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Kommentar: Es geht um mehr als nur die Anrede in einem Formular

Kommentar

Es geht um mehr als nur die Anrede in einem Formular

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    Die Klägerin hat sich von der männlichen Form der Anrede im Brief nicht angesprochen gefühlt - und geklagt.
    Die Klägerin hat sich von der männlichen Form der Anrede im Brief nicht angesprochen gefühlt - und geklagt. Foto: Uli Deck, dpa (Symbolfoto)

    Das höchste Gericht in Deutschland hat entschieden: Frauen erleiden aus Sicht des Bundesgerichtshofs keinen Nachteil, wenn sie in Vordrucken als „Kunde“ angesprochen werden. Und viele denken sich: Haben Feministinnen kein größeres Problem, als bei Formularen auf die weibliche Anrede zu verzichten?

    In Anbetracht der aktuellen Debatte um sexuellen Missbrauch oder der Lohnschere zwischen Mann und Frau, ist sprachliche Gleichstellung weniger greifbar. Doch das mindert nicht ihre Wirkung. Wer eine Gerechtigkeit der Geschlechter erreichen will, der muss das Bewusstsein in der Gesellschaft verändern.

    Einer der wichtigsten Hebel um dieses Ziel zu erreichen, ist die Sprache. Studien mit Kindern zeigten den großen Einfluss: Psychologinnen und Psychologen der Freien Universität Berlin stellten Buben und Mädchen verschiedene Berufe vor. In einer Gruppe nannten sie die geschlechtergerechte Form (zum Beispiel Informatiker und Informatikerinnen), in der Kontrollgruppe wurde die rein männliche Form verwendet.

    Das Ergebnis: Wenn beide Geschlechter genannt wurden, konnten sich die Kinder eher vorstellen, den Beruf später zu ergreifen. Insbesondere Mädchen trauten sich Berufe aus dem sogenannten MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) zu. Wer also eine Gerechtigkeit der Geschlechter erreichen will, der kommt an der Sprache nicht vorbei. Wie schon Paul Watzlawick wusste: Sprache schafft Wirklichkeit. Ihr Wandel ist unser Fortschritt. Der Bundesgerichtshof hätte mit seiner Entscheidung ein Zeichen für die Gleichheit der Geschlechter setzen können. Das hat er leider verpasst.

    Hier lesen Sie unseren Pro-Kommentar: "Kunde" statt "Kundin": Die Richter haben mit ihrem Urteil recht

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