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Edathy-Affäre: Sebastian Edathy: "Ich bin in Deutschland verbrannt"

Edathy-Affäre

Sebastian Edathy: "Ich bin in Deutschland verbrannt"

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    Vor der Presse zeigte sich der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy selbstbewusst und verbittert zugleich. Er wisse nicht, wie es mit seinem Leben weitergehen soll.
    Vor der Presse zeigte sich der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy selbstbewusst und verbittert zugleich. Er wisse nicht, wie es mit seinem Leben weitergehen soll. Foto: Maurizio Gambarini dpa

    Sebastian Edathy äußerte sich heute in der Bundespressekoferenz zu den Vorwürfen, die gegen ihn in der sogenannten Kinderpornografie-Affäre erhoben werden. Edathy versuchte sich zu rechtfertigen und erhob selbst schwere Vorwürfe gegen die eigenen Parteifreunde.

    Edathy erhebt Vorwürfe gegen SPD-Spitze

    Ex-SPD-Abgeordnete Edathy beklagte sich am Donnerstag bei seinem Auftritt vor der Presse in Berlin darüber, dass ihn die SPD-Spitze nach Bekanntwerden der Kinderporno-Vorwürfe zum Mandatsverzicht bewegen wollte. Gewarnt worden sei er von der Parteiführung aber nicht. Informiert worden sei er vom Michael Hartmann, bekräftige Edathy. Er habe von Hartmann erfahren, dass Fraktionschef Thomas Oppermann, Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sowie Parteichef Sigmar Gabriel über die Angelegenheit im Bilde gewesen seien, sagte Edathy weiter. Oppermann habe Hartmann "instrumentalisiert", um ihn - Edathy - zum Mandatsverzicht zu bewegen.

    Sebastian Edathy bekräftigte seine Darstellung, dass ihn Hartmann am Rande des Leipziger Parteitages Mitte November 2013 über Erkenntnisse informiert habe, die das Bundeskriminalamt (BKA) über ihn hatte. Edathy äußerte die Auffassung, der damalige BKA-Chef Jörg Ziercke habe Hartmann eingeschaltet, damit dieser, ihn - Edathy - informiere.

    Chronologie: Die Affäre Edathy

    2012: Die kanadische Polizei informiert das Bundeskriminalamt über deutsche Kunden eines kanadischen Online-Shops, der auch Kinderpornografie vertreibt. Im Oktober 2012 gibt das BKA die Daten zur Auswertung an die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt.

    Oktober 2013: BKA-Chef Jörg Ziercke informiert den Staatssekretär des damaligen Innenministers Hans-Peter Friedrich (CSU). Der sagt SPD-Chef Gabriel, dass im Rahmen von Ermittlungen im Ausland der Name Edathy aufgetaucht sei. Gabriel erzählt Fraktionschef Steinmeier davon.

    5. November 2013: Der Leiter der Staatsanwaltschaft Hannover, Jörg Fröhlich, erfährt in einem Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft Celle erstmals von dem Verdacht.

    Anfang Januar 2014: Edathy meldet seiner Fraktion seine Krankschreibung. Ende November 2013 hatte der innenpolitische SPD-Fraktionssprecher Michael Hartmann Oppermann bereits darüber informiert, dass Edathy gesundheitliche Probleme habe.

    22. Januar 2014: Edathys Anwalt sucht das Gespräch mit Oberstaatsanwalt Thomas Klinge. Dabei wiederholt er, was sein Mandant gerüchteweise gehört habe. "Die Filme seien allerdings nicht pornografisch gewesen, Herr Edathy besitze sie auch nicht mehr", sagt der Anwalt nach Darstellung Jörg Fröhlichs.

    28. Januar 2014: Die Staatsanwaltschaft entscheidet, Ermittlungen einzuleiten, die zunächst verdeckt laufen.

    7. Februar 2014: Edathy legt nach 15 Jahren sein Bundestagsmandat nieder. Als Motiv nennt er gesundheitliche Gründe.

    10. Februar 2014: Die Staatsanwaltschaft Hannover lässt Edathys Wohnungen im niedersächsischen Rehburg und in Berlin sowie Büros durchsuchen. Offenbar stoßen sie dabei nur auf wenig Material.

    11. Februar 2014: Edathy weist in einer Erklärung den Verdacht auf Besitz von Kinderpornografie zurück. Einen Tag später erhebt er Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft: Die Razzien in seinen Wohnungen und Büros seien unverhältnismäßig und widersprächen rechtsstaatlichen Grundsätzen.

    13. Februar 2014: SPD-Fraktionschef Oppermann gibt bekannt, dass Sigmar Gabriel bereits im Oktober vom damaligen Innenminister Friedrich über mögliche Ermittlungen gegen Edathy informiert worden sei.

