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Europawahl 2019: Grünen-Spitzenkandidat Sven Giegold ist der Anti-Habeck

Europawahl 2019

Grünen-Spitzenkandidat Sven Giegold ist der Anti-Habeck

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    Sven Giegold ist Spitzenkandidat der Grünen für die Europawahl.
    Sven Giegold ist Spitzenkandidat der Grünen für die Europawahl. Foto: Jan Woitas, dpa

    Sven Giegold wirkt, als hätte er diese Frage kommen sehen. Sie musste ja kommen. Die Frage, ob er manchmal ein bisschen neidisch ist auf seinen Parteifreund Robert Habeck. Jenen Mann, dem die Herzen zufliegen. Jenen Politpopstar, der schon als erster grüner Kanzler gehandelt wird. "Robert hat diesen Schwiegersohn-Effekt. Wenn man die Wahl hat, wer in einer Talkshow mehr Unterhaltung bietet, dann ist das eindeutig er", sagt Giegold mit entwaffnender Sachlichkeit. Der 49-Jährige hadert nicht damit. Und viel wichtiger: Er versucht gar nicht erst, ein anderer zu sein, als er ist.

    Dass Politik auch Show ist, nimmt er gelassen zur Kenntnis

    "Auch mit Sacharbeit kann man sich Respekt erwerben", sagt der Spitzenkandidat der Grünen für die Europawahl – frei von jeglicher Larmoyanz. Dass Politik mehr denn je auch Showgeschäft ist, nimmt er gelassen zur Kenntnis – solange er selbst keine Show machen muss. Natürlich gibt es Grenzen: "Wenn Demokratie durch Charisma ohne Inhalt ersetzt wird, stört mich das schon. Das halte ich für gefährlich." Ansonsten gilt: Jeder soll

    Seit zehn Jahren sitzt der Vater von zwei kleinen Kindern, der auf Gran Canaria geboren wurde und in Hannover aufwuchs, im Europaparlament. Er ist ein Grüner wie aus dem Klischee-Bilderbuch: Vegetarier, Protestant, Radfahrer (kein Führerschein), Mitgründer der globalisierungskritischen Attac-Bewegung, Umwelt-AG in der Schule, später Polit-Kommune mit Kompost-Toilette. Ein Radikaler ist er nicht. Die Jahre in Brüssel haben ihn gelehrt, dass Politik ohne Kompromisse unmöglich ist.

    Giegold ist keiner, der für eine gute Schlagzeile Türen zuknallt

    Giegold ist überzeugt, dass die proeuropäischen Kräfte bei allen Differenzen am Ende gemeinsam Lösungen finden müssen. Nehmen wir sein Verhältnis zu Manfred Weber. Der Grüne hat "Zweifel an der Eignung" des CSU-Mannes für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten. "Er will keinem was zuleide tun, das muss man aber manchmal in der Politik", sagt er über den Bayern. Gerade, wenn es um die Durchsetzung demokratischer Grundwerte geht, sei Weber nicht hart genug. Das ist kein gutes Zeugnis. Aber Giegold ist eben keiner, der für eine starke Schlagzeile Türen zuknallt. Er ist gedanklich schon einen Schritt weiter.

    Sollte Weber die Grünen brauchen, um eine Mehrheit im Parlament zu schmieden, will Giegold zumindest das Beste für seine Partei rausholen. "Wir wollen in drei Bereichen substanzielle Fortschritte sehen: Klima- und Artenschutz, sozialer Zusammenhalt und die Verteidigung der Bürgerrechte", stellt er schon mal klar – um gleich hinterherzuschieben: "Ich halte nichts von roten Linien. Wenn überall nur noch rote Linien gezogen werden, nimmt man sich ja selbst die Chance, Kompromisse zu schließen."

    So viel Gelassenheit ist selten im aufgeregten Politbetrieb, erst recht in Wahlkampfzeiten. Dabei kann der Anti-Habeck aus Europa, der viel Kraft aus seinem christlichen Glauben schöpft und Stofftiere sammelt, durchaus emotional sein. "Ich bin kein Macho, der nie Gefühle zeigt und immer nur stark ist. Für einen Mann bin ich sehr dicht am Wasser gebaut", sagt Giegold. Doch anders als Parteichef Habeck, der jüngst bekannte, bei kitschigen Filmen schon mal zu weinen, kommen ihm eher die Tränen, wenn es um die Zerstörung der Natur geht.

    In Brüssel hat Giegold dafür gekämpft, dass Lobbyisten transparenter arbeiten müssen, dass Banken für Steuerbetrug und andere kriminelle Geschäfte zur Rechenschaft gezogen werden, dass es europäische Standards gegen Geldwäsche gibt. Dass solche Dinge in der Öffentlichkeit viel weniger wahrgenommen werden als der x-te Koalitionsstreit in der Bundesregierung, ärgert ihn. Schließlich liebt er dieses Europa und seine Möglichkeiten.

    Der 49-Jährige ist begeistert von diesem Europa

    Wenn er in diesen Tagen mit dem Elektro-Auto kreuz und quer durch die Republik unterwegs ist, will er möglichst viele weitere Menschen für seine Idee Europa begeistern. Und es gelingt ihm besser als anderen, dabei nicht naiv zu wirken. Jedenfalls sieht er dann auch diese letzte Frage kommen. Die Frage danach, ob Brüssel nicht inzwischen in etwas zu viele Belange hineinquatscht. "Es gibt Bereiche, wo Europa sich rauszuhalten hat. Mit der Einmischung in kommunale Vergabeverfahren sind wir zum Beispiel zu weit gegangen. Das ärgert die Leute zurecht", sagt Giegold. Und mit ein bisschen Fantasie glaubt man, sogar in seinem Gesicht ein wenig Ärger darüber zu erkennen.

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