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Region Augsburg: Entspannt einkaufen? Eine Reise durch die Läden der Region

Donauwörth: Verkäuferin Gabi Kleinle hat den Eingangsbereich des Geschäfts "Petra Heinle – Mode und Geschenkideen" mit Luftballons dekoriert – aus Freude über die Wiedereröffnung.
Foto: Ulrich Wagner
Region Augsburg

Entspannt einkaufen? Eine Reise durch die Läden der Region

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    Es ist Montag, kurz vor Ladenöffnung, und in der Donauwörther Reichsstraße schon einiges los. Normal ist dennoch nichts. Und das in einem Landkreis, Donau-Ries, der seit Wochen bundesweit zu denen mit den niedrigsten Sieben-Tage-Inzidenzwerten zählt. Dem Robert-Koch-Institut zufolge lag er am Montag bei 24,7, im oberfränkischen Hof bei 327,3. Dass in Donauwörth dennoch nichts normal ist, wird auch an Gabi Kleinle deutlich.

    Kreis Donau-Ries. Inzidenz am Montag: 24,7
    Kreis Donau-Ries. Inzidenz am Montag: 24,7 Foto: Wolfgang Widemann (Archivbild)

    Auch nach elf Jahren im Geschäft ist Gabi Kleinle aus Donauwörth aufgeregt

    Denn die ist aufgeregt. Was durchaus etwas heißen will. Die Einzelhandelskauffrau arbeitet seit elf Jahren in der Boutique von Petra Heinle. "Gestern Abend war ich schon aufgeregt", sagt die 54-Jährige. Sie freut sich, dass das Modegeschäft endlich wieder öffnen darf, seit Mitte Dezember war es wegen der Pandemie zu. Wie so viele andere. Ihre Freude über die Wiedereröffnung will Gabi Kleinle mit den Kunden teilen. Deshalb hängt sie Luftballons auf. Es kann losgehen. Ein bisschen zumindest.

    Das sind die neuen Corona-Regeln, die ab 8. März gelten

    Der 8. März bringt in Bayern weitere Lockerungen der Corona-Beschränkungen mit sich. Nach den Friseursalons und den Baumärkten ist nun der Einzelhandel an der Reihe.

    Diese Corona-Regeln gelten seit 8. März

    Für den Einzelhandel gilt eine Stufenregelung, die sich am Inzidenzwert orientiert. Liegt er in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt stabil unter 50, können Läden Kunden einlassen. Liegt er zwischen 50 und 100, müssen Kunden vorab einen Termin vereinbaren. Sollte die Sieben-Tage-Inzidenz an drei Tagen hintereinander über 100 sein, greift eine "Notbremse".

    So sind unter anderem Buchhandlungen nun Supermärkten gleichgestellt – und unter der Auflage einer bestimmten Quadratmeterzahl pro Kunde, die eingehalten werden muss, wieder offen.

    Auch Treffen mit einem anderen Haushalt sind bei einem Sieben-Tage-Inzidenzwert zwischen 35 und 100 pro 100 000 Einwohner erlaubt – die Personenzahl von fünf darf aber nicht überschritten werden. Kinder unter 14 Jahren werden nicht mitgezählt.

    Geschäftsinhaber und ihre Angestellten genauso wie Kunden haben diesen Tag herbeigesehnt. Es ist ein Tag der gemischten Gefühle, könnte man nach einer Reise von Donauwörth über Höchstädt und Lauingen bis nach Gundelfingen und von Krumbach über Mindelheim bis nach Buchloe sagen.

    Kreis Dillingen. Inzidenz am Montag: 25,9
    Kreis Dillingen. Inzidenz am Montag: 25,9 Foto: dpa (Archivbild)

    Die NKD-Filliale in Höchstädt wird direkt gut besucht

    Doch noch ist es nicht so weit. Noch ist es vormittags, und Rodica Busse sieht am Höchstädter Marktplatz, knapp 23 Kilometer von der Donauwörther Reichsstraße entfernt, dass die NKD-Filiale als einer der wenigen Einzelhändler in der Kleinstadt geöffnet hat. "Ich bin spontan reingegangen", sagt sie nach ihrem Einkauf, mit einer riesigen Tüte in der Hand und einem Strahlen im Gesicht.

    Höchstädt: Rodica Busse kauft gleich am ersten Tag der Lockerungen kräftig ein.
    Höchstädt: Rodica Busse kauft gleich am ersten Tag der Lockerungen kräftig ein. Foto: Ulrich Wagner

    Auch Verkäuferin Olga Sinner ist bester Dinge, sogar als die Technik kurz streikt. "Komm schon, jetzt hattest du drei Monate Pause", sagt sie zur Kasse. Bereits in der ersten Stunde seit Geschäftsöffnung habe sie mehr als die Hälfte eines Tagesumsatzes eingenommen.

    Schwaben fürchtet sich vor Shoppingtouristen

    Die Reise durch kleinere und größere schwäbische Orte wird zu einer Reise durch eine Region, in der unterschiedliche Regelungen gelten. Je nach Inzidenzwert im jeweiligen Landkreis oder der jeweiligen kreisfreien Stadt. Immer begleitet von der Frage: Kommt es tatsächlich zum befürchteten Shoppingtourismus? Und: Wie finden die Menschen die Öffnungsregelungen überhaupt? Begrüßen sie es, dass es einen Stufenplan gibt, der auf die Unterschiede vor Ort eingeht? Oder kritisieren sie das dadurch entstandene Durcheinander?

    Corona-Lockerung trotz steigender Zahlen sorgt für Unverständnis

    Obwohl die Infektionszahlen bundesweit vielerorts wieder steigen, wird seit Montag gelockert. Darauf hatten sich die Ministerpräsidenten und Kanzlerin Angela Merkel in der vergangenen Woche verständigt – was keineswegs von jedem Experten und Politiker verstanden wurde. Lockdown oder lockern? Die Debatte geht unverändert weiter. Die einen sagen so, die anderen so.

    Zum Beispiel am Sonntagabend im Polit-Talk "Anne Will". In der Gesprächsrunde ist eine verzweifelte, eine fassungslose Angela Inselkammer zu erleben. Der Präsidentin des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga Bayern) aus Aying fehlt eine Perspektive für ihre Branche. Bis zum Sommer könne man schlicht nicht mehr warten, "dann sind wir alle hin", sagt sie mit hoher Stimme.

    SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach dagegen, der sich das fast regungslos anhört, wird seiner Rolle als Warner und Mahner gerecht. Er sagt und twittert es auch, dass er für Anfang April mit einer Inzidenz von 100 rechne. "Damit wären alle beschlossenen Lockerungen wieder nichtig. Ob das kurze Intermezzo die zusätzlichen Todesfälle wert ist? Nein. Die Enttäuschung wird eher groß sein."

    Deutschland macht sich locker? Bayern macht sich locker? Über allem schwebt der Sieben-Tage-Inzidenzwert an Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und die "Notbremse", die ab einem Wert von 100 an drei aufeinanderfolgenden Tagen greifen soll. Jede bis dahin erfolgte Lockerung wäre dann hinfällig.

    Weiter nach Lauingen, Landkreis Dillingen an der Donau. Inzwischen ist es 11 Uhr und der große Ansturm auf die Geschäfte ausgeblieben. "Die Kunden sind verhalten und kaufen nur das Nötigste", erklärt Gerald Brändle vom Schreib- und Spielwarengeschäft Eismann.

    Simone Rieger, links, und Edith Hausmann haben bei Betten Deisler gleich am ersten Tag alles rund ums Bett verkauft.
    Simone Rieger, links, und Edith Hausmann haben bei Betten Deisler gleich am ersten Tag alles rund ums Bett verkauft. Foto: Ulrich Wagner

    Selbst zehn Minuten von Baden-Württemberg entfernt gibt es keinen Shopping-Tourismus

    Bislang: keine Anzeichnen auf Shoppingtourismus. Ob sich das wohl im nur zehn Autominuten entfernten Gundelfingen, ganz nahe an Baden-Württemberg, ändert? "Wir spüren keinen Kauftourismus", sagt Jürgen Weber von Intersport Seeßle. Und er muss es wissen, denn er wohnt im Nachbarbundesland. Und so weiß er auch auf Anhieb nicht nur die Inzidenzwerte des Kreises Dillingen an der Donau in Bayern, sondern auch die des Kreises Heidenheim in Baden-Württemberg.

