Die Zahl der durch das Coronavirus getöteten US-Bürger hat die amerikanischen Opferzahlen des Vietnamkrieges überschritten. Die Arbeitslosigkeit schießt auf den Rekordwert von 14,7 Prozent. Doch Donald Trump hat beste Laune. „Gestern war ein großer Tag für das Recht in den USA“, twitterte der Präsident. Und in Großbuchstaben: „Legt den Sumpf trocken!“
Tatsächlich war nach Meinung vieler Beobachter genau das Gegenteil geschehen, als das US-Justizministerium überraschend die Untersuchungen gegen Ex-Sicherheitsberater Michael Flynn einstellte und bei Gericht das Ende des Verfahrens beantragte. Immerhin hatte sich der von Trump im Januar 2017 berufene und bereits nach 23 Tagen zurückgetretene Ex-General selbst schuldig bekannt, das FBI über seine Geheimkontakte zum russischen Botschafter belogen zu haben. Seit Monaten wurde das Urteil erwartet. Die Staatsanwaltschaft hatte bis zu sechs Monate Haft gefordert.
Strafverfolgung von Flynn plötzlich nicht mehr im Interesse der Justiz
Dazu wird es nicht kommen. In der Zwischenzeit hat Trumps Justizminister William Barr den Fall an sich gezogen und eine Untersuchung angeordnet. Nun liegt eine Strafverfolgung „nach Überprüfung aller Fakten und Umstände einschließlich neu entdeckter und enthüllter Informationen“ plötzlich nicht mehr im Interesse der Justiz. Angeblich hatte das FBI keine Rechtsgrundlage für Ermittlungen und soll Flynn eine Falle gestellt haben.
„Ich bin sehr lange im Geschäft. Aber so etwas habe ich noch nie erlebt“, staunte nicht nur Julie O’Sullivan, ehemalige Staatsanwältin und heutige Jura-Professorin an der renommierten Georgetown-Universität. „Das ist die schlimmste politische Instrumentalisierung in der Geschichte des Justizministeriums“, wetterte Adam Schiff, demokratischer Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus. Senatorin Elizabeth Warren nannte Barr „korrupt“ und forderte seinen Rücktritt. „Das ist ein Vorgeschmack auf das, was in einer zweiten Amtszeit von Trump passieren würde“, warnte der konservative Kolumnist Bill Kristol: „Die Exekutive würde eingesetzt, um Trumps Freunden zu helfen, seine Feinde zu bestrafen und die Herrschaft des Rechts zu untergraben.“
US-Präsident Trump bezeichnet Flynn als "Helden"
Tatsächlich geht es in der Causa Flynn um mehr als um die vertuschten Kontakte des Ex-Lobbyisten in die Türkei und nach Russland. Der einstige Trump-Vertraute war eine Schlüsselfigur in der Mueller-Untersuchung. Sein Eingeständnis, dass er im Dezember 2016, also vor der Amtseinführung Trumps, den russischen Botschafter bei einem zunächst bestrittenen Geheimtelefonat um eine zurückhaltende Reaktion auf die von Präsident Barack Obama verhängten Sanktionen bat, war ein wichtiger Beleg für die Zusammenarbeit der Trump-Kampagne mit Moskau. Monate später forderte Trump den damaligen FBI-Direktor James Comey auf, Flynn bei den Ermittlungen zu schonen und ihm selbst einen Persilschein auszustellen. Die Weigerung Comeys und sein Rauswurf brachten dann die Mueller-Ermittlungen ins Rollen.
Die Weißwaschung von Flynn, den der Präsident nun als „unschuldigen Mann“ und „Helden“ bezeichnet, dient Trump also vor allem dem Ziel, die Russland-Ermittlungen endgültig als vermeintliche Polit-Intrige und sich selbst als Opfer darzustellen. Die FBI-Untersuchungen gegen Flynn seien „eine korrupte Hexenjagd in der Verantwortung von Vizepräsident Joe Biden“ gewesen, wütete die Trump-Kampagne. Der Präsident erklärte: „Ich hoffe, viele Leute zahlen (dafür) einen hohen Preis. Sie sind der menschliche Abschaum.“
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