten, die Leistungserbringer (Ärzte, Pflegeberufe), Leistungsfinanzierer (Selbstzahler, Arbeitgeber), die Leistungsfinanzierer (Krankenkasse) und der Staat.

    Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie der Staat zahlen regelmäßig Beiträge in die Krankenkassen ein ...

    ... welche wiederum im Krankheitsfall an die Versicherten ausgeschüttet werden, um die Behandlungskosten zu decken.

    In Deutschland gibt es gesetzliche und private Krankenversicherungen. Über 75% Prozent der Deutschen sind gesetzlich versichert ...

    ... wohingegen circa zehn Prozent privat versichert sind. 2,3 Prozent der Deutschen sind anderweitig versichert (Zivildienstleistende, Bundeswehr).

    Arbeitnehmer sind verpflichtet, sich zumindest gesetzlich zu versichern. Private Versicherungen sind nicht verpflichtend und haben teilweise Gewinnerzielungsabsichten.

    Zu den gesetzlichen Krankenkassen zählen AOK, IKK, BKK, DAK und Barmer.

    Private Krankenkassen sind unter anderem Allianz, AXA, DKV, Provinzial, R+V, Victoria und Signal Iduna.

    Im Vergleich mit anderen Staaten lag Deutschland mit seinen Gesundheitsausgaben 2006 auf Rang vier mit Ausgaben von rund 10,6 Prozent des BIP.

    Im Jahr 2007 arbeiteten in Deutschland rund 4,4 Millionen Menschen in der Gesundheitswirtschaft.

    Im Jahr 2012 sollen sich die Reserven der gesetzlichen Krankenkassen auf rund 21,8 Milliarden Euro belaufen.

    „Bisher haben wir nur eine Auswahl an Krankheiten, bei denen der sogenannte Risikostrukturausgleich zwischen den Kassen gilt“, erklärte der SPD-Politiker. „Diese Auswahl müssen wir erweitern: Eigentlich wäre es richtig, dass alle schweren und chronischen Krankheiten anerkannt werden, nicht nur eine verkürzte Auswahl.“

    Laut  dem Sonderbericht des Bundesversicherungsamtes versuchen viele Kassen, mit Wechselprämien von bis zu 900 Euro, Bonusprogrammen oder Angeboten zur betrieblichen Gesundheitsförderung junge Mitglieder anzulocken, während sie die Anträge älterer Patienten auf Reha-Maßnahmen oder die Übernahme von Kosten für Hilfsmittel wie Hörgeräte, Rollatoren oder Krücken häufiger verweigern.  So würden inzwischen fast 20 Prozent der beantragten Reha-Maßnahmen für Rentner abgelehnt.

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