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Energie: „Eine Revolution“

Energie

„Eine Revolution“

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    Diesen Atomkraftgegnern, die sich gestern vor dem Bundestag aufgestellt haben, geht der Ausstieg nicht schnell genug. Sie kündigen den Abgeordneten an, dass ihr Protest an den Kernkraftwerken mit Restlaufzeit weitergehen wird.
    Diesen Atomkraftgegnern, die sich gestern vor dem Bundestag aufgestellt haben, geht der Ausstieg nicht schnell genug. Sie kündigen den Abgeordneten an, dass ihr Protest an den Kernkraftwerken mit Restlaufzeit weitergehen wird. Foto: Foto: dpa

    Berlin Mit Kleinigkeiten hält Norbert Röttgen sich nicht auf. Der Ausstieg aus der Atomenergie, den der Bundestag gleich absegnen wird, ist für ihn keine Frage von Strommengen, Einspeisevergütungen oder Trassenkilometern. Viel lieber als von den ungeklärten praktischen Folgen der Entscheidung redet der Umweltminister von ihrer historischen Dimension und dem nationalen Gemeinschaftswerk, das jetzt beginne. Kein Industrieland, sagt Röttgen zum Auftakt der Debatte, habe bisher eine solche technologische Revolution gewagt. Aber wenn ein Land es schaffen könne, das höre er im Ausland immer wieder, „dann sind es die Deutschen“.

    Nur die Linkspartei ist strikt dagegen

    Drei Stunden später ist der Ausstieg aus der Kernkraft beschlossene Sache. Mit einer breiten Mehrheit von 513 Stimmen macht der Bundestag den Weg frei für einen radikalen Kurswechsel in der Energiepolitik, 79 Parlamentarier stimmen dagegen, fast ausnahmslos aus der Linkspartei, acht weitere enthalten sich. Vielen Abgeordneten von Sozialdemokraten und Grünen allerdings geht es wie SPD-Chef Sigmar Gabriel: Sie fühlen sich einerseits bestätigt, weil die Koalition die erst im Herbst beschlossene Verlängerung der Reaktorlaufzeiten wieder zurückgenommen hat und der neue Ausstieg sich nur in den Details vom ursprünglichen rot-grünen Szenario unterscheidet. Aber einem Gesetz auf den Weg zu helfen, das ausgerechnet die früheren Atomparteien CDU, CSU und FDP vorgelegt haben – das kostet auch einen Mann wie Gabriel Überwindung, der sich in inhaltlichen Fragen bisher als bemerkenswert biegsam erwiesen hat.

    „Dieser Ausstieg ist unser Ausstieg“, sagt der SPD-Vorsitzende deshalb und dreht sich hinüber zur Regierungsbank: „Wir beschließen das aus voller Überzeugung, Sie dagegen aus Gründen des Machterhalts.“ Nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima hätten Union und FDP innerhalb weniger Wochen aus blankem Opportunismus eine komplette Kehrtwende eingeleitet und damit ein „energiepolitisches Waterloo“. Nicht nur deshalb, findet Gabriel, wäre es nur konsequent, wenn die Kanzlerin ihre Koalition jetzt auflösen würde: „Hören Sie einfach auf. Das wäre der beste Neustart für unser Land.“

    Renate Künast klingt nicht ganz so verbittert. Für sie gilt: Hauptsache, das Ergebnis stimmt. Letztlich sei es egal, ob die Koalition sich aus taktischen Motiven oder aus Überzeugung von der Kernkraft verabschiede, argumentiert sie. Wichtig sei vor allem eines: „Ein Rückwärts wird es nicht mehr geben.“ Nachdem sich die Grünen bei einem Sonderparteitag dazu durchgerungen haben, für den schwarz-gelben Ausstieg zu stimmen, kritisiert ihre Fraktionsvorsitzende nun nur noch einige Nebenaspekte wie den mangelnden Ehrgeiz beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Das Wort vom großen Konsens allerdings, findet

    Mit dem Beschluss vom Donnerstag schaltet Deutschland als erste große Industrienation alle Kernkraftwerke ab. Spätestens im Jahr 2022 werden danach die letzten drei Meiler vom Netz gehen. Natürlich koste dieser Schritt die Gesellschaft etwas, räumt Norbert Röttgen ein, der Umweltminister, der den Ausstieg mit der Herkulesaufgabe vergleicht, die Politik und Wirtschaft nach der Wiedervereinigung beim Aufbau Ostdeutschlands zu meistern hatten. Der Anstieg der Strompreise allerdings, den fast alle Experten jetzt erwarten, „wird keinen überfordern“. Nach mehr als drei Jahrzehnten, in denen Befürworter und Gegner der Kernenergie teilweise unversöhnlich gegenübergestanden hätten, sei dieser 30. Juni „ein guter Tag für

    Eine Debatte vor leeren Rängen

    Vielen Beteiligten allerdings scheint die historische Tragweite ihrer Entscheidung noch nicht ganz bewusst zu sein. Im Gegenteil. Schon während der Debatte bleiben unerwartet viele Plätze im Plenum frei, und als Bundestagsvizepräsident Eduard Oswald (CSU) kurz nach 13 Uhr das Ergebnis der namentlichen Abstimmung verkündet, sitzen noch weniger Abgeordnete auf ihren Plätzen. Der Rest ist schon auf dem Weg zum nächsten Termin, zurück im Büro – oder in der Kantine.

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