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Eurokrise: Banken erlassen Griechenland die Hälfte seiner Schulden

Eurokrise

Banken erlassen Griechenland die Hälfte seiner Schulden

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    Griechenlands Premierminister George Papandreo (R) und sein Finanzminister Evangelos Venizelos am Ende des Verhandlungsmarathons in Brüssel. Foto: Benoit Dopagne dpa
    Griechenlands Premierminister George Papandreo (R) und sein Finanzminister Evangelos Venizelos am Ende des Verhandlungsmarathons in Brüssel. Foto: Benoit Dopagne dpa

    Um 3.23 Uhr ist die Kampfansage Europas an die Spekulanten fertig. Stundenlang haben die 17 Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone miteinander und zugleich mit den Vertretern der Banken gerungen. Dann steht fest: Der Rettungsfonds EFSFwird nachgeladen.

    Mit fünffacher Feuerkraft  schießt man jetzt bei Angriffen aus der Finanzwelt zurück. Eine Billion Euro stehen bereit, falls nach Griechenland, Portugal und Irland auch Italien und Spanien ins Wanken kommen würden. Ich bin mit den Ergebnissen sehr zufrieden, sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel kurz nach vier Uhr übernächtigt, etwas wackelig in der Wortwahl. Das geht den übrigen europäischen Spitzenvertretern kaum anders. Auch Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker, zugleich Chef der Euro-Gruppe, sucht nach den richtigen Formulierungen, ehe er sagt: Wir haben ein sehr gutes Ergebnis gefunden.

    Gipfel erhöhte den Druck auf die Banken

    Bis zuletzt hatten sich die Banken dagegen gesträubt, Griechenland die Hälfte seiner Schulden zu erlassen. Etwa 100 Milliarden Euro nehmen die Geldgeber von den Schultern der Regierung von Giorgos Papandreou, der sich erleichtert zeigt: Unser Land kann in eine neue Ära starten. Immer wieder hatten die Vertreter der Internationalen Bankenverbandes neue Einwände vorgebracht, um die Forderungen der Politik abzuwehren. Mal fehlten Sicherheiten, dann waren es wieder die Auszahlungsmodalitäten der verbleibenden Hälfte, die ihnen nicht passten. Der Gipfel wurde erst nervös, reagierte verärgert und wie man hörte mit offenen Druck: Falls die Banken-Branche nicht gezwungenermaßen freiwillig auf einen großen Teil ihrer Ansprüche verzichte, werde man Athen in die Pleite entlassen, drohten die Staats- und Regierungschefs. Dann müssten die Institute eben einen Totalausfall ihrer Forderungen hinnehmen.

    Rettungsschirme, EFSF und ESM

    Griechenland-Pleite, Rettungsschirme, Eurobonds, EFSF, ESM: Beim Thema Euro-Krisen schwirren etliche Fachbegriffe herum. Lesen Sie hier in Kurzform, was Sie zum Thema Rettungsschirme wissen müssen.

    EFSF steht für Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (European Financial Stability Facility) und ist eine Aktiengesellschaft, die notleidenden Euro-Staaten helfen soll. Sollte ein EU-Land in Not geraten, kann die im Juni 2010 gegründete EFSF Anleihen bis zu 440 Milliarden Euro ausgeben. Dafür haften die Euro-Länder.

    Kritik am EFSF: Im Vertrag von Maastricht wurde eine so genannte Nichtbeistands-Klausel (No-bailout-Klausel) vereinbart, die die Haftung der Union oder einzelner Mitgliedstaaten für die Verbindlichkeiten anderer Mitgliedstaaten untersagt. Auf Druck des Nicht-Eurolandes Großbritannien wurde durchgesetzt, dass bei Krediten für Staaten, die Mitglieder der Eurozone sind, nur die übrigen Eurostaaten haften.

    Der EFSF soll bis Juni 2013 aktiv bleiben und dann abgelöst werden, nämlich vom ESM.

    ESM steht für Europäischer Stabilitäts-Mechanismus und ist der permanente Euro-Rettungsschirm. Seine wichtigsten Instrumente sind Notkredite und Bürgschaften für überschuldete EU-Staaten. Jedes Land, das Hilfe aus dem ESM erhält, muss im Gegenzug bestimmte wirtschaftliche Konsequenzen ziehen.

    Kritiker sagen, dass Rettungsschirme und Bürgschaften es Ländern erleichtern, Schulden zu machen. Wenn es wirklich eng wird, treten schließlich die anderen EU-Länder ein und helfen.

    Eurobonds: Darunter versteht man eine EU-Staatsanleihe. Das bedeutet, die Länder der EU würden gemeinsam Schulden aufnehmen - und auch gemeinsam für sie haften. Hinter der Idee steht die Hoffnung, dass die Kreditwürdigkeit der Eurozone als Ganzes von den Finanzmärkten und den Ratingagenturen höher eingeschätzt wird als die seiner einzelnen Mitgliedstaaten.

    Die Befürworter dagegen erklären, dass notleidenden EU-Staaten geholfen werden muss. sie warnen vor einem Domino-Effekt. Heißt: Wenn ein Land tatsächlich pleite geht, reißt es andere Länder mit sich.

    Wir haben unser Angebot angstfrei vorgebracht, sagt die Bundeskanzlerin in der tiefen Nacht fast verschmitzt. Druck wäre wohl das richtige Wort. Schließlich geben die Vertreter der Institute klein bei und akzeptieren den Deal: Sie müssen ihr Eigenkapital um 100 Milliarden Euro auf neun Prozent erhöhen. Wenn sie das Geld nicht selbst beschaffen können, springen die Staaten ein. Anschließend ist der Schuldenschnitt verkraftbar. Und dann ist da noch einer, der in dieser Nacht zurückstecken musste: Silvio Berlusconi. Der italienische Regierungschef, der sich jahrelang nicht um die Blauen Briefe aus Brüssel wegen seines Staatsdefizits kümmern wollte, steht mit dem Rücken zur Wand. Jetzt nehmen ihn die Kolleginnen und Kollegen ins Gebet, fordern ihn immer machtvoller zu Reformen auf, um seine Verschuldung von über 120 Prozent anzugehen.

    Der 75-Jährige gibt nach, verspricht, bis zum 15. November einen detaillierten Fahrplan Raus aus den Schulden vorzulegen. Damit nicht genug. Am Ende stimmt er sogar der Forderung zu, Fachleute der EU-Kommission nach Italien zu lassen, die alle Maßnahmen strikt überwachen. Trotzdem wappnet sich Europa gegen das, was noch nicht wirklich abgewendet ist: den Zusammenbruch einer der großen Volkswirtschaften. 270 der 440 verfügbaren Milliarden Euro des Rettungsschirms werden genutzt, um damit Einlagen abzusichern und ein Bündnis mit anderen internationalen Fonds zu gründen. So wird aus eins fünf, aus 270 Milliarden über eine Billion Euro.

    Ansage: Keine Spekulationen auf den Euro

    Die Botschaft an die Spekulanten soll klar und deutlich sein: Lasst die Spekulation auf den Euro. Im Zweifel haben wir mehr Geld als ihr, um eure Angriffe abzuwehren. Es ist halb fünf, als zunächst Bundeskanzlerin Angela Merkel und wenige Minuten später auch Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy in ihre Limousinen steigen und abreisen. Man scherzt, man lächelt, man schlägt sich auf die Schulter nichts schweißt Europa offenbar mehr zusammen als eine gelungene Einigung. Jetzt geht der Blick nach vorne, auf die nächsten Stunden, wenn die Märkte öffnen.

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