Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Europäische Union: Emmanuel Macron stützt Angela Merkel

Europäische Union

Emmanuel Macron stützt Angela Merkel

    • |
    Bundeskanzlerin Merkel neben Präsident Macron in Schloss Meseberg in Brandenburg.
    Bundeskanzlerin Merkel neben Präsident Macron in Schloss Meseberg in Brandenburg. Foto: Ralf Hirschberger, dpa

    Dieser Mann ist eine willkommene Abwechslung. Und er bringt ihr mit, was sie zur Zeit am meisten braucht: Unterstützung im knallharten Asylstreit mit ihrem Innenminister Horst Seehofer (CSU).  Mit Küsschen rechts und

    Seit 2007 ist Schloss Meseberg das Gästehaus der Bundesregierung - ein Kreis schließt sich: der erste Staatsgast, der hier von Merkel empfangen wurde, war Frankreichs damaliger Staatspräsident Jacques Chirac. Macron ist schon Nummer vier, Merkel ist immer noch da.

    Aber so ernst war ihre Lage wohl noch nie. Zwei Wochen bleiben, um bi- oder multilaterale Lösungen zu finden, damit EU-Staaten wie Italien dort bereits registrierte Flüchtlinge zurücknehmen, wenn sie weiter nach Deutschland ziehen. Denn sonst will Seehofer diese Menschen nach einer Fingerabdruckkontrolle an der Grenze zurückweisen, ohne Klärung, was danach mit ihnen passiert. Merkel müsste Seehofer bei einem eigenmächtigem Handeln entlassen, die Koalition von CDU, CSU und SPD wäre am Ende. Aber womöglich auch Merkels Kanzlerschaft. 

    Macron geht dazwischen

    Als Merkel und Macron vor die Presse treten, haben sie ein dickes Paket im Gepäck, vieles noch unkonkret, aber zumindest hat sich das entscheidende Tandem Berlin-Paris ("Mercron") grundsätzlich geeinigt.

    Eigentlich soll die Reform der Wirtschafts- und Währungsunion im Fokus stehen, aber die wichtigste Nachricht für Merkel ist, dass Macron sie unterstützt in den Bemühungen, dass bereits in der EU registrierte Flüchtlinge so schnell wie möglich in das Land zurückgeschickt werden können, in dem sie erstmals erfasst worden sind. Es brauche ein "effizientes System der Solidarität und Verantwortung", in dem die Flüchtlinge bei ihrer Ankunft auf

    In Meseberg sind auch mehrere Minister beider Seiten dabei. Interessant beim Familienfoto: Merkel und ihr Widersacher Seehofer begegnen sich kühl, Macron geht dazwischen und packt Seehofer freundlich an den Armen. Als ob er ihn ermahnen will, denn wenn Merkel fällt, wird es auch nichts mit der Europa-Reform und die kriselnde EU könnte noch tiefer Richtung Abgrund taumeln.

    Die wichtigsten Akteure im europäischen Flüchtlingskonflikt (Stand: Juni 2018)

    Horst Seehofer und die CSU

    Der Bundesinnenminister hat ein Maßnahmenpaket zur Migration erarbeitet, die Zurückweisung bestimmter Flüchtlinge an der Grenze ist ein Teil davon. Der CSU-Vorsitzende begründet dies mit der Sicherheit in Deutschland und der Stimmung in der Bevölkerung. Um seine harte Linie durchzusetzen, scheint er sogar zum Bruch mit der CDU bereit, mit einem Zerfall der Regierungskoalition als Folge. Kritiker werfen Seehofer vor, allein einen Erfolg der CSU bei den bayerischen Landtagswahlen im Herbst im Blick zu haben. Doch in der CDU wird auch vermutet, dass Seehofer eigentlich Merkels Sturz zum Ziel hat.

    Angela Merkel

    Die Kanzlerin ist die Getriebene in dem Konflikt. Unter dem Druck der CSU hat sie zugesagt, bis Monatsende über bilaterale Abkommen zu Zurückweisungen zu verhandeln – obwohl sie solche Maßnahmen eigentlich ablehnt. Nun will sie wenigstens eine europäische Lösung dazu hinbekommen. Doch in Europa schlägt ihr überwiegend Ablehnung entgegen, ihre wichtigsten Verbündeten sind Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Was immer Merkel erreicht, der Konflikt hat sie bereits jetzt als Kanzlerin und CDU-Vorsitzende gefährlich geschwächt.

    Emmanuel Macron

    Der französische Präsident warnt vor einer anti-europäischen Stimmung, die sich "wie die Lepra fast überall in Europa breitmacht". Er spricht sich gegen Nationalismus und geschlossene Grenzen aus und wirbt zusammen mit Kanzlerin Merkel für gemeinsame EU-Asylstandards und mehr Solidarität bei der Verteilung von Flüchtlingen. Kritiker auch in seiner eigenen Partei werfen Macron Doppelmoral vor: Denn Frankreich weist an der Grenze zu Italien systematisch Flüchtlinge ab.

