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Europawahl 2014: Für oder gegen Europa? Die CSU in der Strategie-Falle

Europawahl 2014

Für oder gegen Europa? Die CSU in der Strategie-Falle

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    In der Schattenwelt der CSU: Horst Seehofer versuchte ,die Stimmenverluste bei der Europawahl gegenüber Journalisten zu erklären. Zuvor hat er in der Vorstandssitzung seiner Partei gesagt: "Ich übernehme die Verantwortung."
    In der Schattenwelt der CSU: Horst Seehofer versuchte ,die Stimmenverluste bei der Europawahl gegenüber Journalisten zu erklären. Zuvor hat er in der Vorstandssitzung seiner Partei gesagt: "Ich übernehme die Verantwortung." Foto: Peter Kneffel, dpa

    Manchmal lohnt es sich, an solchen Abenden nicht gleich nach Hause zu gehen. Horst Seehofer, Ilse Aigner, Gerda Hasselfeldt, Markus Ferber, Erwin Huber, Hans-Peter Friedrich, Beate Merk, Andreas Scheuer, Alfred Sauter – sie alle und viele weitere CSU-Matadore hatten sich längst verdrückt von dieser Veranstaltung, die als Europawahl-Party begonnen und in einem großen Wehklagen geendet hatte.

    Das Büfett in der Hanns-Seidel-Stiftung war abgeräumt. Die Journalisten packten ihre Laptops ein. Einige von ihnen genehmigten sich noch ein Bier im Stehen. Für die Meinungsmacher in den Parteizentralen – neudeutsch Spin-Doktoren genannt – ist das der ideale Moment, um tätig zu werden.

    Die Botschaften, die Seehofers Spin-Doktor an diesem Abend den politischen Berichterstattern nahebringen wollte, waren eindeutig: Niemand solle glauben, dass in der CSU nach den schlechten Erfahrungen aus den Jahren 2007 und 2008 noch einmal ein Putsch möglich wäre. Jeder könne davon ausgehen, dass der Parteichef und Ministerpräsident es schaffen werde, bis zum Jahr 2018 seine Ämter in einem geordneten Verfahren zu übergeben.

    Der Mann hätte auch gleich sagen können: Bringt bloß niemanden auf dumme Gedanken! So oder so, die Stoßrichtung war klar. Es ging im Angesicht des Wahldebakels um den Versuch, die Glut auszutreten, bevor das Feuer ausbricht.

    Gleich am nächsten Morgen griff Seehofer selbst wieder ins Geschehen ein. Er setzte auf eine Mischung aus Trotz und Defensive. „Ich übernehme die Verantwortung“, sagte er schon vor der Sitzung des Parteivorstands. Was das genau bedeuten könnte, blieb freilich unklar. Ein Eingeständnis, dass es möglicherweise ganz alleine sein Fehler war, den rechtskonservativen Euro-Skeptiker Peter Gauweiler im Wahlkampf neben CSU-Spitzenkandidat Markus Ferber ganz nach vorne zu stellen, war damit jedenfalls nicht verbunden.

    CSU verliert ein Fünftel der Wähler

    Die Vorstandsmitglieder, die nach Seehofer in der Parteizentrale eintrafen, wurden da schon deutlicher. Innenminister Joachim Herrmann sagte, das Ergebnis der CSU sei im Vergleich zur Schwesterpartei CDU „sehr bescheiden“. Die

    Herrmann übte offene Kritik an der Wahlkampfstrategie seiner Partei: „Für Positionen wie die von Gauweiler muss in einer großen Volkspartei Platz sein, aber sie kann nicht Hauptlinie der CSU sein.“ Er habe den Eindruck, dass ein großer Teil der Bürger die Europäische Union gar nicht so kritisch sehe, sagte Herrmann und fügte hinzu: „Wer hat jetzt recht gehabt, Merkel oder Gauweiler? Ich sage:

    CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt, eine enge Vertraute der Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel, schlug in dieselbe Kerbe. Bei dem Spagat, den die CSU zwischen Europa-Befürwortern und Europa-Skeptikern zu machen versucht habe, müsse in der Tat diskutiert werden, „ob das nicht zu weit war“. Auch der langjährige CSU-Europaabgeordnete Bernd Posselt, der es wegen der Verluste der CSU nicht mehr ins EU-Parlament geschafft hat, erkannte ein Defizit im Wahlkampf seiner Partei: „Die Aussagen waren im Großen und Ganzen richtig. Es ist bloß nicht so deutlich rübergekommen, wie proeuropäisch diese Partei ist.“

