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Eurokritiker: AfD: Die Alternative für Deutschland schafft fast die Sensation

Eurokritiker

AfD: Die Alternative für Deutschland schafft fast die Sensation

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    Knapp an der Sensation gescheitert: Bernd Lucke, Spitzenkandidat der Alternative für Deutschland, die nur knapp unter der Fünf-Prozent-Hürde blieb.
    Knapp an der Sensation gescheitert: Bernd Lucke, Spitzenkandidat der Alternative für Deutschland, die nur knapp unter der Fünf-Prozent-Hürde blieb. Foto: Jochen Lübke dpa

    Am Anfang ist die Stimmung im Hotel "Maritim" an der Berliner Friedrichstraße euphorisch. Eine Sensation liegt in der Luft. Dann die erste Prognose, 4,9 Prozent. Der Jubel ist grenzenlos, wie in einer Sporthalle. Die Eurokritiker von der Alternative für Deutschland (AfD) sehen sich schon im Bundestag.

    AfD: Knapp an der Sensation vorbei

    Drei Stunden später ist die Stimmung etwas eingetrübt. Lange verharren die Zahlen unverändert, dann 4,8. Ein leichter Schwenk nach unten. Immer noch ein sensationelles Ergebnis, aber: "Wir hätten sicherlich gehofft, dass es deutlicher über der Fünf-Prozent-Hürde liegt, als es im Augenblick ist", sagt AfD-Chef Bernd Lucke (51). Dennoch habe die AfD ein "starkes Ergebnis" erzielt. "Wir haben eine Alternative formuliert, für Menschen, die enttäuscht sind."

    "Merkel - wir kommen", hat zuvor noch der Berliner Kandidat Sari Saleh gerufen. Die Halle kreischt. Lucke verteilt Blumen. Die AfD feiert sich schon einmal selbst, und will die Nacht zum Tage machen. Inzwischen wird der überwältigende Wahlsieg der Union sichtbar. Fröhliches AfD-Lachen vor allem bei den schlechten FDP-Zahlen. Doch allmählich macht sich Ernüchterung breit.

    Bundestagswahl 2013: Die Reaktionen

    "Das ist ein Superergebnis. Wir werden damit verantwortungsvoll und sorgsam umgehen. Feiern dürfen wir heute schon, denn wir haben's toll gemacht." (Bundeskanzlerin Angela Merkel)

    "Der Ball liegt im Spielfeld von Frau Merkel, sie muss sich eine Mehrheit besorgen." (SPD-Spitzenkandidat Peer Steinbrück)

    "Das ist eine schwere Stunde für die FDP. Als Spitzenkandidat übernehme ich dafür Verantwortung. Das ist nicht das Ende der Partei. Es wird schwieriger, aber die Arbeit wird weitergehen." (FDP-Spitzenkandidat Rainer Brüderle)

    "Wer hätte das 1990 gedacht, dass diese Partei die drittstärkste politische Kraft der Bundesrepublik Deutschland wird. Das haben wir geschafft." (Linke-Spitzenkandidat Gregor Gysi)

    "Das ist bitter, und wir werden uns dieser bitteren Realität gemeinsam stellen müssen." (Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin)

    "CDU und CSU haben phänomenal abgeschnitten." (CSU-Chef Horst Seehofer)

    "Es ist die bitterste, die traurigste Stunde in der Geschichte der Freien Demokratischen Partei." (FDP-Chef Philipp Rösler zum Resultat der Liberalen)

    "Ich kann nur eines sagen: Dass ich bitter enttäuscht bin von diesem Ergebnis. Das ist eine heftige Niederlage." (Grünen-Bundestagsabgeordnete Claudia Roth)

    "Deutschland ist mit der AfD blau geworden. Wir sind aus der politischen Szene in Deutschland nicht mehr wegzudenken." (AfD-Vizechefin Frauke Petry über ihre Partei)

    "Die Deutschen wollen, dass sie vier Jahre weiter regiert. Das Ergebnis ist in erster Linie Anerkennung für die Arbeit von Angela Merkel." (CDU-Vize Armin Laschet)

    "Wir wollen derzeit nach dem Ausgang der Bundestagswahl keine Koalitionsaussagen treffen. Das wird nun zunächst in den Gremien besprochen. Wir haben uns sicherlich einen höheren Zuwachs gewünscht. Nun ist Angela Merkel gefragt." (SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles)

    "Wir hatten mehr erhofft. Das ist kein Auftrag der Wähler, um Gespräche über die Regierung zu führen. Der Ball liegt jetzt bei Angela Merkel. Sie hat die entsprechenden Gespräche zu führen." (SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann)

