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Europawahl 2014: Ist der Weg jetzt frei für Juncker?

Europawahl 2014

Ist der Weg jetzt frei für Juncker?

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    Geht es jetzt ganz nach oben für Luxemburgs Ex-Präsidenten Jean-Claude Juncker? Eine Entscheidung fällt frühestens Ende Juni.
    Geht es jetzt ganz nach oben für Luxemburgs Ex-Präsidenten Jean-Claude Juncker? Eine Entscheidung fällt frühestens Ende Juni. Foto: Michael Kappeler (dpa)

    Nur zwei Tage nach den Europawahlen ist der Machtkampf um die Top-Jobs in der EU gestern voll ausgebrochen. Wenige Stunden, bevor die Staats- und Regierungschefs am Abend zu einem Gipfeltreffen nach Brüssel kamen, stellten sich die Fraktionsvorsitzenden im Europäischen Parlament hinter den Wahlsieger Jean-Claude Juncker.

    Man habe ihm ein „klares Mandat“ erteilt, mit allen politischen Gruppen zu verhandeln, sagte der Chef der Sozialdemokraten, Hannes Swoboda. Juncker braucht mindestens 376 der 751 Stimmen im Parlament, um zum neuen Kommissionspräsidenten gekürt zu werden. Martin Schulz, Junckers sozialdemokratischer Gegenspieler im Wahlkampf, stellte seine Ambitionen zurück. Ist damit der Weg für den Konservativen frei? So einfach ist die Sache – wie so oft in Europa – nicht.

    Weder Juncker noch Schulz genießen volle Unterstützung

    Der Lissabonner Vertrag sieht vor, dass der Nachfolger von José Manuel Barroso „im Lichte des Wahlergebnisses“ von den Staats- und Regierungschefs vorgeschlagen werden muss. Im Parlament befürchtet man allerdings, dass die Ministerpräsidenten sich über diese Klausel hinwegsetzen, weil in ihrem Kreis weder Schulz noch Juncker auf uneingeschränkte Unterstützung stoßen.

    Vor allem der britische Premierminister David Cameron und der ungarische Regierungschef Viktor Orbán gelten als erbitterte Gegner des früheren Euro-Gruppen-Chefs Juncker. Beide könnten zwar überstimmt werden, da zur Nominierung eines neuen Kommissionspräsidenten lediglich eine qualifizierte Mehrheit notwendig ist. Vor allem der Bundeskanzlerin aber wird nachgesagt, keine Entscheidung zulassen zu wollen, die London brüskieren und damit den ohnehin starken EU-Gegnern in die Hände spielen würde.

    Cameron und Hollande wollen Junckers Linie prüfen

    Das Europaparlament: Zahlen und Fakten

    1979 fand die erste Europawahl statt. Das Parlament wird für fünf Jahre gewählt.

    Bei der Wahl 2014 werden 751Mandate für die kommende Legislaturperiode vergeben.

    Aus Deutschland werden 2014 96 Bewerber einen Sitz im EU-Parlament erhalten. Das sind so viele wie aus keinem anderen Mitgliedstaat, aber drei weniger als bisher.

    CDU und CSU errangen 2009 in Deutschland die meisten Sitze (42) vor SPD (23), den Grünen (14) sowie FDP (zwölf) und Linken (acht).

    Im EU-Vertrag von Lissabon wurde eine Höchstzahl von 96 Abgeordneten pro Land beschlossen.

    Die Wahlbeteiligung ist bei jeder Europawahl gesunken. Lag sie im Jahr 1979 noch bei 63 Prozent, gaben vor fünf Jahren nur noch 43 Prozent der Europäer ihre Stimme ab.

    Die Abgeordneten aus den 28 Mitgliedstaaten haben sich zu derzeit sieben Fraktionen zusammengeschlossen.

    Fünf, drei oder null Prozent: Bei der Europawahl in Deutschland sollte erstmals eine Drei-Prozent-Hürde gelten, die eine Partei für einen Einzug ins EU-Parlament überwinden muss. Das Bundesverfassungsgericht erklärte diese aber für verfassungswidrig.

    Zwei Arbeitsorte: Die Abgeordneten pendeln zwischen den 435 Kilometer voneinander entfernten Arbeitsorten Brüssel und Straßburg.

    Den "Wanderzirkus" machen monatlich rund 4000 Abgeordnete, Assistenten, Beamte, Vertreter der EU-Kommission und Dolmetschern mit. Mindestens 150 Millionen Euro an Steuergeldern würden damit jährlich verschwendet, monieren Kritiker.

    Die meiste Zeit verbringen die Abgeordneten in Brüssel, wo die Ausschüsse und die Fraktionen tagen. Bisher sind alle Vorstöße gescheitert, den Parlamentssitz nach Brüssel zu verlegen.

    Nach der Europawahl werden auch der Präsident der EU-Kommission und die anderen Kommissare neu bestimmt.

    Tatsächlich gilt Juncker in den Reihen der ehemaligen Kolleginnen und Kollegen im Regierungsamt – der frühere luxemburgische Premier hatte den EU-Gipfeln selbst 18 Jahre lang angehört – als Vertreter einer harten Sparlinie. Genau die wollen aber zumindest Cameron und Frankreichs Staatspräsident François Hollande nun auf den Prüfstand stellen. Sie wollen, dass die beschlossenen Instrumente und Auflagen zur strikten Haushaltssanierung wieder gelockert werden, bis sich die Wirtschaften vollständig erholt haben.

    Zwar soll die Personalie Juncker frühestens beim nächsten Gipfel Ende Juni beschlossen werden. Ratspräsident Herman Van Rompuy habe entsprechende Überlegungen in einem Thesenpapier zusammengefasst, das er den Staats- und Regierungschefs vorlegen werde, heißt es in Diplomatenkreisen. „Wenn man sich über die künftigen Grundlinien der EU-Politik verständigt hat, dann wird man sich fragen, wer diese am besten als Chef der Europäischen Kommission umsetzen dürfte“, sagte ein Insider gestern.

    Auch Wahlverlierer Schulz soll nicht leer ausgehen

    Eine schnelle Entscheidung für Juncker ist auch deswegen unwahrscheinlich, weil der EU-Gipfel in den nächsten Wochen noch ein größeres Paket an Top-Jobs schnüren muss. Denn neben dem Posten des Kommissionspräsidenten werden im Herbst auch die Posten des Parlamentschefs, des Ratspräsidenten, des Hohen Beauftragten für die Außen- und Sicherheitspolitik sowie möglicherweise ein Vorsitzender der Euro-Gruppe zu besetzen sein.

    Hinter den Kulissen spekuliert man, ob Bundeskanzlerin Angela Merkel der SPD und damit auch den europäischen Sozialdemokraten eine Unterstützung für Juncker mit einem „verlockenden Angebot“ für Martin Schulz abkaufen könne. Der bisherige Parlamentspräsident und Spitzenkandidat der Sozialdemokraten für die Europawahl ist als deutscher Kommissar und Vizepräsident der EU-Kommission ebenso im Gespräch wie für eine erneute Amtszeit als Chef der Volksvertretung in Straßburg.

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