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Europawahl: Der Sprung ins Parlament wird leichter

Europawahl

Der Sprung ins Parlament wird leichter

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    Es ist nur ein Satz, den die Verfassungsrichter aus dem Europawahlgesetz streichen: „Bei der Verteilung der Sitze auf die Wahlvorschläge werden nur Jetzt ist sie Geschichte. Bei der Europawahl im Mai zieht jede Partei ins Parlament ein, die genug Stimmen für einen Sitz aufbringt.

    "Sieg der Demokratie"

    Zu den Klägern gehörten die Freien Wähler und die ÖDP, deren Chancen jetzt schlagartig gestiegen sind: „Das ist ein Sieg der Demokratie und bedeutet für uns Freie Wähler ganz klar: Wir sitzen im Europaparlament“, sagt FW-Chef Hubert Aiwanger.

    Die Begründung des Gerichts bedeutet im Klartext, dass das Europaparlament zu unbedeutend und zu schwach ist, als dass eine Hürde nötig wäre: Das Parlament habe nicht genügend Kompetenzen, für die es auf stabile Mehrheitsverhältnisse ankommt – etwa die ständige Unterstützung einer handlungsfähigen Regierung.

    Verpasste Chance des Gerichts

    Viele Parlamentarier sehen das anders. Etwas der Chef der CSU-Abgeordneten, Markus Ferber: „Das Gericht hat die Chance verpasst, die neuen Realitäten in Europa anzuerkennen“, sagte der schwäbische CSU-Chef.

    Schließlich habe die Abgeordnetenkammer der EU seit dem Start des Lissabonner Vertrages 2009 einen „Qualitätssprung“ gemacht, die „demokratische Legitimation“ sei weit vorangeschritten. Der CDU-Politiker Axel Voss wurde noch deutlicher. Er nannte den Richterspruch „arrogant und ignorant“.

    Mehr Macht für Einzelpersonen?

    99 Abgeordnete werden derzeit von deutschen Parteien gestellt, ab Mai werden es nur noch 96 sein, weil das Parlament auf 751 (derzeit 766) Mandate verkleinert wird. Um dann einen der begehrten Sitze im Straßburger oder Brüsseler Plenum zu erhalten, dürfte schon ein Prozent der Stimmen reichen.

    Als Folge befürchten viele „Zustände wie in der Weimarer Republik“, wie die SPD-Europapolitikerin Kerstin Westphal es nennt. Damals hätten „Kleinstgruppen und Einzelpersonen anstatt große Fraktionen“ das Tagesgeschäft bestimmt.

    Das Europaparlament: Zahlen und Fakten

    1979 fand die erste Europawahl statt. Das Parlament wird für fünf Jahre gewählt.

    Bei der Wahl 2014 werden 751Mandate für die kommende Legislaturperiode vergeben.

    Aus Deutschland werden 2014 96 Bewerber einen Sitz im EU-Parlament erhalten. Das sind so viele wie aus keinem anderen Mitgliedstaat, aber drei weniger als bisher.

    CDU und CSU errangen 2009 in Deutschland die meisten Sitze (42) vor SPD (23), den Grünen (14) sowie FDP (zwölf) und Linken (acht).

    Im EU-Vertrag von Lissabon wurde eine Höchstzahl von 96 Abgeordneten pro Land beschlossen.

    Die Wahlbeteiligung ist bei jeder Europawahl gesunken. Lag sie im Jahr 1979 noch bei 63 Prozent, gaben vor fünf Jahren nur noch 43 Prozent der Europäer ihre Stimme ab.

    Die Abgeordneten aus den 28 Mitgliedstaaten haben sich zu derzeit sieben Fraktionen zusammengeschlossen.

    Fünf, drei oder null Prozent: Bei der Europawahl in Deutschland sollte erstmals eine Drei-Prozent-Hürde gelten, die eine Partei für einen Einzug ins EU-Parlament überwinden muss. Das Bundesverfassungsgericht erklärte diese aber für verfassungswidrig.

    Zwei Arbeitsorte: Die Abgeordneten pendeln zwischen den 435 Kilometer voneinander entfernten Arbeitsorten Brüssel und Straßburg.

    Den "Wanderzirkus" machen monatlich rund 4000 Abgeordnete, Assistenten, Beamte, Vertreter der EU-Kommission und Dolmetschern mit. Mindestens 150 Millionen Euro an Steuergeldern würden damit jährlich verschwendet, monieren Kritiker.

    Die meiste Zeit verbringen die Abgeordneten in Brüssel, wo die Ausschüsse und die Fraktionen tagen. Bisher sind alle Vorstöße gescheitert, den Parlamentssitz nach Brüssel zu verlegen.

    Nach der Europawahl werden auch der Präsident der EU-Kommission und die anderen Kommissare neu bestimmt.

    Die Zersplitterung droht

    Mit dem Karlsruher Urteil gehört Deutschland zu einer Minderheit innerhalb der Europäischen Union. In praktisch allen großen Mitgliedstaaten gibt es Vier- oder Fünf-Prozent-Hürden. Hochrechnungen belegen, dass die Auswirkungen auf die derzeitige Zusammensetzung des Parlamentes allerdings eher begrenzt wären. Hätte die Bundesrepublik schon 2009 kleinere Parteien nicht ausgesperrt, säßen heute nicht 162, sondern 169 Parteien im Parlament – mit sieben Abgeordneten, die vermutlich keiner großen Fraktion angehören würden.

    Diese Sitze wären den starken Parteienfamilien jedoch verloren gegangen – mit spürbaren Folgen: Das Europäische Parlament hätte durch eine weitere Zersplitterung gegenüber dem Ministerrat sowie dem Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs womöglich Gewicht verloren.

    Gesetzgebung gestaltet sich schwierig

    Schon heute regieren die Staatschefs nur allzu gerne an den Volksvertretern vorbei, indem sie sich der intergouvernementalen Absprachen bedienen. Eine Versuchung, der sie künftig noch öfter erliegen könnten. Zwar begründet die Mehrheit der Verfassungsrichter ihre Auffassung damit, dass die Funktionsfähigkeit des Parlamentes nicht in Gefahr gerate. Der Arbeitsalltag zeigt allerdings das Gegenteil: Die Gesetzgebung gestaltet sich ohnehin schon schwer genug, weil Mehrheiten mühsam beschafft werden müssen.

    Derzeit stellen die Konservativen mit 274 Abgeordneten die Mehrheit, die aber bei Abstimmungen nicht ausreicht. Zu den Sozialdemokraten gehören 194 Mandatsträger, die Liberalen folgen mit 85, die Grünen mit 58. Dann schließen sich weitere Konservative mit 57 an, die Linke hat 35 Sitze, 31 Abgeordnete gehören EU-skeptischen Parteien an. Die 32 fraktionslosen Abgeordneten spielen im Arbeitsalltag keine Rolle. Es könnte die Gruppe sein, die im Mai besonders viel Zulauf aus Deutschland erhält. (mit dpa)

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