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Ein Jahr nach NSU-Mordserie: Verfassungsschutzchef Maaßen für zentrales V-Leute-Register

Ein Jahr nach NSU-Mordserie

Verfassungsschutzchef Maaßen für zentrales V-Leute-Register

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    Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, will V-Leute in einem zentralen Register erfassen.
    Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, will V-Leute in einem zentralen Register erfassen. Foto: dpa

    Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, will V-Leute in einem zentralen Register erfassen. "Ein zentrales Wissen ist unabdingbar, um die jeweiligen V-Leute des Bundes und der Landesbehörden für Verfassungsschutz wirksam steuern zu können", sagte er der "Welt am Sonntag". Das Bundesamt in Köln habe bereits klare Regeln und Kontrollinstrumente. Im Zuge der Reform des Verfassungsschutzes werde nun überlegt, "wie diese Instrumente geschärft beziehungsweise auf den gesamten Verfassungsschutzverbund übertragen werden können".

    Verzicht auf V-Leute unmöglich

    Ein Verzicht des Verfassungsschutzes auf Verbindungsleute ist aus Maaßens Sicht nicht möglich. "Menschliche Quellen sind und bleiben unverzichtbar, um Erkenntnisse über innere Strukturen und Planungen verfassungsfeindlicher Bestrebungen zu erlangen." Nur durch den Einsatz von V-Leuten könne der Verfassungsschutz "Einblicke in extremistische Milieus" gewinnen. "Insbesondere dann, wenn andere Mittel zur Informationsgewinnung nicht ausreichend sind", sagte Maaßen.

    Das Neonazi-Trio und seine mutmaßlichen Helfer

    UWE MUNDLOS: Der Professorensohn gilt als intellektueller Kopf der Terrorzelle. Am 4. November tötete sich der 38-Jährige selbst in einem Wohnmobil.

    UWE BÖHNHARDT: Der 34-Jährige soll ein Waffennarr gewesen sein, der schnell und gerne zuschlug. Auch er wurde am 4. November tot in dem ausgebrannten Wohnmobil gefunden, wohl von Mundlos erschossen.

    BEATE ZSCHÄPE: Die 37-Jährige ist als Mittäterin wegen Mordes angeklagt. Sie stammt aus zerrütteten Verhältnissen. Aufgefallen ist die erstmal als 17-Jährige bei mehreren Ladendiebstählen. In einem Jugendclub im Jenaer Plattenbaugebiet Winzerla lernte sie Uwe Mundlos kennen. Mit Uwe Böhnhardt hatte sie später eine Beziehung. Nachdem sie am 4. November 2011 die konspirative Wohnung der Gruppe in die Luft gesprengt hatte, fuhr Zschäpe tagelang mit der Bahn tagelang kreuz und quer durch Deutschland, bevor sie sich der Polizei stellte.

    RALF WOHLLEBEN: Der ehemalige NPD-Funktionär sitzt seit dem 29. November 2011 in Untersuchungshaft. Er soll dem Terrortrio 1998 beim Untertauchen finanziell geholfen, ihnen Geld und auch die spätere Tatwaffe zukommen lassen haben. Der 37-jährige Fachinformatiker ist inzwischen zwar nicht mehr NPD-Mitglied. Dass er noch als NPD-Funktionär die NSU unterstützt hat, gilt aber als wichtiges Argument für ein mögliches neues NPD-Verbotsverfahren.

    HOLGER G.: Der am 14. Mai 1974 in Jena geborene G. war der erste mutmaßliche NSU-Helfer, den die Polizei festnahm. G. soll seit Ende der 90er Jahre Kontakt mit dem aus Thüringen stammenden Trio gehabt haben. Den Dreien soll er seinen Führerschein, eine Krankenversichertenkarte und noch im Jahr 2011 einen Reisepass überlassen haben. So soll er ihnen ermöglicht haben, weiterhin verborgen zu agieren und rechtsextreme Gewalttaten zu verüben.

    CARSTEN S.: Der 32-Jährige soll zusammen mit Ralf Wohlleben die Tatwaffe zu den Morden beschafft haben. Nachdem S. umfassend ausgepackt hatte, ließ ihn die Bundesanwaltschaft im Mai nach viermonatiger Untersuchungshaft wieder frei. S. sagte sich nach Auffassung der Ermittler glaubhaft vom Rechtsextremismus los. Außerdem war er zur Tatzeit erst 19 Jahre alt, ihm könnte nach dem milderen Jugendstrafrecht der Prozess gemacht werden.

    ANDRE E.: Dem aus Sachsen stammenden 33-Jährigen wirft die Bundesanwaltschaft Beihilfe zum Sprengstoffanschlag des NSU in der Kölner Altstadt vor. E. soll eine enge Bindung zu dem Trio unterhalten haben. Im Jahr 2006 gab er Zschäpe als seine Ehefrau aus. Er soll den Wohnort der Drei verschleiert haben und ihnen seit dem Jahr 2009 Bahncards beschafft haben. Diese waren auf ihn und seine Frau ausgestellt, jedoch mit den Fotos von Zschäpe und Uwe Böhnhardt versehen.

    Die Linke-Abgeordnete Petra Pau warf Maaßen vor, er wolle "einen Inlandsgeheimdienst alten Stils mit mehr Zentralkompetenz". Aber der Verfassungsschutz samt V-Leute-Praxis habe versagt, gerade auch im Skandal um die Mordserie der rechtsextremen Terrorzelle NSU. "V-Leute sind keine netten Informanten, sondern vom Staat gekaufte Spitzel und bezahlte Täter. Die Vernunft gebietet: nicht registrieren, sondern abschalten."

    Auch Bosbach für zentrales V-Leute-Register

    Wie Maaßen plädierte auch der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestags, Wolfgang Bosbach, für ein zentrales V-Leute-Register. Zur Zeit müsse der Bund den Ländern melden, wo V-Leute geführt würden - aber umgekehrt bestehe diese Meldepflicht nicht für die Länder an den Bund, sagte der CDU-Politiker dem RBB-Inforadio. Somit wisse die größte Verfassungsschutzbehörde der Bundesrepublik nicht, welche V-Leute für die Länder tätig seien. Dies sei eine kuriose Lage. "Hier brauchen wir nicht unbedingt die Klarnamen der V-Leute. Aber wir müssten doch wenigstens wissen, wo und in welcher Funktion diese Rechtsextremisten tätig sind", sagte Bosbach. dpa/AZ

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