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Europäische Union: Die EU will ihre Abhängigkeit von den USA verringern

Europäische Union

Die EU will ihre Abhängigkeit von den USA verringern

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    Wenn nach den Worten von US-Präsident Joe Biden die „Ära der großen Militäroperationen“ zu Ende geht, stellt sich in Europa umso mehr die Frage nach mehr Eigenständigkeit in der Außen- und Sicherheitspolitik.
    Wenn nach den Worten von US-Präsident Joe Biden die „Ära der großen Militäroperationen“ zu Ende geht, stellt sich in Europa umso mehr die Frage nach mehr Eigenständigkeit in der Außen- und Sicherheitspolitik. Foto: U.S. Air Force, dpa

    Die Worte aus Washington dürften noch nachgehallt haben, als die Verteidigungsminister am Donnerstagmorgen in Ljubljana eintrafen. Die „Ära großer Militäroperationen“ gehe zu Ende, hatte US-Präsident Joe Biden erklärt. Die ernüchternde, obwohl keineswegs überraschende Botschaft, die man auch als an Europa gerichtet verstehen konnte, schien bei den Verbündeten angekommen zu sein. Das deuteten zumindest die Reaktionen der EU-Minister an. Sie berieten sich erstmals seit dem chaotischen Evakuierungseinsatz in Afghanistan und der Machtübernahme der Taliban persönlich.

    „Wir waren von den Amerikanern abhängig und es wird heute darum gehen, die richtigen Schlüsse zu ziehen“, sagte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer vor Beginn des informellen Treffens in Slowenien. Die CDU-Politikerin sprach im Zusammenhang mit dem Einsatz am Hindukusch von einem „bitteren Ende“ und einer „schweren Niederlage“. Die Wahrheit sei, so kommentierte sie in einer Erklärung: „Wir Europäer haben gegen die Entscheidung der Amerikaner zum Abzug kaum Widerstand geleistet, weil wir mangels eigener Fähigkeiten keinen leisten konnten.“ Sie forderte, europäisch stärker zu werden, „um auf Augenhöhe mit den USA das westliche Bündnis insgesamt stärker zu machen“.

    Die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer CDU spricht von einer bittern Niederlage in Afghanistan.
    Die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer CDU spricht von einer bittern Niederlage in Afghanistan. Foto: Tobias Schwarz, AFP, Pool, dpa

    Tatsächlich befeuert das desas-tröse Ende in Afghanistan die Debatte um Pläne für eine militärische Eingreiftruppe für die EU. Dafür plädiert etwa der Außenbeauftragte der Gemeinschaft, Josep Borrell. Die Notwendigkeit zusätzlicher europäischer Verteidigungsfähigkeiten sei nie so deutlich gewesen wie heute, sagte Europas Chefdiplomat am Donnerstag. Erwägt wird eine 5000 Soldaten starke Truppe, die innerhalb kurzer Zeit in Krisenländer gesendet werden könnte. Als Konsequenz auf die Ereignisse in Afghanistan gebe es Überlegungen, die Interventionseinheit noch zu vergrößern, wie es vonseiten Sloweniens hieß, das gerade den Ratsvorsitz innehat.

    Ein "strategischer Kompass" soll die 27 Mitgliedsländer einigen

    Bis November solle ein endgültiger Entwurf für einen „strategischen Kompass“ vorgelegt werden, kündigte Borrell an. Ob sich die 27 Mitgliedsländer einigen können? Widerstand gegen die Idee einer Eingreiftruppe kam in der Vergangenheit vor allem aus Polen und den baltischen Staaten, wo die Vorstellung eines strategisch unabhängigen Europas traditionell keine Begeisterungsstürme auslöst. Die Kritiker befürchten eine Schwächung der Nato. Wirklich innovativ sind die Pläne derweil ohnehin nicht. Die EU hat bereits Krisenreaktionskräfte, zumindest auf dem Papier. Die sogenannten Battlegroups kamen allerdings noch nie zum Einsatz.

    Annegret Kramp-Karrenbauer will militärische Fähigkeiten der EU bündeln

    Die europäische Debatte dürfe nicht in der Frage stehen bleiben, ob man eine „europäische Eingreiftruppe“ wolle oder nicht oder eine „extra EU-Truppe“ aufbaue, warnte Kramp-Karrenbauer. Vielmehr gehe es für die Zukunft der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik darum, „wie wir unsere militärischen Fähigkeiten in der EU endlich gemeinsam nutzen! Mit welchen effektiven Entscheidungsprozessen, echten gemeinsamen Übungen und gemeinsamen Missionen“, so die deutsche Verteidigungsministerin. Wie als Versöhnungsangebot an die zögerlichen Partner schlug sie „Koalitionen von Willigen“ vor, die nach einer gemeinsamen Entscheidung aller EU-Staaten vorangehen könnten. Das wäre nach Artikel 44 der Europäischen Verträge möglich.

    Nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan hatten zunächst 6000 US-Soldaten den Weiterbetrieb des Kabuler Flughafens für Evakuierungsflüge abgesichert. Die EU-Mitgliedsländer brachten in dieser Zeit nach Angaben von Josep Borrell insgesamt 17.500 Menschen außer Landes. Weil die amerikanischen Streitkräfte abzogen, beendeten – früher als geplant – auch die Europäer ihre Rettungsaktion für Schutzbedürftige.

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