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Gerd Müller: Entwicklungsminister Müller wird 2021 nicht mehr für den Bundestag kandidieren

Gerd Müller

Entwicklungsminister Müller wird 2021 nicht mehr für den Bundestag kandidieren

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    Bundesentwicklungsminister Gerd Müller will 2021 nicht mehr für den Bundestag kandidieren.
    Bundesentwicklungsminister Gerd Müller will 2021 nicht mehr für den Bundestag kandidieren. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Politiker, die nicht mehr so sehr an die persönliche Karriere denken, können sich einen eigenen Standpunkt leisten – sogar dann, wenn er sich nicht mit der Linie der eigenen Partei deckt. Gerd Müller ist solch ein Politiker. Der Entwicklungsminister hat gerade seinen 65. Geburtstag gefeiert, er muss nichts mehr werden. Das schafft Freiheiten, die der CSU-Mann aus dem Allgäu in den vergangenen Jahren immer stärker nutzte. In der vergangenen Woche zum Beispiel.

    Müller kämpft gegen Widerstände in der Wirtschaft und der eigenen Partei

    Während es sein Parteifreund und Bundesinnenminister Horst Seehofer am Freitag als „ganz konkretes Beispiel praktizierter Nächstenliebe“ feiert, dass die Europäische Union 400 Kinder und Jugendliche aus dem abgebrannten Flüchtlingslager Moria herausholt, fordert Müller, Deutschland solle 2000 Menschen aufnehmen, und sprach von einer „Schande für Europa“, dass es dieses völlig überfüllte Lager überhaupt gibt.

    Der gebürtige Krumbacher weiß, wovon er spricht. Er hat das Elend von Moria selbst gesehen. Es gehört zu seinem Amtsverständnis, dass er sich persönlich ein Bild von den Verhältnissen in den Krisengebieten der Welt macht. Im vergangenen Jahr zum Beispiel hatte er sich – gegen den dringenden Rat seiner Leibwächter – in einem Armenviertel in der Nähe von São Paulo absetzen lassen. Ohne Sicherheitsleute lief er zu Fuß durch die brasilianischen Slums, in denen das Gesetz der Straße herrscht. Er wollte sich selbst mit den jungen Menschen dort unterhalten.

    Wenn Müller von seinen Reisen erzählt, spürt man schnell, dass er wirklich etwas verändern will. Im Interesse der Menschen vor Ort, aber auch im Interesse Europas. Und wenn er in der Ferne dann einmal mit seinem berühmten Namensvetter – dem einstigen „Bomber der Nation“ – verwechselt wird, nimmt er das mit Humor. Bis heute erzählt man sich in Berlin gerne die Geschichte, wie die türkische Zeitung Hürriyet den neuen Minister 2013 mit folgenden Worten vorstellte: „Geboren 1945, früher Star der deutschen Nationalmannschaft und von Bayern München. Torschützenkönig der Nationalmannschaft.“ Knapp daneben. Was aber stimmt: Wie der Fußballer ist auch der Politiker Gerd Müller einer, der es aus der schwäbischen „Provinz“ bis auf die Weltbühne geschafft hat. Wenn ihm andere heute diese Welt erklären wollen, erzählt er gerne, wie viele Länder er schon bereist hat. Dass ihn Seehofer einmal als „bayerischen Außenminister“ bezeichnet hat, dürfte ihm gefallen haben.

    Gerd Müller will einen Generationswechsel möglich machen

    Gegen den Widerstand der Wirtschaft und der eigenen Partei kämpft Müller für Umweltschutz, Nachhaltigkeit und faire Arbeitsbedingungen in der Dritten Welt. Aufgrund seiner Eindrücke vor Ort erkennt er früher als die meisten anderen, wie die Massenflucht von Millionen Menschen aus Syrien oder Afrika die Welt verändern wird. Als die Bundesregierung noch hofft, wenn man nur lange genug die Augen davor verschließen würde, könnte sich die heraufziehende Flüchtlingskrise noch von alleine erledigen, appelliert er bereits eindringlich, dass Europa den Menschen vor Ort helfen muss, um die Fluchtursachen zu bekämpfen.

    Müller brennt für sein Amt, doch seine Mission geht dem Ende entgegen. Zur Bundestagswahl 2021 will er nicht mehr antreten. Das gibt er fast beiläufig in seinem Wahlkreis bekannt. Schon bei der Kabinettsbildung 2018 stand die Zukunft des Mannes auf der Kippe, der einst als Chef der Jungen Union die Todesstrafe für Drogenhändler gefordert hatte, mit den Jahren aber immer mehr zu einem Politiker geworden ist, den man sich gut in einer schwarz-grünen Koalition vorstellen könnte. Die CSU wollte damals in Berlin unbedingt jünger und weiblicher werden. Das klang nicht unbedingt nach einer Weiterbeschäftigung für den zweifachen Familienvater mit der sonoren Stimme.

    Ein derart abruptes Karriereende hätte ihn gekränkt, zumal ihm selbst die politische Konkurrenz gute Arbeit attestierte. Doch das ließ er sich nur hinter den Kulissen anmerken. Und schließlich reichte es doch für eine weitere Amtszeit. Als CSU-Chef Markus Söder dann Anfang dieses Jahres eine Kabinettsumbildung in Berlin ankündigt, müssen Seehofer und Verkehrsminister Andreas Scheuer deutlich mehr um ihre Jobs zittern als Müller.

    Dass Entwicklungsminister Müller nicht mehr antritt, kommt überraschend

    Dass er nun selbst Schluss macht, kommt insofern zu diesem Zeitpunkt etwas überraschend, eröffnet seinem Parteivorsitzenden allerdings zusätzliche Spielräume, um die CSU in Berlin neu aufzustellen. Seehofer will sich 2021 ebenfalls ins Privatleben zurückziehen. Und dass Scheuer, der dritte Bayer im Bunde, nach all den Turbulenzen um Maut und Bußgeldkatalog noch einmal eine Laufzeitverlängerung in der Bundesregierung bekommt, darf zumindest stark bezweifelt werden.

    Gerd Müller beendet seine politische Reise, die als Zweiter Bürgermeister von Krumbach begonnen hat und ihn über das Europaparlament in den Bundestag führte, aus freien Stücken. Er will einen Generationswechsel möglich machen. Ob der Zeitpunkt der Entscheidung etwas mit der Haltung seiner Partei zu den Flüchtlingen von Moria zu tun hat? Nicht auszuschließen. Klar ist: Künftig wird Müller noch mehr Freiheiten haben, um gegen den CSU-Strom zu schwimmen.

    Lesen Sie auch: Entwicklungsminister Müller fordert Aufnahme weiterer Flüchtlinge aus Moria

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