    "Wir haben einen klaren Auftrag der Wähler, die Regierung zu bilden. Das Ergebnis zeite, dass die Wähler wollten, dass Angela Merkel Kanzlerin bleibt. Ein Ergebnis von mehr als 40 Prozent hattee man für eine Volkspartei schon gar nicht mehr für erreichbar gehalten." (Unionsfraktionschef Volker Kauder)

    "Das Ergebnis ist zutiefst enttäuschend. Jetzt geht es nicht um Koalitionsspekulation wie etwa Schwarz-Grün. Zunächst ist eine Fehleranalyse nötig."(Grünen-Bundestagsabgeordneter Omid Nouripour)

    "Wir hätten uns deutlich mehr Schwung erhofft für Bayern" (SPD-Landesvorsitzender Florian Pronold)

    "Das ist die bitterste Stunde für die Liberalen seit vielen Jahrzehnten. Wir haben in der Öffentlichkeit nicht überzeugt. Es gibt ausreichend liberales Wählepotenzial. Das gilt es jetzt abzurufen". (FDP-Vorsitzender Nordrhein-Westfalen Christian Lindner)

    "Es gibt mehr Kommunisten in Deutschland als Liberale. Das macht mir sehr große Sorgen." (FDP-Entwicklungsminister Dirk Niebel)

    "Ich finde das eine beachtliche Leistung, dass man mit fünf Ministern der größten Bundestagsfraktion aller Zeiten innerhalb von vier Jahren die FDP von 14,6 auf 5 Prozent oder darunter bringt. Eine ordentliche Wahlkampfstrategie mit einem souveränen Auftreten sieht anders aus. (Kieler FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki)

    "Man wählt niemanden, der sich zum Wurm macht. Das Einzige, was die FDP noch hätte schlimmer machen können, wäre gewesen, Hundewelpen aufs Plakat zu machen mit der Aufforderung: 'Bitte, bitte, wählt uns.'" (Vorsitzender der Jungen Liberalen Lasse Becker)

    "Es gilt der alte Grundsatz, dass alle demokratischen Parteien untereinander auch gesprächsbereit sein sollten. Es ist aber klar, dass sich die politischen Positionen von Union und Grünen im Wahlkampf sehr weit auseinanderbewegt haben." (CDU-Vorstandsmitglied Annegret Kramp-Karrenbauer)

    "Ich hatte mir ein besseres Ergebnis gewünscht. Wir müssen überlegen, wie wir unsere Positionen einfacher, verständlicher und klarer an die Bürger bringen." (Piraten-Chef Bernd Schlömer)

    AfD-Chef Bernd Lucke: Wurden unterschätzt

    Bis zuletzt hatte die Partei um den Wirtschaftsprofessor Lucke darauf gehofft, dass die Umfragen vor der Wahl sie unterschätzt hätten. Mit Forsa-Chef Manfred Güllner gab es darüber sogar eine gerichtliche Auseinandersetzung. Am Ende schnitt die Partei tatsächlich besser ab als lange Zeit prognostiziert.

    Experten hielten es von Anfang an für möglich, dass sich viele AfD-Wähler in der Öffentlichkeit nicht gerne zu ihrer Entscheidung bekennen - so wie es bei Parteien am Rand immer wieder vorkommt. Zwar wies die AfD-Führung die Einschätzung als rechtspopulistisch immer wieder zurück. Dennoch war sie wohl auch für Wähler von Rechtsaußen attraktiv - beim Thema Zuwanderung etwa formulierten Lucke und andere wohl bewusst zweideutig. Nach ersten Analysen haben die Eurokritiker aber von allen Parteien Wähler abgezogen, besonders von der FDP, aber auch von der Linkspartei.

    Fast fünf Prozent: AfD besser als FDP

    Fast fünf Prozent. Was für die FDP ein historisches Fiasko ist, ist für die AfD keine Niederlage. Die Partei hat nicht nur einen gut organisierten, sondern auch einen finanziell gut ausgestatten Wahlkampf geführt. Und blickt längst auf die Europawahlen 2014.

    Auch wenn es für den Bundestag nicht gereicht haben sollte: Das starke Abschneiden der AfD wird Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) noch Kopfschmerzen bereiten. Vor allem dann, wenn die Eurokrise wieder ihr hässliches Haupt erhebt und neue Hilfen für Griechenland fällig werden. Die Stimme der Eurokritiker wird lauter. Das wird auch in Brüssel und in den Partnerländern gehört werden. dpa/AZ

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