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Europawahl: Schluss mit dem Jammern: Europa braucht einen Plan

Europawahl

Schluss mit dem Jammern: Europa braucht einen Plan

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    In vier Wochen wird in Europa gewählt.
    In vier Wochen wird in Europa gewählt. Foto: Karl-Josef Hildenbrand

    Noch 27 Tage sind es bis zur Europawahl, und es handelt sich offensichtlich um einen Countdown zur drohenden Apokalypse. Diesen Eindruck bekommt zumindest, wer den Kandidaten aller Parteien länger zuhört. Von einer „Schicksalswahl“ sprechen sie, von der Wahl zwischen Rettung und Untergang, von der drohenden Machtübernahme durch Europahasser von links und rechts.

    Keine dieser Analysen ist völlig falsch. Ja, es handelt sich um eine wichtige Abstimmung. Gewiss gibt es zudem Zersetzungstendenzen auf dem Kontinent, der noch immer unter einem Bündel von Krisen leidet. Und dass im nächsten Europaparlament eine (noch größere) Gruppe radikal linker und radikal rechter Gruppen sitzen wird, die das Parlament lieber kapern als konstruktiv nutzen wollen, ist sehr wahrscheinlich.

    Wer aber so martialische Rhetorik bemüht, muss sich zwei Fragen gefallen lassen. Ist die scharfe Analyse in dieser Schärfe zutreffend? Und, wichtiger noch: Hilft das ständige Beschwören der Gefahr, die Bürger für diese Wahl zu begeistern? Vor fünf Jahren ist nicht einmal jeder zweite deutsche Wahlberechtigte dort erschienen.

    Mit Krisengerede gewinnt man keine Wähler

    Auf die beiden Fragen lautet die Antwort: Nein, nicht wirklich. Und auf die zweite Frage lautet die Antwort: Nein, ganz bestimmt nicht. Denn es stimmt: die Herausforderungen der Migration, die Nachwirkungen der Euro- und Weltfinanzkrise, die Wirrungen des Brexits haben die Europäische Union an ihre Grenzen geführt. Genauso stimmt aber, dass eben diese Krisen Europa erstaunlich neue Kraft eingehaucht haben.

    Dass Migrationspolitik nur gemeinsam gelingen kann, ist nun weitgehend unbestritten, so schwer die konkrete Umsetzung bleibt. Der Brexit hat nicht weitere Absetzbewegungen ausgelöst – sondern schweißte den Rest der EU zusammen, während sich das Vereinigte Königreich selber zerlegte. Und US-Präsident Donald Trump mag Brüssel für ein Land halten. Aber wenn es um Handel, Wettbewerb oder Datenschutz geht, hat selbst er Respekt vor

    Das alles ist kein Grund zum Jubilieren und sollte keineswegs dazu verleiten, die EU als beste aller Welten darzustellen. Aber mit übertriebenem Krisengerede gewinnt man Wähler gewiss nicht zurück. Europaweit wächst in Umfragen der Rückhalt für die EU – allerdings auch Unmut über deren konkrete Erfolgsbilanz. Die meisten wollen Brüssel weder abreißen noch euphorisch ausbauen. Sie wünschen sich: eine bessere EU. Und sie wissen auch ziemlich genau, wo diese was bewirken soll. Bei Einwanderung etwa, Wirtschaft und Handel, den Herausforderungen durch Klimawandel oder Digitalisierung.

    Merkel hat kein Interesse am Europawahlkampf 

    Dafür braucht es statt Untergangsrhetorik konkreter Pläne. Das gilt für alle Kandidaten, ganz besonders aber für Manfred Weber, weil dieser als Spitzenkandidat für die Union antritt. Deren Kanzlerin Angela Merkel wollte auch noch einmal Kanzlerin werden, um Europa in diesen Krisenzeiten zu gestalten.

    Geschehen ist davon: nichts. Emmanuel Macrons Vorschläge für eine Erneuerung der Union (so utopisch manche waren), hat sie totgeschwiegen. Für den Europawahlkampf interessiert sich Merkel nicht. Und Pläne, was Deutschland mit seiner baldigen Ratspräsidentschaft anfangen will, sind von ihr bislang nicht bekannt.

    Die Bürger wollen aber politische Pläne von ihren Politikern. Ein Zwölf-Punkte-Plan, wie ihn Kandidat Weber gerade in Athen vorgestellt hat, enthält immer auch Plattitüden. Doch er weist in die richtige Richtung. Wir müssen in den nächsten 27 Tagen darüber reden, wie wir Europa in Zukunft (noch) besser gestalten können. Das hilft Europa mehr als jedes Getöne von Schicksalswahlen.

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