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Ex-Geheimdienstchef: Die unheimliche Provokation des Hans-Georg Maaßen

Ex-Geheimdienstchef

Die unheimliche Provokation des Hans-Georg Maaßen

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    Unrühmliches Karriereende: Hans-Georg Maaßen wurde am Montag in den einstweiligen Ruhestand versetzt.
    Unrühmliches Karriereende: Hans-Georg Maaßen wurde am Montag in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Foto: Stefan Boness, Imago

    Hans-Georg Maaßen hat für seine Abrechnung mit Teilen der Bundesregierung und der Medien ein Forum gewählt, das so geheim ist wie kaum ein anderes auf der Welt. Und doch wird der scheidende Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz genau gewusst haben, dass ihm gerade dadurch die größtmögliche Aufmerksamkeit zuteilwerden würde. Dass damit an seiner Versetzung in den einstweiligen Ruhestand kein Weg mehr vorbeiführt, dürfte Maaßen nicht nur billigend in Kauf genommen haben. Vieles deutet darauf hin, dass der 55-jährige Spitzenbeamte genau dies provozieren wollte.

    Nachdem der Streit über seine umstrittenen Äußerungen zu den Ausschreitungen in Chemnitz die Bundesregierung im Spätsommer an den Rand des Scheiterns gebracht hatte, schien die „Causa Maaßen“ zunächst beendet. Nach einigen Wendungen war entschieden worden, dass Maaßen als Sonderbeauftragter ins Innenministerium von Horst Seehofer (CSU) wechseln sollte. Doch dazu kommt es nicht.

    Maaßens Rede soll geheim bleiben. Bleibt es aber nicht.

    Maaßen wird sofort von seinen Aufgaben freigestellt, verkündete Seehofer am Montag. Grund sei die Rede Maaßens im „Berner Club“, dem die Chefs der Inlandsgeheimdienste der 28 EU-Länder sowie Norwegens und der Schweiz angehören. Die Runde trifft sich zweimal im Jahr. Nichts soll aus den Sitzungen nach außen dringen. Klar ist aber, dass die Geheimdienstchefs anschließend ihren Regierungen Bericht erstatten. So drang über Spitzenpolitiker aus befreundeten Staaten an Horst Seehofers Ohr, was sein Mitarbeiter beim Treffen am 18. Oktober in Warschau zu sagen hatte. Maaßen verabschiedete sich von seinen Kollegen – und stellte sich in seiner Rede als Opfer einer Verschwörung „linksradikaler Kräfte in der Bundesregierung“ dar.

    Das Manuskript der Rede war kurz darauf auch im Intranet des Bundesamts für Verfassungsschutz zu lesen. Jeder der mehr als 3000 Mitarbeiter der Behörde konnte das Dokument sehen – und trotz der Verschwiegenheitspflichten dauerte es nicht lange, bis die Inhalte nach draußen drangen. In seiner Rede erhebt Maaßen schwere Vorwürfe. Seine Äußerungen zu den Vorfällen in Chemnitz waren nach seiner Darstellung „für linksradikale Kräfte in der SPD, die von vorneherein dagegen waren, eine Koalition mit der CDU/CSU einzugehen, der willkommene Anlass, um einen Bruch dieser Regierungskoalition zu provozieren“. Und weiter: „Da ich in Deutschland als Kritiker einer idealistischen, naiven und linken Ausländer- und Sicherheitspolitik bekannt bin, war dies für meine politischen Gegner und für einige Medien auch ein Anlass, um mich aus meinem Amt zu drängen.“

    Widerspruch zu den Aussagen der Kanzlerin

    Verteidigt hat Maaßen in seiner brisanten Abschiedsrede auch seine Äußerungen zu Chemnitz, die am Beginn der Affäre standen. Hintergrund: Ende August war es im sächsischen Chemnitz zu Protesten und rassistisch motivierten Übergriffen gekommen, nachdem ein Mann bei einem Stadtfest erstochen worden war. Bei den mutmaßlichen Tätern handelt es sich um Asylbewerber. Aussagen in einem Interview, das Maaßen damals der Bild gab, wurden als Verharmlosung der Ausschreitungen scharf kritisiert. Maaßen hatte etwa Zweifel an der Echtheit von Videoaufnahmen geäußert, die einen Angriff auf Ausländer zeigen sollen. Insbesondere bestritt Maaßen, dass es in Chemnitz zu „Hetzjagden“ gekommen sei – genau diesen Begriff hatte kurz zuvor Bundeskanzlerin Angela Merkel verwendet.

    „Wir haben Videoaufnahmen darüber, dass es Hetzjagden gab, dass es Zusammenrottungen gab, dass es Hass auf der Straße gab, und das hat mit unserem Rechtsstaat nichts zu tun“, sagte Merkel. Schnell wurde der offene Widerspruch des Behördenchefs zum Politikum. Im Gegensatz zu Äußerungen im Innenausschuss, in denen Maaßen das Interview bedauerte, hat er in seiner Abschiedsrede seine umstrittenen Aussagen bekräftigt.

    Seehofer nennt Maaßens Worte inakzeptabel

    Innenminister Seehofer nannte Maaßens Aussagen am Montag „inakzeptabel“ und die Versetzung des Beamten in den einstweiligen Ruhestand „ein Signal für eine Rückkehr zu einer sachorientierten Zusammenarbeit in der Bundesregierung“. Erst wenige Wochen zuvor wäre die Große Koalition an der Maaßen-Affäre beinahe zerbrochen. Denn Seehofer hielt seine schützende Hand über den Mitarbeiter, bis die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles dem CSU-Chef eine Art Ultimatum stellte. Bei einer Wahlkampfveranstaltung sagte sie: „Herr Maaßen muss gehen, und ich sage Euch, er wird gehen.“

    Nahles, Merkel und Seehofer beschlossen dann, Maaßen zwar als Geheimdienstchef abzulösen, ihn gleichzeitig aber zum Staatssekretär im Innenministerium zu befördern – bei deutlich gestiegenen Bezügen. Der vermeintliche Kompromiss machte alles noch schlimmer. In der Bevölkerung herrschte gewaltiger Unmut über die Absetzung bei gleichzeitiger Beförderung. Schließlich ruderte Seehofer zurück: Maaßen sollte als Abteilungsleiter ins Innenministerium wechseln, mit den gleichen Bezügen wie als Geheimdienstchef.

    Selbst daraus wird nun nichts: Nach Maaßens unheimlicher Provokation im heimlichen Berner Club riss auch seinem Unterstützer Seehofer der Geduldsfaden.

    Maaßen sagte nun, er könne sich auch einen Wechsel in die Politik vorstellen. Von den im Bundestag vertretenen Parteien gibt es jetzt nur noch eine einzige, in der man voll des Lobes für Maaßen ist. „Herr Maaßen ist ein pflichtbewusster, exzellenter und sorgfältiger Beamter“, sagt AfD-Chef Jörg Meuthen. Und sein Co-Vorsitzender Alexander Gauland sagt: „Ich glaube, dass Herr Maaßen ein Fachwissen hat, das wir gut gebrauchen können.“

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