Wirtschaftliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe statt Almosen – nach dieser Devise will die Bundesrepublik künftig ihre Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika gestalten. Und damit auch verhindern, dass sich immer mehr junge Afrikaner mangels Perspektiven in ihrer Heimat auf die lebensgefährliche Reise in Schlepperbooten über das Mittelmeer machen. Gefördert werden sollen vor allem Länder, die selbst zu Reformen bereit sind. Tunesien, Elfenbeinküste und Ghana sind die Ersten dieser „Reformchampions“ und damit bevorzugte Partner Deutschlands bei Investitionen in Afrika.
Entwicklungsminister Gerd Müller unterzeichnete mit den Finanzministern der drei Staaten gestern entsprechende Verträge. „Wer den politischen Willen beweist, etwas für sein Land und die Menschen zu bewegen, erhält mehr Unterstützung“, sagte der CSU-Politiker aus Kempten. Konkret heißt das: 300 Millionen Euro zusätzlich investiert das Bundesentwicklungsministerium noch in diesem Jahr, um die Reformchampions etwa beim Ausbau erneuerbarer Energien und der Entwicklung des Finanz- und Bankensektors zu unterstützen. Damit sollen die Rahmenbedingungen für Investoren aus dem In- und Ausland sowie der Zugang von Kleinunternehmern und Gründern zu Krediten verbessert werden. Mittel- und langfristig, so Müller, „geht es um Jobs und die Zukunft für die jungen Menschen in Afrika“. Der Kontinent braucht laut Bundesregierung etwa 20 Millionen zusätzlicher Jobs. Die grassierende Jugendarbeitslosigkeit in weiten Teilen Afrikas ist demnach der Hauptgrund für die massiven Migrationsbewegungen in Richtung Europa.
Afrika in den G20 bislang kaum vertreten
Hintergrund der Initiative ist die deutsche G20-Präsidentschaft – und Afrika ist erstmals regionaler Schwerpunkt in der Runde der 20 größten Industrie- und Schwellenländer. Beim Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs am 7. und 8. Juli in Hamburg soll es um Strategien für den von Armut, Krisen und Kriegen geprägten Kontinent gehen. Der ist im Kreis der G20 bisher nur durch die Republik Südafrika vertreten, die zudem die geringste Wirtschaftskraft aller Mitgliedsländer aufweist.
Das ist Gerd Müller
Gerd Müller wird am 25. August 1955 in Krumbach geboren. Er wächst in Unterbleichen im Landkreis Günzburg auf.
Müller ist mit einer Niederländerin verheiratet und Vater zweier Söhne. Er wohnt in Kempten im Allgäu.
Mit 21 Jahren wird er Zweiter Bürgermeister seiner Heimatgemeinde und ist nach dem Rücktritt des Ersten kurze Zeit sogar Deutschlands jüngster Bürgermeister.
Von 1989 bis 1994 ist der Diplom-Wirtschaftspädagoge Mitglied des Europäischen Parlaments.
Seit 1994 ist Müller direkt gewählter Bundestagsabgeordneter des Wahlkreises Kempten, Oberallgäu und Lindau.
Ab 2005 ist Müller als Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz unter anderem zuständig für Internationale Beziehungen, Entwicklungsprojekte, Welternährung und Export.
2013 wird Müller Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in der Großen Koalition.
Seit gestern beraten die für die Wirtschafts- und Entwicklungspolitik zuständigen Vertreter der G20-Länder mit den Staats- und Regierungschefs von zehn weiteren afrikanischen Staaten über den künftigen Ausbau der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte zum Auftakt des G20-Afrika-Gipfels: „Die gute Entwicklung der Welt wird nicht funktionieren, wenn nicht alle Kontinente der Welt daran teilnehmen.“ Die klassische, einseitige Entwicklungshilfe sei nicht immer der richtige Weg gewesen, um Afrika zu helfen, so Merkel. Sie rief die Weltgemeinschaft zu verstärkten Investitionen in Afrika auf. Neben Deutschland wollen auch andere G20-Länder Reformpartnerschaften vereinbaren.
Müller: Tausende Dürretote in Ostafrika verhindern
„Die Kanzlerin geht voraus und alle folgen: Afrika wird in den nächsten Jahrzehnten auf der Tagesordnung sein“, freute sich Gerd Müller, dessen „Marshallplan mit Afrika“ den Kurs in der deutschen Entwicklungspolitik vorgibt. Er betonte, dass die Auswahl der „Reformchampions“ an die Einhaltung von bestimmten Standards in Sachen Menschenrechte, Reformanstrengungen, Korruptionsbekämpfung und Rechtssicherheit geknüpft sei. Der Entwicklungsminister versicherte, dass Deutschland aber nicht aus der Förderung der „ganz armen und schwierigen“ Länder aussteigen werde. „Wir müssen kurzfristig Soforthilfe leisten, um den Dürretod von Tausenden in Ostafrika zu verhindern“, sagt Müller.
Neben Entwicklungshilfe und Privatinvestitionen brauche Afrika in Zukunft vor allem faire Handelsbedingungen. Dies sei durchaus im Interesse der deutschen Wirtschaft, die laut Müller erkennen müsse, „dass Afrika ein Chancen- und Wachstumsmarkt ist, der auch Arbeitsplätze bei uns in Deutschland sichert“. Eine Einschätzung, die die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, OECD, teilt. Trotz schwieriger Rahmenbedingungen sei das Bruttoinlandsprodukt der afrikanischen Staaten 2016 im Durchschnitt um 2,2 Prozent gewachsen, berichtet die Organisation. Im laufenden Jahr werde das Wachstum sogar um 3,4 Prozent anziehen. Und generell stellt die OECD für Afrika eine Entwicklung hin zu einem „besseren Klima für Unternehmen, stabilerer Wirtschaftspolitik und einer Diversifizierung der Wirtschaftsstruktur“ fest.