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Entwicklungshilfe: Wie Entwicklungsminister Müller den Flüchtlingsstrom bremsen will

Entwicklungshilfe

Wie Entwicklungsminister Müller den Flüchtlingsstrom bremsen will

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    Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) sitzt bei seiner Reise in den Senegal inmitten einer Trommlergruppe. Er "trommelt" für mehr Unterstützung und mehr Investitionen in Afrika.
    Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) sitzt bei seiner Reise in den Senegal inmitten einer Trommlergruppe. Er "trommelt" für mehr Unterstützung und mehr Investitionen in Afrika. Foto: photothek, Entwicklungsministerium

    Natürlich waren seine Frau und die beiden Kinder nicht begeistert, als er wieder vor der Tür stand, sagt Ngalgou Diop. Seine Eltern, die Geschwister, Tanten und Onkel auch nicht. Der ganze Familienclan hatte zusammengelegt, sie alle hatten gegeben, was sie entbehren konnten, um dem Schlepper die 1200 Euro für Ngalgou Diops Überfahrt nach Spanien zu bezahlen. Damit wenigstens er ein besseres Leben haben sollte, einen Job, eine Perspektive. Und damit er die Familie unterstützen kann mit Überweisungen aus Europa.

    Und dann das: Gut einen Monat später war der 40-Jährige wieder daheim in Kayar, der 24 000-Einwohner-Stadt an der Küste, keine 60 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Dakar. Er ist ein Versager, sagen die einen im Ort. Er ist ein Rückkehrer, sagen die offiziellen Stellen.

    Senegal als sicheres Herkunftsland

    504 junge Männer sind in den vergangenen Jahren nach Kayar zurückgekommen. Besser gesagt: Sie wurden zurückgeschickt. Da der Senegal als sicheres Herkunftsland gilt, haben sie kaum eine Chance auf Asyl in Europa.

    Mit 174 anderen jungen Männern aus der Gegend war Ngalgou Diop auf dem kleinen Holzboot eingeklemmt, das im September 2007 direkt am Strand vor ihrem Dorf auf die mehrere Tage dauernde, gefährlichen Reise übers Meer startete. 25 von ihnen haben die Überfahrt nach Teneriffa nicht überlebt, sagt Ngalgou Diop leise. Und eigentlich habe er auch gar nicht geglaubt, dass es so eine Piroge bis nach Italien oder Spanien schaffen kann.

    „Doch für alle Afrikaner ist Europa das Eldorado“, sagt Diop. Erst als ihn ein Freund aus Teneriffa angerufen hat und ihm von seinem neuen Leben vorschwärmte, machte er sich auf den Weg. „Was soll ich auch hier“, sagt er – und deutet auf den trockenen, sandigen Boden der Felder um ihn herum, auf dem Rüben, Kohl, Karotten und Kartoffeln wachsen.

    Allerdings nur, wenn die Bauern ihr Land bewässern. Das wird immer schwieriger, weil durch den Klimawandel der Grundwasserspiegel sinkt. Und es wird immer teurer. Denn die üblichen Dieselpumpen, die pro Tag 8,5 Liter Kraftstoff verbrauchen und hunderte Liter Motoröl jedes Jahr in die Erde sickern lassen, fressen fast den gesamten Gewinn auf, den die Bauern auf dem Markt mit ihrem Gemüse erzielen.

    Entwicklungsminister Gerd Müller sucht nach Lösungen für Flüchtlingsstrom

    „Hier müssen wir ansetzen“, sagt Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU), der fünf Tage lang im Senegal, in Niger und Ruanda unterwegs ist, um nach Lösungen für den Flüchtlingsstrom aus Afrika zu suchen: bei den jungen Menschen. Sie brauchen eine Schulbildung, Ausbildungsplätze, Arbeit. Sie brauchen eine Perspektive, damit sie in ihrem Land bleiben und sich nicht – wie hunderttausende andere – auf den gefährlichen Weg übers Meer nach Europa machen.

    Doch was ist eine Perspektive in den Dörfer Senegals, wo es keinen Strom gibt, keine Jobs, keine Zukunft? Und wo die Arbeit in der Landwirtschaft hart und beschwerlich ist und das Geld für Investitionen in moderne Technik fehlt.

    Mit Hilfe der deutschen Entwicklungshilfe wurden die Bauern von Kayar jetzt mit Wasserpumpen ausgestattet, die mit Solarenergie angetrieben werden. Sonne gibt es genug im Senegal. „Die Landwirtschaft ist eine Zukunftsbrache“, sagt der Entwicklungsminister aus dem Allgäu. Und: „Der Senegal kann sich selbst ernähren.“

    Nachhaltige Energien fördern heißt das Entwicklungsziel des deutschen Ministers – und schon heute profitieren mehr als 2,7 Millionen Menschen im Senegal von einer effizienteren und zuverlässigeren Stromversorgung, die durch die Finanzierung von neuen Dorfstromanlagen entstanden ist.

    Bei einem Gespräch mit dem senegalesischen Präsidenten Macky Sall vereinbart Müller dann auch, dass Deutschland seine Zusammenarbeit bei der Ausbildung von Handwerksberufen im Senegal ausbauen wird – eben um die Perspektiven für Rückkehrer zu verbessern. Zehn Millionen Euro verspricht er dem westafrikanischen Land dafür. „Wir können nur Leuchttürme setzen“, betont Gerd Müller. Den Flüchtlingsstrom nach Europa kann die Entwicklungshilfe alleine nicht stoppen.

    Um die Krisenländer Afrikas, denen der Minister eine reiche, blühende Zukunft prophezeit, zu fördern, brauche es die Privatwirtschaft. Sie müsse in die 54 Länder Afrikas investieren – und damit nicht nur den Menschen auf dem Kontinent, sondern auch den Menschen in Europa, dem gesamten Planeten das Überleben sichern. „Die reichen Industrieländer müssen erkennen, dass sie ihren Wohlstand nicht weiter auf Kosten der Menschen in Afrika steigern können“, sagt Müller. Denn: „In unserem Konsum steckt jeden Tag ein Stück Afrika. Wenn die Menschen in Afrika davon nichts haben, werden wir die Folgen teuer bezahlen müssen.“

    Investitionen könnten zu einer Win-Win-Situation führen

    Um deutschen Unternehmen Anreize zu bieten, fordert Müller Steuererleichterungen für Investitionen. Das hat es schon einmal gegeben. Müller erinnert an das Entwicklungsländer-Steuergesetz von 1963, das Investitionen deutscher Unternehmen in Entwicklungsländern steuerlich privilegiert und Risiken abgesichert hatte.

    Nach Auffassung des CSU-Politikers führen Investitionen zu einer Win-Win-Situation. Müller vergleicht die Lage, vor der Afrika derzeit steht, mit der Osterweiterung der Europäischen Union im Jahr 2004. Damals habe es Befürchtungen über eine Massenzuwanderung gegeben. Inzwischen profitierten beide Seiten: Osteuropäer von der Freizügigkeit, deutsche Firmen von ihren Investitionen dort.

    Ngalgou Diop bittet den deutschen Minister an diesem Nachmittag auf seinem Feld, auf dem eine Solarpumpe sprudelt, um Unterstützung für sein Land. Denn eigentlich, sagt er, wolle er gar nicht weg aus seiner Heimat. Das gehe auch nicht mehr, gibt er zu: Die spanische Marine überwache den Seeweg in Richtung Kanarische Inseln mit Hubschraubern und Schiffen. Seit Wochen schon hat es kein junger Mann aus Kayar mehr geschafft ins „gelobte Land“ Europa.

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