Außenpolitisch trat der Bundespräsident am Donnerstag beim zentralen Festakt in Stuttgart für mehr Selbstbewusstsein Deutschlands ein, innenpolitisch verlangte er Antworten auf den demografischen Wandel und die Digitalisierung. An den zweitägigen Feiern unter dem Motto "Zusammen einzigartig" nahmen zehntausende Menschen teil.
Gauck: Deutschland ist keine Insel
Die zentrale Feier fand in Stuttgart statt, weil Baden-Württemberg derzeit den Vorsitz des Bundesrats innehat. In der Hauptrede zur Feier sagte Gauck zu den außenpolitischen Herausforderungen der künftigen Bundesregierung, "unser Land ist keine Insel. Wir sollten uns nicht der Illusion hingeben, wir könnten verschont bleiben von den politischen und ökonomischen, den ökologischen und militärischen Konflikten, wenn wir uns an deren Lösung nicht beteiligen".
Gauck wies auf die wachsenden Anforderungen aus dem Ausland an Deutschland hin. Da Deutschland einen ständigen Platz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen anstrebe, müsse es sich auch fragen, welche Rolle es bereit sei, bei Krisen in ferneren Weltregionen zu spielen. "Ich mag mir nicht vorstellen, dass Deutschland sich groß macht, um andere zu bevormunden. Ich mag mir aber genau so wenig vorstellen, dass Deutschland sich klein macht, um Risiken und Solidarität zu umgehen."
ZBildung ein Bürgerrecht
Zu dieser außenpolitischen Herausforderung skizzierte Gauck zwei innenpolitische Aufgaben der kommenden Regierung. Bei der demografischen Entwicklung - also der zunehmenden Alterung der Gesellschaft - gehe es darum, wie Deutschland Lebenschancen und Zusammenhalt bewahre. Die Geringqualifizierten müssten gefördert und in die Gesellschaft eingebunden werden. Bildung sei für ihn "ein Bürgerrecht und ein Gebot der Demokratie".
Vor dem Hintergrund der NSA-Spähaffäre forderte er eine grundlegende Neubewertung des Datenschutzes. "So sollte der Datenschutz für den Erhalt der Privatsphäre so wichtig werden wie Umweltschutz für den Erhalt der Lebensgrundlagen." Es müssten angesichts der epochalen Bedeutung der Digitalisierung politische und gesellschaftliche, ethische und praktische Lösungen gesucht werden. Auch seien Regelungen für den Arbeitsmarkt nötig, um den allzeit verfügbaren Menschen nicht zum "digitalen Untertan" zu machen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wies am Rande des Festakts auf die noch ungelösten Probleme bei der Wiedervereinigung von West- und Ostdeutschland hin. "Die Arbeitslosigkeit ist höher und die Gehälter sind noch niedriger in den neuen Bundesländern, also wir haben noch einiges zu tun."
Der Gastgeber der Feiern, der Bundesratspräsident und baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), forderte eine dritte Föderalismusreform, bei der auch die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern neu geordnet werden könnten. "Lassen Sie uns dabei das zu beackernde Feld nicht zu eng und kleinmütig abstecken", sagte Kretschmann. Die föderale Ordnung müsse immer wieder neu bestätigt werden.
Neben dem Festakt beging Stuttgart den Einheitsfeiertag mit einem Bürgerfest in der Innenstadt. Allein am Mittwoch kamen mehrere zehntausend Menschen zum Auftakt, auch am Donnerstag besuchten wieder zehntausende Menschen die Feiern in der Landeshauptstadt. Eine genaue Bilanz der Polizei stand zunächst noch aus.
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