Julia Timoschenko soll "systematische Verstöße" gegen die Gerichtsordnung begangen haben. Aus diesem Grund hat der Vorsitzende Richter Rodio Kirejew am Freitag ihre Inhaftierung angeordnet. Julia Timoschenko, Ex-Regierungschefin der Ukraine, steht wegen mutmaßlichen Amtsmissbrauchs vor Gericht. Dabei geht es um Gasabkommen, die während ihrer Regierungszeit im Jahr 2009 zwischen der Ukraine und Russland geschlossen wurden und laut Anklage für Kiew äußerst ungünstig waren. Der Ukraine sollen damit 1,5 Milliarden Hrywnia (130 Millionen Euro) entgangen sein. In der Öffentlichkeit wird das verfahren gegen Timoschenko zwiespältig betrachtet.
Timoschenko verschickte spöttische Twitter-Nachrichten
Die 49 Jahre alte Julia Timoschenko sorgte in dem schon seit Beginn turbulent verlaufenden Prozess am Freitag für Furore, in dem sie wieder Twitter-Nachrichten verschickte. Sie spöttelte darin über den Regierungschef Mikola Asarow, der als Zeuge für die Anklage auftrat. Der als blass geltende Bürokrat und Vertraute ihres Rivalen, Präsident Viktor Janukowitsch, brauche kein Kreuzverhör, sondern "eine Massage, eine Tasse Tee und vollkommene Ruhe", schrieb sie. Zudem verbreitete Julia Timoschenko einen bissigen Kommentar zum Antrag auf Untersuchungshaft: "Jetzt also weiter mit einem Antrag auf Hinrichtung durch Erschießen. Gebt ihr (der Staatsanwältin) den Revolver", schrieb sie ironisch. Jetzt hatte die Politikerin mit der berühmten Frisur von der Anklagebank erneut mit ihrem iPad spöttische Botschaften über den Online-Dienst Twitter verbreitet.
Richter Kirejew kam mit seiner Anordnung einer Untersuchungshaft für Timoschenko einem Antrag der Staatsanwaltschaft nach. Diese hatte bereits in der vergangenen Woche gefordert, die frühere Regierungschefin wegen Fehlverhaltens im Gerichtssaal zu inhaftieren. Anklägerin Lilja Frolowa kritisierte am Freitag erneut das Auftreten Timoschenkos als unangemessen. Bisher hatte die 49-Jährige nur die Hauptstadt Kiew nicht verlassen dürfen.
Nach der Anordnung der Untersuchungshaft forderte die frühere Regierungschefin, nicht im Gerichtssaal in Handschellen gelegt zu werden. Diese wurden ihr deshalb erst draußen angelegt. Während einige ihrer Anhänger "Schande" riefen, lieferten sich ihr loyal gegenüberstehende Parlamentarier Handgemenge mit der Polizei. Vor dem Gerichtssaal versuchten rund 50 Unterstützer, einem Gefängnistransporter den Weg zu versperren.
Julia Timoschenko weist die Vorwürfe als politisch motiviert zurück und hat aus Protest nach eigenen Angaben den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angerufen. Sie rechnete bereits kurz nach dem Auftakt des Prozesses mit einer Inhaftierung. Ihr drohen bei einem Schuldspruch bis zu zehn Jahre Haft sowie der Ausschluss von der Parlamentswahl im nächsten Jahr und der Präsidentschaftswahl im Jahr 2015.
Timoschenko war eine der Führungsfiguren der sogenannten Orangenen Revolution des Jahres 2004. Sie war zuerst im Jahr 2005 und später von Dezember 2007 bis März 2010 Regierungschefin der Ukraine. Bei der Präsidentschaftswahl im Februar 2010 unterlag sie dem als russlandfreundlich geltenden heutigen Staatschef Janukowitsch. afp/AZ