    Italiens Regierung mit Innenminister Matteo Salvini

    Unter der neuen Populisten-Regierung geht Rom auf Konfrontationskurs zu Merkel. Treibende Kraft ist Innenminister Matteo Salvini, Chef der fremdenfeindlichen Lega. Er weigert sich, bereits in Italien registrierte Asylbewerber wieder zurückzunehmen: "Wir können keinen Einzigen mehr aufnehmen." Damit droht er, Merkels Plan für bilaterale Abkommen zum Scheitern zu bringen. Stattdessen zeigt sich Rom offen für die Zusammenarbeit mit EU-Staaten wie Österreich, die ebenfalls auf eine harte Gangart in der Migrationspolitik drängen.

    Sebastian Kurz und die ÖVP-FPÖ-Koalition in Wien

    Österreichs Bundeskanzler will mit einer "Achse der Willigen" eine restriktivere Migrationspolitik in Europa durchsetzen. Er wirbt dabei für eine regionale Zusammenarbeit zwischen Rom, Wien und Berlin – wobei er insbesondere Seehofer im Blick hat. Sollte Deutschland die Grenzkontrollen verschärfen, kündigte Kurz seinerseits Kontrollen an Österreichs Südgrenzen an. Zugleich positioniert er sich als Vermittler zwischen den westlichen EU-Mitgliedern und den osteuropäischen Visegrad-Staaten, die eine Flüchtlingsaufnahme strikt ablehnen. Ab 1. Juli übernimmt Österreich die EU-Ratspräsidentschaft und will dem Schutz der EU-Außengrenzen Priorität einräumen.

    Jean Claude Juncker

    Der EU-Kommissionspräsident und seine Behörde versuchen seit der Flüchtlingskrise vergeblich, eine Umverteilung von Flüchtlingen aus den stark belasteten Ankunftsländern im Süden Europas auf alle EU-Staaten durchzusetzen – er scheiterte am Widerstand osteuropäischer Länder. In ihren Vorschlägen für den künftigen EU-Finanzrahmen schlug die Kommission jüngst eine massive Aufstockung der Grenz- und Küstenschutzbehörde Frontex von 1000 auf 10.000 Beamte vor sowie eine stärkere finanzielle Unterstützung von Ländern bei der Flüchtlingsaufnahme. (AFP)

    Ein nationaler Alleingang Deutschlands birgt auch die Gefahr, dass andere Staaten dann Flüchtlinge gar nicht erst registrieren und nach Deutschland durchwinken - und dort dann mehr als derzeit ankommen. Das wäre dann das Gegenteil dessen, was Seehofer will. Aktuell kann übrigens von einer "Flüchtlingskrise" keine Rede sein. Zwischen Januar und März beantragten 34.400 Menschen Schutz in der Bundesrepublik - 25 Prozent weniger als im letzten Quartal 2017.

    Macron ist aber etwas anderes noch viel wichtiger - und auch Merkel, denn ihnen geht es um das große Bild. Sie wollen Europa und besonders die Euro-Zone krisenfester machen - vor allem ökonomisch. Um damit auch den weiteren Aufstieg von Populisten und demokratiefeindlichen Kräften zu bremsen. Macron bekommt das von ihm geforderte Eurozonen-Budget, mit dem gerade strukturschwache Gegenden ab 2021 unterstützt werden sollen, um die enormen wirtschaftlichen Unterschiede auszugleichen - der Fall Griechenland hat gezeigt, dass das die gesamte Währungsunion sonst zum Einsturz bringen kann. 

    Höhe und Füllung des neuen Topfes für milliardenschwere Investitionen ist noch unklar - Merkel schweben etwa Einnahmen aus einer Steuer auf Finanzgeschäfte in Europa vor. Ein Europäischer Währungsfonds soll auch kurzfristige Kredite vergeben können, um besser möglichen Schocks begegnen zu können - in früheren Krisen mussten erst hektisch Rettungsschirme aufgebaut und beschlossen werden. Zudem sind verbindliche Regeln für die Banken in Europa geplant.

    Zuletzt war Macron für seine europapolitischen Visionen der Karlspreis verliehen worden. Dabei war ihm der Kragen geplatzt. "In Deutschland kann es keinen ewigen Fetischismus für die Budget- und Handelsüberschüsse geben, denn sie sind auf Kosten der anderen gemacht", sagte er an Merkels Adresse mit Blick auf das Bremsen bei neuen Milliarden für Europa und sein Eurozonen-Budget. Nun kommt ihm Merkel entgegen, aber es ist nur ein deutsch-französischer Vorschlag.

    Rund 50 Stunden hatten die Finanzminister Olaf Scholz und Bruno le Maire zuvor verhandelt - es ist eine überraschend konkrete Vorlage für die Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel am 28./29. Juni. Doch selbst wenn es beim EU-Gipfel vor allem in der Asylfrage greifbare Fortschritte geben sollte, kann es sein, dass diese Landpartie von Merkel und Macron die letzte der beiden "M"'s war. Wenn der CSU das Erreichte nicht genug ist - dann könnten auch die anderen Reformpläne erst einmal auf Eis liegen - und die EU-Krise noch größer werden. (dpa)

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden