Der von der Bundesregierung geplante schnellere Ausstieg aus der Atomenergie könnte die Verbraucher nach Schätzung von Experten mehr kosten als bislang von der Koalition erklärt. Während Umweltminister Norbert Röttgen laut Unionskreisen in den nächsten Jahrzehnten nur eine Verteuerung zwischen 0,1 bis 0,9 Cent pro Kilowattstunde erwarten soll, halten Experten bis zu 15 Prozent höhere Verbraucherpreise für möglich.
„Bei den zukünftigen Strompreisen gibt es langfristig nur eine Richtung, nämlich deutlich nach oben“, sagte der Energie-Experte des Wirtschaftsforschungsinstituts RWI, Manuel Frondel, unserer Zeitung. Er erwartet, dass sich die Energiewende der Regierung schon bald auf den Strompreis auswirken wird: „Wir haben gesehen, dass bereits durch das Atom-Moratorium der Bundesregierung mit dem Abschalten von sieben Meilern die Handelspreise an der Strombörse um gut zehn Prozent auf sechs Cent pro Kilowattstunde gestiegen sind“, sagt der Professor für Energieökonomik der Universität Bochum. Sind die stillgelegten Reaktoren dauerhaft vom Netz, bleibe der Börsenpreis in dieser Größenordnung.
„Es wird umso teurer, je stärker und schneller wir aussteigen“, sagt Frondel. Denn der geplante Umstieg vor allem auf mehr Windkraft verteuere den Strompreis durch die sogenannte EEG-Umlage des Eneuerbare-Energien-Gesetzes. Bereits in diesem Jahr sei die EEG-Umlage von 2,1 auf 3,5 Cent pro Kilowattstunde gestiegen. Zwar sei ein so kräftiger künftiger Anstieg unwahrscheinlich, aber „nach unseren Schätzungen wird die EEG-Umlage bis 2015 mindestens um ein bis 1,5 Cent pro Kilowattstunde steigen, aber vermutlich noch mehr“.
Da die Atomkraft von den reinen Betriebskosten her betrachtet derzeit die günstigste Form der Energiegewinnung sei, verursache ein Ersatz Mehrkosten. Denn Kraftwerke mit Kohle und vor allem Gas arbeiten wesentlich teurer: „Wenn man aus Klimaschutzgründen auch noch auf Kohlekraftwerke verzichten würde und den Strombedarf nur noch mit erneuerbaren Energien und Gas decken will, kämen wir auf ein Börsenpreisniveau von neun bis zehn Cent pro Kilowattstunde.“ Dies würde vermutlich „die Industrie aus dem Land und die Verbraucher auf die Barrikaden treiben“, erklärt der Energieökonom.
Steigende Rohstoffpreise für Kohle und Gas erwartet
Der Analyst Tobias Federico von der Berliner Energieunternehmensberatung Energy Brainpool wertet täglich die Preise an der Leipziger Strombörse aus und erstellt Zukunftsszenarien: „Im ungünstigsten Szenario könnten die Verbraucherpreise um bis zu 15 Prozent steigen“, sagt Federico. Bliebe es bei den jetzigen Kursen an der Strombörse, müssten sich die Verbraucher beim Endpreis auf eine Erhöhung von drei Prozent einstellen. Der Umstieg auf mehr Kohle- und Gaskraftwerke werde jedoch mittelfristig die entsprechenden Rohstoffpreise ansteigen lassen.