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Eklat: Pöbeleien unter Parteifreunden

Eklat

Pöbeleien unter Parteifreunden

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    "Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen." Das soll Kanzleramtsminister Pofalla zum CDU-Innenexperten Bosbach gesagt haben.
    "Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen." Das soll Kanzleramtsminister Pofalla zum CDU-Innenexperten Bosbach gesagt haben. Foto: dapd

    Ein Diplomat war er noch nie. Seine Vorgänger Thomas de Maizière und Frank-Walter Steinmeier haben das Kanzleramt so diskret, so effizient und so uneitel geführt, dass sich von den vielen kleinen Konflikten, die eine Koalition auszutragen hat, kaum einer zu einem handfesten Hauskrach auswachsen konnte. Bei Ronald Pofalla dagegen geht es hemdsärmliger zu – und auch deutlich derber im Ton. Die Liste der Parteifreunde, denen der 52-Jährige seine Meinung etwas zu unverblümt gesagt hat, ist jedenfalls lang und seit Kurzem auchum einenprominenten Namen reicher: Wolfgang Bosbach.

    "Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen", soll der Kanzleramtschef den Innenexperten der CDU bei einem Treffen nordrhein-westfälischer Abgeordneter angeraunzt haben, weil der aus seinen Bedenken keinen Hehl macht und am Donnerstag im Bundestag auch gegen die Ausweitung des Rettungsschirmes für den Euro gestimmt hat. Als Bosbach dem wütenden Kollegen daraufhin empfahl, doch einen Blick ins Grundgesetz zu werfen, nämlich auf die Passage vom freien Abgeordneten, der alleine seinem Gewissen verpflichtet ist, war Pofalla offenbar endgültig bedient: "Lass mich mit so einer Scheiße in Ruhe." Teilnehmer der abendlichen Runde erinnern sich nach übereinstimmenden Medienberichten auch an einen weiteren Vorwurf: "Du machst mit deiner Scheiße alle Leute verrückt."

    Pofalla entschuldigte sich bereits

    Da der Kanzleramtschef all das nicht dementiert und sich mittlerweile für den Eklat entschuldigt hat, sind die drei Sätze vermutlich tatsächlich so gefallen. Für ihn sei die Angelegenheit mit Pofallas Anruf und der für die kommende Woche vereinbarten Aussprache erledigt, sagt Bosbach. In der Koalition allerdings kehrt deshalb noch lange nicht jene geschäftsmäßige Ruhe ein, die sich Bundeskanzlerin Angela Merkel nach der Euro-Entscheidung vielleicht erhofft hat. CSU-Chef Horst Seehofer lässt dezente Sympathie für die Abweichler in den eigenen Reihen erkennen, Verkehrsminister Peter Ramsauer kämpft vor dem Parteitag am Wochenende mit Euro-skeptischen Interviews um seinen Posten als stellvertretender Vorsitzender – und die FDP meldet öffentlich Zweifel an Pofallas Kompetenz an. Mit Ausrastern wie zuletzt, klagt der Aichacher Abgeordnete Erwin Lotter, vergifte der frühere CDU-Generalsekretär nicht nur das Klima in seiner Fraktion, sondern in der gesamten Koalition. "Das stellt seine Eignung als Kanzleramtsminister infrage."

    Als Maschinist der Macht hatte der Rechtsanwalt von Anfang an einen schweren Stand. Der verpatzte Start der Koalition nach der Wahl im Herbst 2009 wurde intern auch immer wieder ihm angelastet: Er denke zu parteipolitisch, hieß es, er suche Konflikte, anstatt sie beizulegen, und sei mit komplizierten Themen schnell überfordert. Dazu kamen Zwischenfälle wie der bei der Klausur des Kabinetts, als Pofalla dem damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg vorgeworfen haben soll, er führe sich im Streit um die Wehrpflicht auf "wie Rumpelstilzchen". Vor der Wahl war er bereits mit dem damaligen FDP-Generalsekretär Dirk Niebel aneinandergeraten, den er bei einer Diskussion des DGB niedergebrüllt hatte, als handle es sich um den Klassenfeind und nicht um einen potenziellen Koalitionspartner. Im Internet ist das Video des Auftritts noch heute ein Renner.

    Ob der Druck, unter dem Merkel und ihr Amtschef stehen, sich nur ein Ventil gesucht hat oder ob Pofalla sich bewusst Bosbach vorgenommen hat, ist unklar. Der Vorsitzende des Innenausschusses gehört nicht zu den notorischen Nörglern, sondern gilt als ebenso loyaler wie tüchtiger Abgeordneter. Umso mehr dürfte es Pofalla geärgert haben, dass ausgerechnet er die Front des Widerstandes angeführt hat.

    Den Vorwurf, dass die Skeptiker in den eigenen Reihen regelrecht gemobbt wurden, weist die stellvertretende CDU-Vorsitzende Ursula von der Leyen zwar zurück. Bosbach aber ist dennoch ins Grübeln gekommen. Ein paar Wochen, sagt er, könne man einen solchen Konflikt aushalten, aber nicht ein paar Jahre. Ob er zur Wahl 2013 noch einmal antritt, lässt er deshalb offen. Nach den jüngsten Erfahrungen sei er sich nicht mehr so sicher. "Ich will nicht immer wieder in die Situation "Einer gegen alle" geraten."

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