    Im Bettenfachgeschäft Deisler, direkt neben dem Stadttor, haben die Verkäuferinnen Simone Rieger und Edith Hausmann an diesem Vormittag mehrere Kunden betreut. "Die Leute haben was für die Seele gesucht", sagt Hausmann. Am Samstag hätten viele angerufen und sich nach den Öffnungszeiten erkundigt, ergänzt Rieger. Bettwäsche, Matratzen oder Kissen wollten Kunden eben anfassen, bevor sie sie kaufen.

    35, 50, 100: Das sind die Corona-Grenzwerte, auf die es jetzt ankommt.
    35, 50, 100: Das sind die Corona-Grenzwerte, auf die es jetzt ankommt. Foto: Alexander Kaya (Symbolbild)

    Alles richtet sich nach der Corona-Inzidenz

    35, 50, 100 sind Zahlen, die man sich gerade gut merken muss. Und noch weitere Zahlen. Am besten hat man sich die Übersicht, die etwa das bayerische Gesundheitsministerium auf seine Internetseite gestellt hat, auf dem Smartphone gespeichert.

    Es ist kompliziert. In den Kreisen Donau-Ries und Dillingen an der Donau jedenfalls liegt der Inzidenzwert jeweils stabil bei deutlich unter 35. Heißt: Läden können Kunden einlassen. Bei Beachtung der Hygiene- und Abstandsregeln. Im Kreis Heidenheim in Baden-Württemberg lag die Inzidenz über 50. Ab 50 bedeutet: Kunden müssen vorab einen Termin vereinbaren.

    Eine neue Lockerheit im Einzelhandel? Eher nicht so

    Weiter geht die Reise, nun von Krumbach im Landkreis Günzburg bis in die Landkreise Unter- und Ostallgäu hinein. Und auch hier mischen sich Freude und Vorsicht, Ärger und Verdruss. Eine neue Lockerheit? Hier eher nicht.

    Kreis Günzburg. Inzidenz am Montag: 43,3
    Kreis Günzburg. Inzidenz am Montag: 43,3 Foto: Bernhard Weizenegger

    In Krumbach richten Martina und Ludger Rosenberger die Vitrinen ihres Juwelierladens her. Erstmals seit Monaten dürfen sie wieder Kunden empfangen. Die beiden sind überzeugt, dass ihr Laden kein Infektionsherd ist. Staatshilfen haben sie noch nicht beantragt. Der Antrag sei zu kompliziert und zu lang. Die Rosenbergers halten das gesamte Inzidenzsystem für willkürlich. Vor dem zweiten Lockdown, sagen sie maskenbewehrt, sei ihr Geschäft auch bei einer Inzidenz von 100 geöffnet gewesen. Im Frühjahr zuvor hätten sie bei einer Inzidenz von 20 schließen müssen. "Kein Wunder, dass die Leute nichts mehr glauben", sagt Martina Rosenberger.

    Der ABC Büchershop in Krumbach. Rudolf Gornig kauft direkt am ersten Tag bei Ladeninhaberin Viola Scheiter-Wehn ein.
    Der ABC Büchershop in Krumbach. Rudolf Gornig kauft direkt am ersten Tag bei Ladeninhaberin Viola Scheiter-Wehn ein. Foto: Alexander Kaya

    Trotz Corona: Manche Sachen muss man einfach anfassen können

    Janina Kröner begutachtet mit einer Freundin die Kinderbücher und das Spielzeug im Abc-Büchershop in Krumbach. Sie hat das Stöbern vermisst. "Man muss solche Sachen einfach in die Hand nehmen und durchblättern können", findet sie. Inhaberin Viola Scheitter-Wehn hört so etwas mit Genugtuung. "Es ist für uns wie Weihnachten", sagt sie. Die existenzbedrohende Schließung ihres Ladens habe ein Ende und ihr Alltag wieder mehr Struktur.

