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Europa: Dramatische Tage in London

Europa

Dramatische Tage in London

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    Proeuropäische Demonstranten haben sich in London versammelt. Großbritannien erlebt dramatische Stunden. Auch in der EU wird die Stimmung zunehmend nervös und gereizt.
    Proeuropäische Demonstranten haben sich in London versammelt. Großbritannien erlebt dramatische Stunden. Auch in der EU wird die Stimmung zunehmend nervös und gereizt. Foto: dpa

    Das Datum wurde von den Brexit-Fans so sehnsuchtsvoll erwartet, feiern wollten sie und Union-Jack-Flaggen hissen. Doch das muss nun alles warten, denn der viel beschworene Unabhängigkeitstag wird aller Voraussicht nach verschoben. Das Königreich verlässt nicht wie geplant am 29. März die EU – sondern an einem anderen Tag. Wird es am Ende der Sankt-Nimmerleins-Tag? Antworten stehen auch nach gestern Abend aus, nachdem sich das britische Parlament mehrheitlich für eine Verlängerung der Scheidungsfrist ausgesprochen hat. Wie lange die dauern soll, bleibt unklar. Und auch die

    412 britische Abgeordnete unterstützten das Hinauszögern des Termins bis mindestens zum 30. Juni, 202 Volksvertreter votierten dagegen. Bei den drei Monaten würde es sich um eine technische Verlängerung handeln, um die nötige Gesetzgebung auf der Insel ratifizieren zu können. Der Teufel steckt im Detail des Antrags: Premierministerin Theresa May hatte für die „Brextremisten“ einen Fallstrick eingebaut, indem sie das Votum über die Verschiebung indirekt mit einer Entscheidung über das mit Brüssel ausgehandelte Abkommen verknüpfte. Es handelt sich, so muss hervorgehoben werden, um jenen Deal, der bereits zwei Mal krachend durch das Parlament gefallen war, zuletzt am Dienstagabend.

    Mays Kalkül: Nur wenn das Unterhaus bei einer dritten Abstimmung, die bis zum 20. März stattfinden soll, ihren Vertrag billigt, scheiden die Briten bis Ende Juni aus der EU aus. Lehnt das Unterhaus das Abkommen erneut ab, würde die Konservative bei den EU27 einen noch deutlich längeren Aufschub beantragen. Die Briten müssten dann bei den Europawahlen im Mai teilnehmen – eine düstere Aussicht für moderate Kräfte, ein Albtraum für radikale EU-Skeptiker.

    Die Brexit-Hardliner in den eigenen Reihen jedenfalls schimpften und wüteten und nannten das Vorgehen ihrer Vorsitzenden Erpressung. Sie, die sich vor allem am Backstop, der Garantie für eine offene Grenze auf der irischen Insel, stören, haben dennoch kaum eine Wahl, wollen sie ihren Traum vom

    Die tiefen Spaltungen in der über der Europafrage völlig zerstrittenen konservativen Partei liegen inzwischen so offen wie nie vor dem ohnehin Brexit-müden Volk. Abgeordnete sollten später sagen, dass sie sich nicht an ein solches Chaos im altehrwürdigen Unterhaus erinnern könnten. Das will etwas heißen in London.

    Tatsächlich spielen sich dramatische Szenen ab in einer Zeit im Königreich, die ohnehin als dramatisch in die Geschichte eingehen wird. Erst am Dienstag hatte May eine krachende Niederlage einstecken müssen, als abermals ihr mit Brüssel ausgehandelter Deal im Parlament durchgefallen war. Nun soll dem bereits als „tot“ erklärten Vertrag wieder Leben eingehaucht werden. May, die Störrische, will nicht aufgeben. Ein Kolumnist meinte: „Sie irrt ziellos umher zum Sieg.“ Tatsächlich stehen die Chancen plötzlich wieder besser, dass ihr Abkommen doch noch auf die letzten Meter gebilligt werden könnte. Es gliche einem politischen Wunder. Doch die soll es ja hin und wieder geben.

    Massive Kritik an Mays Brexit-Management übte derweil ausgerechnet US-Präsident Donald Trump. „Ich bin überrascht, wie schlecht es gelaufen ist“, sagte er zum Auftakt eines Besuchs von Irlands Premierminister Leo Varadkar in Washington. „Sie hat nicht auf mich gehört.“ Trump hofft, dass die USA finanziell vom Brexit profitieren: „Meine Regierung freut sich darauf, einen umfangreichen Handelsdeal mit Großbritannien auszuhandeln. Das Potenzial ist unbegrenzt!“, twitterte Trump kurz vor der Abstimmung.

    Auch aus Bayern kamen Mahnungen und Warnungen. Großbritannien müsse nach Ansicht von CSU-Chef Markus Söder endlich Klarheit über den Brexit schaffen. „Es tut schon weh, wenn man sieht, wie ein so erfolgreiches, großartiges Land wie Großbritannien sich alle Zukunftschancen nimmt und Europa dabei zusätzlich belastet“, sagte er. Großbritannien müsse endlich sagen, was es wolle. „Dann können wir reagieren und wir brauchen die Geduld, darauf zu reagieren. Denn am Ende ist ein überhasteter Brexit ohne eine vernünftige Regelung zum Schaden von allen.“ Jede Fehlentscheidung könne erhebliche Auswirkungen haben. (mit dpa)

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