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Europawahl 2019: Unruhiger Auftakt der Europawahl in Großbritannien und den Niederlanden

Europawahl 2019

Unruhiger Auftakt der Europawahl in Großbritannien und den Niederlanden

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    Sein Lachen bereitet der britischen Regierung Sorgen: Nigel Farage bei der Stimmabgabe. Der Chef der Brexit-Partei ist zuversichtlich, dass er bei der Wahl triumphiert.
    Sein Lachen bereitet der britischen Regierung Sorgen: Nigel Farage bei der Stimmabgabe. Der Chef der Brexit-Partei ist zuversichtlich, dass er bei der Wahl triumphiert. Foto: Alastair Grant, dpa

    Der Chef der Brexit-Partei in Großbritannien, Nigel Farage, platzte beinahe vor Selbstbewusstsein. Das Establishment sei nicht geängstigt, rief er bei einem Wahlkampfauftritt kurz vor der Europawahl vor tausenden Anhängern in London. „Sie sind komplett in Schrecken versetzt.“ Kein Wunder: Die Brexit-Partei des Rechtspopulisten lag in den Umfragen zuletzt uneinholbar vor allen anderen, sie könnte auf knapp 40 Prozent kommen. Die Tories dagegen erwarten ein Desaster, dümpeln inzwischen in den Prognosen im einstelligen Prozentbereich.

    Europawahl in Großbritannien: May vor dem Rücktritt?

    Eigentlich hätte Großbritannien bereits am 29. März aus der EU austreten sollen. Gestern machten ausgerechnet die Briten – gemeinsam mit den Niederländern – den Auftakt zur Europawahl. Als ob das nicht genug wäre, geriet am Donnerstag Premierministerin Theresa May erneut ins Schlingern. Schlägt mit der Verkündung der Ergebnisse am Montagmorgen auch die letzte Stunde für May?

    Es ist nicht gerade so, dass es in den vergangenen Monaten – mittlerweile haben sie sich gar zu Jahren summiert – an Abgesängen auf sie gemangelt hätte. Wie viele politische Nachrufe wurden bereits auf die britische Premierministerin verfasst? Sie, die Zähe, die Widerspenstige, blieb stets Regierungschefin, welche Dramen es auch gegeben haben mag. Diese Tage aber dürften endgültig ihre letzten in der Downing Street sein, will man den Westminster-Insidern glauben – ein Rücktritt nur noch eine Sache von Stunden, obwohl sich May weiterhin an ihr Amt zu klammern scheint. Am Mittwochabend tauchte sie zunächst ab und gestern nur für ausgewählte Minister hinter verschlossenen Türen wieder auf. Mit ihnen wollte sie in einem letzten verzweifelten Versuch ihren „neuen kühnen Brexit-Deal“ diskutieren. Doch der Schritt dürfte zu spät kommen, der Druck ist massiv.

    Bereits am Freitag könnte sie gezwungen sein, ein Datum für ihren Abschied zu nennen. Ohnehin redet das Land bereits in der Vergangenheitsform von ihr und die Presse begleitet beinahe brutal ihren politischen Niedergang. Unter einem Foto der Premierministerin titelte die Boulevardzeitung The Sun gestern den leicht abgewandelten Vornamen „Tearesa“ in Anspielung auf ihre von einem glänzenden Tränenfilm überzogenen Augen. Es war am Mittwoch, als ihr Schicksal wohl besiegelt war – einen Tag nachdem May ihren Zehnpunkteplan präsentiert hatte, der unter anderem die Möglichkeit zu einem Referendum über das Austrittsabkommen vorsieht. Die Reaktionen fielen vernichtend aus, nicht nur bei der Opposition. Und so galt der Kompromissvorschlag bereits als tot, bevor eine Abstimmung über den Vertrag angesetzt werden konnte. Selbst ehemals loyale Parteikollegen fordern nun ihren Rücktritt und stellen sich hinter mögliche Nachfolger oder bringen sich gar selbst in Stellung. Ein konservativer Abgeordneter klang derweil weniger diplomatisch: „Sie ist erledigt.“ Im Englischen haben sie den schönen Ausdruck: „She’s toast.“

    Niedrige Wahlbeteiligung bei Europawahl in den Niederlanden

    Unterdessen begann die Europawahl in den Niederlanden mit einer schwachen Wahlbeteiligung. Bis zum Mittag hätten rund 14 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben, berichtete das Institut Ipsos. Bei der Europawahl 2014 hatte die Wahlbeteiligung zum gleichen Zeitpunkt bei 15 Prozent gelegen und bei Schließung der Wahllokale bei 37 Prozent (EU: 43 Prozent, Deutschland: 48 Prozent).

    Es ist erst acht Uhr morgens, da sind die Bewohner von Baarle-Nassau bereits auf den Beinen – nicht alle, aber die Hälfte. Denn das Städtchen mit 6850 Bürgern ist zur Hälfte niederländisch, der andere Teil Baarle-Hertog gehört zu Belgien. Die Grenze verläuft mitten durch den Ort, mitten durch Wohnzimmer und Gastwirtschaften, mitten durch öffentliche Gebäude. Und deshalb beginnen die Europawahlen eben nur in der einen Hälfte der Gemeinde, während die andere – wie das übrige

    Aaron (45) gehört zu denen, die schon früh auf den Beinen sind: „Europa hat uns ein normales Miteinander gebracht, ich will, dass das weitergeht. Denn es war nicht immer so.“ Und dann erzählt er von jenen Zeiten, als niederländische Restaurants früher schließen mussten als belgische. In Baarle-Nassau und Baarle-Hertog hieß das, „die Leute mussten in einigen Gasthäusern zwischendurch die Tische wechseln, damit sie auf der Seite saßen, auf der man noch länger essen durfte.“

    13,5 Millionen Einwohner des Oranje-Staates waren gestern zur Wahl gerufen. Vor fünf Jahren erlebten die Rechtspopulisten der „Partei für die Freiheit“ (PVV) mit ihrem umstrittenen Vorsitzenden Geert Wilders ein Desaster. Glaubt man den Trends, könnte es diesmal einen deutlichen Rechtsruck geben. Doch im Wahlkampf war es nicht Wilders, der zum Sammelbecken der EU-Gegner wurde, sondern der 36-jährige Thierry Baudet, Vorsitzender der Partei „Forum für Demokratie“ (FvD). Im Vorfeld des Urnengangs lag er mit 15 Prozent gleichauf mit der konservativ-liberalen VVD von Ministerpräsident Mark Rutte. Der sozialdemokratischen Partei der Arbeit (PvdA) wurde eine Wiederauferstehung prophezeit, nachdem sie bei den vergangenen Wahlen auf fünf Prozent abgestürzt war. Die Niederländer entsenden 26 Abgeordnete ins neue EU-Parlament, von dem befürchtet wird, dass etwa ein Viertel aller Sitze an rechte und nationalistische Parteien gehen könnten.

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