    In Mindelheim ist die Inzidenz deutlich über 50. Wer bei Elektro Radmüller einkaufen will, braucht deshalb einen Termin.
    In Mindelheim ist die Inzidenz deutlich über 50. Wer bei Elektro Radmüller einkaufen will, braucht deshalb einen Termin. Foto: Alexander Kaya

    Einzelhändler aus Mindelheim: "Eine echte Öffnung wäre uns lieber gewesen"

    Beides würden sich Einzelhändler auch in Mindelheim im Landkreis Unterallgäu wünschen, wo der Inzidenzwert nicht einmal in der Nähe der magischen Zahl 50 ist. Sondern bei um die 70. Heinz Gusterer ist am Montag mit seinem Rad in der Altstadt unterwegs. In seiner Stehlampe zu Hause ist die Glühbirne durchgebrannt. Also: Terminvereinbarung und ab zum Elektronik-Fachgeschäft von Jürgen Radmüller. Rentner Gusterer steigt ab, sagt dann: "Ich kaufe meine Elektrosachen immer hier." Zum Glück sei während des Lockdowns nichts kaputtgegangen.

    Kreis Unterallgäu. Inzidenz am Montag: 70,9
    Kreis Unterallgäu. Inzidenz am Montag: 70,9 Foto: Manuela Frieß (Archivbild)

    Jürgen Radmüller ist auf solche Stammkunden angewiesen. "Natürlich freuen wir uns, wieder öffnen zu dürfen, aber eine richtige Öffnung wäre uns lieber gewesen", sagt er. Er ist überzeugt davon, dass viele Kunden gar nicht bemerkt haben, dass er wieder geöffnet hat. Andere seien wegen der komplizierten Regeln verunsichert. Wieder andere habe er schon längst an den Onlineversandhandel oder Großkonzerne verloren.

    Bei Mode Stammel Schöffel in Buchloe sagt Kundin Sylvia Shahidi: "Ich habe das Shoppengehen einfach vermisst."
    Bei Mode Stammel Schöffel in Buchloe sagt Kundin Sylvia Shahidi: "Ich habe das Shoppengehen einfach vermisst." Foto: Alexander Kaya

    Kundin Sylvia Shahidi: "Ich habe das Shoppengehen einfach vermisst"

    Weiter nach Buchloe, Landkreis Ostallgäu, Inzidenz am Montag: 58,8.

    Kreis Ostallgäu. Inzidenz am Montag: 58,8
    Kreis Ostallgäu. Inzidenz am Montag: 58,8 Foto: Manuela Frieß (Archivbild)

    Ob Sylvia Shahidi strahlt, kann man hinter ihrer Maske nicht sehen. Aber ihre Augen leuchten. Vermutlich wegen des leuchtend pinken Oberteils, das sie gerade im Textilhaus Stammel in Buchloe anprobiert. "Ich habe das Shoppengehen einfach vermisst", sagt sie. Und dass sie Spaß daran habe, zu schauen, was es so Neues in den Läden gebe. "Auch die Verkäuferinnen habe ich vermisst", sagt sie. Ein schönes Kompliment auch für Diana Braun, die den Einkauf leitet. Sie wird immer wieder gerufen: "Die Kolleginnen sind nach der langen Kurzarbeit ein bisschen eingerostet, und die Abläufe sind alle neu", meint sie. Wie in vielen Geschäften ist der große Öffnungsansturm ausgeblieben.

    "Der größte Blödsinn, den ich je gehört habe" - der Stufenplan sorgt für Ärger.
    "Der größte Blödsinn, den ich je gehört habe" - der Stufenplan sorgt für Ärger. Foto: Alexander Kaya

    Sind die Corona-Regeln Schikane?

    Dafür glaubt Hilde Kunkel, reichlich angesäuert, eine Erklärung zu haben. "Der größte Blödsinn, den ich je gehört habe", schimpft die Verkäuferin der Schuh-Mann-Filiale in Buchloe über den Stufenplan zur Lockerung der Corona-Beschränkungen. Alle seien verunsichert, welche Regeln gelten, das sei eh alles Schikane. Und während sie so schimpft, klebt sie ein Plakat mit den neuen Regeln an die Ladentür. Drinnen stapeln sich noch die Winterschuhe.

    Überraschendes hat Bernd Ohlmann, Sprecher des Handelsverbandes Bayern, am Montag mitzuteilen. Lediglich in 30 der 96 Kreise und kreisfreien Städte Bayerns habe der Handel am Montag geöffnet, sagt er – auch unabhängig von den neuen Regeln. Wegen Inzidenzen von 50 und mehr öffneten ihm zufolge Läden in sämtlichen bayerischen Großstädten nicht. Ausgenommen Ingolstadt und Würzburg.

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