Kein EU-Bürger darf wegen seiner sexuellen Orientierung benachteiligt werden. Dieser Satz steht in der Charta der Menschenrechte und ist somit Bestandteil der EU-Verträge. Aber es gibt Ausnahmen: zum Beispiel, wenn ein Homosexueller Blut spenden will. Dass beides zusammenpasst, hat am Mittwoch der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg entschieden und zugleich Korrekturen gefordert, die auch Deutschland betreffen dürften.
Die meisten europäischen Staaten haben nach Skandalen in den 1990er Jahren ihre nationalen Vorschriften für Blutspenden gründlich überarbeitet. Damals waren in Deutschland über 1000 Patienten gestorben, weil sie mit dem HI-Virus kontaminierte Blutkonserven erhalten hatten. Auf europäischer Ebene wurde eine entsprechende Richtlinie für den Umgang mit Blut sowie den Blutbestandteilen erlassen. Sie sieht vor, dass ein Spender in einem Fragebogen mögliche Risiken durch gleichgeschlechtliche Kontakte, häufig wechselnde Sexualpartner oder Prostitution angibt.
Der Grund: Abgesehen von möglichen Tests soll das so genannte diagnostische Fenster geschlossen werden. Zwischen einer Infektion und deren Nachweis klafft eine Lücke, die bis zu acht Wochen dauern kann, wie es beim Paul-Ehrlich-Institut heißt, das hierzulande für die Sicherheit von Blutspenden mitzuständig ist. Dass männliche Homosexuelle zur Risikogruppe gehören, wird vom Robert-Koch-Institut bestätigt: 2013 entfielen drei von vier HIV-Infektionen auf Männer, die sexuelle Kontakte mit Männern hatten. Insgesamt gab es 3200 Neuinfektionen. Und selbst die Vereinten Nationen bestätigen in einem Bericht, dass die Aids-Erkrankung bei 7,5 Prozent der Schwulen nachgewiesen werden konnte. Damit ist das HIV-Risiko bei Homosexuellen um bis zu 100-fach höher als bei Heterosexuellen.
EU-Richter: Staaten können Schwule vom Blutspenden ausschließen
Vor diesem Hintergrund bekräftigen die Luxemburger Richter, dass ein Staat durchaus das Recht haben kann, Schwule von Blutspenden auszuschließen, wenn die epidemiologischen Daten ein höheres Risiko bestätigten. Das war in Frankreich, von wo der Kläger in diesem Fall stammte, eindeutig der Fall. Allerdings belegte die Pariser Regierung ihre Vorschriften mit Zahlen aus den Jahren 2003 bis 2008, die somit nicht den neuesten Stand der Wissenschaft widerspiegeln.
Es müsse deshalb geprüft werden, ob nicht inzwischen wirksame Techniken vorhanden seien, die das Risiko einer Übertragung des HI-Virus minimieren, Schwule aber eben nicht aufgrund ihrer sexuellen Ausrichtung diskriminieren. Die sei nämlich durchaus gegeben, so dass sich sogar die Frage stelle, ob ein generelles Verbot, Blut zu spenden, möglicherweise gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt.
In Deutschland begrüßte der Schwulen- und Lesbenverband das Urteil, weil es die Diskriminierung Homosexueller herausgearbeitet habe. Es sei selbstverständlich, dass die Sicherheit der Blutkonserven oberste Priorität habe, heißt es in einer Erklärung. "Das Risiko bemisst sich aber nicht nach homo- oder heterosexuellen Sexualpraktiken, sondern danach, ob diese 'safe oder nicht safe' sind."