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Großbritannien: EU stimmt Brexit-Aufschub zu - doch das Zittern geht weiter

Großbritannien

EU stimmt Brexit-Aufschub zu - doch das Zittern geht weiter

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    Theresa May, Premierministerin von Großbritannien, beim Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs.
    Theresa May, Premierministerin von Großbritannien, beim Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs. Foto: Aris Oikonomou, afp

    Am Ende schienen alle fast gelöst. "Es war ein sehr intensiver, aber auch sehr erfolgreicher Abend", sagte Kanzlerin Angela Merkel zufrieden. Und EU-Ratschef Donald Tusk riss sogar einen seiner berüchtigten Witze. Vor Wochen hatte er von einem "besonderen Platz in der Hölle" für Brexit-Verfechter ohne Plan gesprochen. Nun scherzte Tusk: "Unserem Papst zufolge ist die Hölle immer noch leer und das bedeutet, dass es noch viel Platz gibt." 

    Chaos-Brexit erstmal abgewendet

    Es war das Finale einer mehr als achtstündigen Debatte beim EU-Gipfel darüber, wie ein chaotischer Austritt Großbritanniens am 29. März noch verhindert werden könnte. Und tatsächlich fanden die 27 bleibenden EU-Länder einen Weg. Der Gipfel-Beschluss selbst ist geradezu ein Paradebeispiel aus der europäischen Kompromissschmiede: komplex, ausgebufft und undurchdringlich. Gelöst ist das Grundsatzproblem damit allerdings nicht.

    So geht die Zitterpartie in den nächsten Wochen weiter:

    • Am Freitag nächster Woche, dem ursprünglich geplanten Austrittsdatum 29. März, passiert zunächst einmal nichts - der Brexit ist aufgeschoben.
    • Der EU-Austritt wird bis zum 22. Mai verschoben, aber nur, wenn das britische Unterhaus nächste Woche dem bereits zweimal abgelehnten Brexit-Vertrag mit der EU doch noch zustimmt.
    • Gelingt dies nicht, gilt die Verlängerung nur bis 12. April. Vorher könnte Großbritannien noch neue Vorschläge machen - oder doch noch ohne Vertrag aus dem Staatenbund ausscheiden.
    Noch gehört sie dazu: Die britische Premierministerin Theresa May (M.) im Gespräch mit der litauischen Präsidentin Dalia Grybauskaite und Mark Rutte (r.), Ministerpräsident der Niederlande.
    Noch gehört sie dazu: Die britische Premierministerin Theresa May (M.) im Gespräch mit der litauischen Präsidentin Dalia Grybauskaite und Mark Rutte (r.), Ministerpräsident der Niederlande. Foto: Frank Augstein/AP (dpa)

    Hintergrund der in mühsamen und stundenlangen Debatten ausgehandelten Formel ist die Sorge um einen ordentlichen Ablauf der Europawahl vom 23. bis 26. Mai. Wäre Großbritannien zu dem Zeitpunkt noch Mitglied, müsste das Land sich an der Wahl beteiligen. Der 22. Mai ist der letzte Tag vor der Wahl. Wird der EU-Austrittsvertrag rechtzeitig beschlossen und ratifiziert, kann Großbritannien geregelt ausscheiden. Andernfalls könnte sich das Land bis zum 12. April entscheiden, ob es an der

    EU-Diplomaten frohlockten anschließend, damit liege der Ball wieder bei den Briten - oder besser: die Last der Entscheidung. Gleichzeitig hieß es aber auch, keiner der 27 Staats- und Regierungschefs im Raum habe große Hoffnung gehabt, dass das britische Unterhaus den Brexit-Vertrag tatsächlich noch annimmt. Und das heißt: Das Drama könnte sich in etwa drei Wochen bei einem EU-Sondergipfel wiederholen.

    Brexit: Theresa May hatte die EU um Aufschub gebeten

    Die britische Premierministerin Theresa May hatte die EU am Mittwoch um einen Aufschub bis zum 30. Juni gebeten. Zähneknirschend musste die Regierungschefin in einem Brief an Tusk am Mittwoch einräumen, dass das britische Parlament den über eineinhalb Jahre ausgefeilten Brexit-Vertrag immer noch nicht gebilligt hat. Und das trotz der Nachverhandlungen mit der EU Anfang vergangener Woche. Genaugenommen hat das Haus schon zwei Mal mit großer Mehrheit Nein gesagt.

    Die harten Brexit-Befürworter in Mays eigener Konservativer Partei lehnen den Deal ab, weil sie eine zu enge Bindung an die EU fürchten. Die Labour-Opposition ist dagegen, weil ihr die Bindung nicht eng genug ist. Und die nordirische DUP, auf deren Stimmen Mays Minderheitsregierung angewiesen ist, blockiert aus Furcht vor einem Sonderstatus für Nordirland. Zeitdruck und Angst vor einer ungewissen Zukunft des Brexits sollen die Mehrheitsverhältnisse doch noch in Bewegung bringen - so hoffen May und die EU seltsam einmütig.

    Bundeskanzlerin Angela Merkel vor Journalisten bei ihrer Ankunft zum Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel vor Journalisten bei ihrer Ankunft zum Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs. Foto: Frank Augstein, dpa

    Und wenn das nicht klappt? Mit der Frist 12. April bliebe noch etwas Spielraum - wenn die Briten dies wollen und neue Vorschläge machen. Um den Sturz über die Klippe zu stoppen, könnte man vielleicht in letzter Sekunde einen längeren Aufschub anbieten inklusive Teilnahme an der Europawahl. Tusk zeigte sich erleichtert, dass man nun noch mehrere Optionen zur Verfügung habe.

    Premierministerin May wiederholte allerdings, dass sie eine längere Mitgliedschaft und eine Teilnahme an den Europawahlen für falsch hält. Stattdessen setzt die konservative Regierungschefin unbeirrt auf ihren ursprünglichen Plan. "Die heutige Entscheidung unterstreicht die Bedeutung einer Verabschiedung des Brexit-Deals im Unterhaus nächste Woche, damit wir der Unsicherheit ein Ende setzen können und in ruhiger und geordneter Weise ausscheiden können", sagte May. Und dann noch einmal etwas weniger verklausuliert:  "Ich hoffe, wir sind uns alle einig, dass wir jetzt am Punkt der Entscheidung sind."  (dpa)

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