    Der Mittelstandspolitiker Hans Michelbach stellte fest, „dass die Doppelstrategie, Europa-Freund und

    Ein Beispiel für die Verwirrung, die die CSU mit ihren beiden Frontmännern gestiftet hatte, benannte der bayerische Wirtschaftsstaatssekretär Franz Pschierer. Er habe in seinem Stimmkreis im Allgäu sowohl Ferber als auch Gauweiler zu Gast gehabt. Bürger, die in beiden Veranstaltungen waren, hätten sich zu Recht gefragt, was sie denn nun wählen, wenn sie der CSU ihre Stimme geben.

    Gauweiler: Die CSU hat die AfD nicht stark gemacht

    Peter Gauweiler versuchte dagegenzuhalten. „Wir dürfen uns da jetzt nicht verrückt machen lassen“, sagte er. Die Kritik, die CSU habe die europakritische Alternative für Deutschland (AfD) erst stark gemacht, indem sie auf ihre Themen eingestiegen sei, wies er zurück: „Die AfD hat bei uns in Bayern genauso viele Stimmen bekommen wie in anderen Bundesländern auch.“ In der Vorstandssitzung beteiligte sich Gauweiler nach Aussage von Teilnehmern nicht an der Debatte. Auch sein Mitstreiter Wilfried Scharnagl, der frühere Strauß-Vertraute und Chefredakteur des

    Immerhin: Forderungen nach personellen Konsequenzen wurden vorerst nicht laut. Allerdings gab es unüberhörbare Mahnungen an Seehofer, künftig wieder mehr auf Teamarbeit zu setzen. „Ich glaube, dass das Mannschaftsspiel eine ganz wichtige Rolle spielen wird“, sagte Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer. Landtagspräsidentin Barbara Stamm merkte an, es sei nicht das Verkehrteste, wenn sich die CSU nun wieder etwas mehr auf ihr Innenleben konzentriere.

    Während die CSU-Vorstände versuchten, in der Sitzung erste Antworten auf das Debakel zu finden, hagelte es Kritik aus der Schwesterpartei CDU. Der Landesvorsitzende in Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, giftete: „Ich glaube, dass man Europawahlen nur gewinnt, indem man auch für Europa wirbt.“ Beschimpfungen der EU-Kommission hätten „sicher nicht dazu beigetragen, dass man ein gutes Ergebnis erzielt“. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier stellte fest, dass die CSU einen „Einbruch“ erlitten habe. Seine Kollegin aus Thüringen, Christine Lieberknecht, sagte: „Es ist schon so, dass die Wähler wohl lieber wissen wollen, wofür wir Wahlkampf machen und nicht, wogegen wir alles sind.“

    Als CSU-Chef Horst Seehofer dann am frühen Nachmittag vor die Presse trat, war schnell klar, dass die akute Feuergefahr gebannt ist. Zündler oder Brandstifter waren gestern nicht unterwegs. Der CSU-Chef berichtete von einer „guten, nachdenklichen und intensiven Diskussion“ im Parteivorstand. „Ich war sehr zufrieden mit diesen dreieinhalb Stunden, obwohl diese dreieinhalb Stunden nicht zu den schönsten in meiner politischen Karriere gehört haben“, sagte Seehofer.

    Keine personellen Konsequenzen in der CSU

    Er wiederholte sein Bekenntnis, die politische Verantwortung zu übernehmen. Es gebe, so Seehofer, „zwar immer viele, die sagen, den Satz soll ich nicht sagen“. Als Parteichef aber sei er „verantwortlich für das, was gelingt, aber auch für das Gegenteil“. Personelle Konsequenzen schloss er aus, und zwar sowohl für den Chef der Europagruppe, Ferber, für Parteivize Gauweiler, für Generalsekretär Scheuer als auch für sich selbst. Als Parteichef müsse er sich im Jahr 2015 wieder zur Wahl stellen. „Das habe ich auch vor“, betonte Seehofer.

    Die Analyse der Wahlniederlage wurde auf eine Vorstandsklausur Ende Juni vertagt. Drei Felder müssten untersucht werden: die Mobilisierung der Anhänger, der politische Kurs und der Umgang mit neuen Konkurrenten. Seehofer: „Wir wollen ein möglichst offenes und schonungsloses Bild fertigen.“

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