    14. Februar 2014: Der Leiter der Staatsanwaltschaft Hannover, Fröhlich, gibt Einzelheiten zu den Ermittlungen bekannt. Danach geht es um den Kauf von Bildern mit nackten Jungen zwischen neun und 13 Jahren. Das liege im Grenzbereich zur Kinderpornografie, so Fröhlich. Zu dem Tipp von Friedrich an Gabriel sagt er: "Wir sind fassungslos."

    14. Februar 2014: Friedrich erklärt, er wolle im Amt bleiben, bis über ein Ermittlungsverfahren entschieden ist. Nur wenige Stunden später tritt er als Agrarminister zurück.

    18. Februar 2014: Die Staatsanwaltschaft Hannover leitet ein Verfahren gegen unbekannt wegen des Verdachts auf Geheimnisverrats ein. Ein Behörden-Brief kam unverschlossen sechs Tage nach Versand an. Er sollte den Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) über den Fall Edathy informieren. Es ist bekannt, dass sich ein Anwalt Edathys schon im November nach möglichen Ermittlungen erkundigt hat.

    24. Februar 2014: Gegen Edathy wird ein SPD-Parteiordnungsverfahren eingeleitet.

    2. Mai 2014: Es wird vom Landeskriminalamt Niedersachsen berichtet, dass sich Edathy strafbares kinderpornografisches Material über seinen Bundestag-Laptop beschafft habe. Die Staatsanwaltschaft schweigt.

    17. Juli 2014: Die Staatsanwaltschaft Hannover klagt den früheren SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy wegen des Besitzes von kinderpornografischen Fotos und Videos an.

    29. August 2014: Edathy scheitert mit seiner Beschwerde wegen der Durchsuchung seiner Wohnung und seines Abgeordnetenbüros beim Bundesverfassungsgericht.

    18. November 2014: Das Gericht lässt die Anklage gegen Edathy zur Hauptverhandlung zu.

    23. Februar 2015: Am Landgericht Verden startet der Prozess gegen Edathy. Er endet nach nur rund 90 Minuten. Staatsanwaltschaft und Verteidigung wollen bis zur nächsten Sitzung erneut über eine Einstellung sprechen.

    2. März 2015: Das Gericht stellt das Verfahren ein. Zuvor hat Edathy eine Erklärung verlesen lassen, in der er die Anklagevorwürfe einräumt. Zwar muss er 5000 Euro zahlen, aber er ist nicht vorbestraft.

    1. Juni 2015: Edathy muss seine SPD-Mitgliedschaft drei Jahre ruhen lassen. Das entscheidet das Schiedsgericht des SPD-Bezirks Hannover. Für einen von der Parteispitze beantragten Parteiausschluss sieht das Gremium keine ausreichende Grundlage.

    Hartmann habe ihm Ende Januar zudem gesagt, er habe aus BKA-Kreisen erfahren, dass die Staatsanwaltschaft Hannover ein Ermittlungsverfahren gegen ihn einleiten wolle. Schließlich habe er sich entschieden, im Februar sein Mandat niederzulegen.

    Sebastian Edathy zu Knaben-Fotos: "Es war falsch, diese Bilder zu bestellen"

    Edathy bekräftigte seine Haltung, dass er sich mit der Bestellung von Knaben-Aufnahmen bei einem kanadischen Anbieter nicht strafbar gemacht habe. Auch das BKA stufe die von ihm erworbenen Bilder nicht als strafbar ein. "Es war falsch, diese Bilder zu bestellen, aber es war legal." Das sei aber nichts gewesen, "was etwas mit Kinderpornografie zu tun haben könnte", sagte er zu diesem Material, ohne Einzelheiten zu nennen. Er fügte hinzu: "Ich habe einen hohen Preis bezahlt für das, was ich gemacht habe."

    Edathy äußerte die Hoffnung, dass der vor dem Landgericht Verden anstehende Kinderporno-Prozess gegen eine Geldzahlung eingestellt werden könnte. Bei dem

    Edathy weiß nicht, wie es mit seinem Leben weitergeht

    Edathy räumte ein, viele Menschen enttäuscht zu haben, die ihm lange vertraut hätten. "Das tut mir aufrichtig leid." Bei der zweistündigen Pressekonferenz zeigte sich Edathy selbstbewusst, aber auch verbittert : "Ich bin in Deutschland verbrannt", sagte er. "Ich weiß nicht, wie das weitergeht mit meinem Leben." Auf die Frage eines Journalisten, wo er derzeit lebe, erwiderte er gereizt: "Wo ich mich aufhalte, geht Sie mit Verlaub einen feuchten Kehricht an."

    Am Nachmittag werden sowohl Edathy als auch Hartmann vor dem Bundestags-Untersuchungsausschuss Rede und Antwort stehen. Hartmann bestreitet Edathys Darstellung. Er habe zwar mit Edathy über die Angelegenheit gesprochen, dabei aber keineswegs Informationen des Bundeskriminalamtes weitergegeben. Im Januar soll auch Oppermann vor dem Ausschuss aussagen, wie dessen Vorsitzende Eva Högl (SPD) am Donnerstag ankündigte. afp/AZ

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