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Vordenker der Ostpolitik: Egon Bahr ist tot

Vordenker der Ostpolitik

Egon Bahr ist tot

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    Egon Bahr ist tot. Der Politiker erfand vor 50 Jahren die Formel, die zur Basis der deutschen Ostpolitik wurde.
    Egon Bahr ist tot. Der Politiker erfand vor 50 Jahren die Formel, die zur Basis der deutschen Ostpolitik wurde. Foto: dpa/Archiv

    Es geschah 1963, auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges, zwei Jahre nach dem Bau der Berliner Mauer und im Jahr der Kuba-Krise. Da plädierte in der Evangelischen Akademie in Tutzing der kaum bekannte Leiter des Presse- und Informationsamtes von Westberlin namens Egon Bahr für eine völlig neue Politik gegenüber der DDR und dem Ostblock, die er griffig auf die Formel "Wandel durch Annäherung" brachte.

    Sechs Jahre später, nach dem Wahlsieg Willy Brandts und der Bildung der SPD/FDP-Koalition in Bonn, begann Egon Bahr als Staatssekretär im Bundeskanzleramt diese Formel mit Leben zu erfüllen. Das Ergebnis waren nicht nur der "Moskauer Vertrag" als Basis für alle weiteren Ostverträge, sondern auch der Grundlagenvertrag zwischen der Bundesrepublik und der DDR sowie der deutsch-polnische Vertrag.

    Das war Egon Bahr

    Egon Bahr wurde 1922 in Thüringen geboren. Als Soldat im Zweiten Weltkrieg wurde er unehrenhaft entlassen, weil er seine jüdische Großmutter verschwiegen hatte.

    In den 60er Jahren arbeitete er als Pressesprecher für Willy Brandt, den Regierenden Bürgermeister von Berlin. Als dieser Kanzler wurde, folgte er ihm nach Bonn.

    1963 stellt Egon Bahr das Konzept „Wandel durch Annäherung“ vor. 1966 Brandt wird Außenminister, Bahr geht als Sonderbotschafter ins Auswärtige Amt.

    Bahr arbeitet 1969 im Kanzleramt dem ersten SPD-Kanzler Brandt zu. Mit Moskau und Warschau verhandelt er über Verträge zu einem Gewaltverzicht und einer Normalisierung der Beziehungen.

    1972 Bahr wird Bundesminister für besondere Aufgaben und setzt Brandts neue Ost- und Deutschlandpolitik fort. 1974 tritt Willy Brandt zurück. Bahr wird Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit.

    Nach der politischen Karriere lehrte Egon Bahr als Honorarprofessor an der Uni Hamburg. Privat hat Bahr drei Kinder.

    2011 heiratete Egon Bahr das zweite Mal.

    Egon Bahr starb im August 2015. Er wurde 93 Jahre alt.

    Der gelernte Industriekaufmann und Journalist Egon Bahr, der am 18. März 1922 in Treffurt (Thüringen) geboren wurde, hatte stets nur ein Ziel vor Augen: die Teilung Berlins und Deutschlands unter Anerkennung der Nachkriegsrealitäten zu lindern und langfristig zu überwinden. Nachdem ihn Willy Brandt, damals Regierender Bürgermeister von (West-)Berlin, 1960 zu seinem Sprecher berufen hatte, begann er, unter Umgehung aller offiziellen Kanäle diskrete Fäden in die Botschaft der Sowjetunion in Ostberlin zu spinnen. Doch noch war die Zeit für den Wandel durch Annäherung nicht reif. Der Mauerbau 1961 zementierte die Teilung, der Ost-West-Konflikt schien unüberwindbar. Doch Ende der 60er Jahre war Entspannung angesagt. Im Westen wie im Osten war die Erkenntnis gereift, dass die Politik der Konfrontation und der Blockade in eine Sackgasse geführt hatte. Nach dem Machtwechsel in Bonn griff Bahr auf seine Kontakte von einst zurück. Es begann jene Geheimdiplomatie zwischen Bonn, Berlin und Moskau, die in den Augen der damaligen CDU/CSU-Opposition im Bundestag "Verrat" darstellte. Die weit reichenden Verträge mit

    1990 schied Egon Bahr aus dem Bundestag aus

    Als Willy Brandt 1974 zurücktrat, verlor Bahr seinen Förderer. Er war noch einige Jahre Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und SPD-Bundesgeschäftsführer, zudem von 1984 bis 1994 Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik in Hamburg. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 schied er aus dem Bundestag aus. Im selbstkritischen Blick zurück räumt er ein, dass er zu sehr die Nähe zu den Machthabern gesucht und die Dynamik der Bürgerrechtsbewegung in der DDR unterschätzt habe. Auch seine Idee von separaten Friedensverträgen mit beiden deutschen Staaten, die er 1988 äußerte, wurde nur wenig später von der Geschichte überrollt.

    Egon Bahr starb in der Nacht zum Donnerstag im Alter von 93 Jahren. 

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