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EU-Studie: Resistente Keime werden immer gefährlicher

EU-Studie

Resistente Keime werden immer gefährlicher

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    In der Petrischale zu Forschungszwecken gezüchtete multiresistente Keime: Drei Viertel aller Infektionen passieren in Krankenhäusern.
    In der Petrischale zu Forschungszwecken gezüchtete multiresistente Keime: Drei Viertel aller Infektionen passieren in Krankenhäusern. Foto: Matthias Bein

    Nur in Ausnahmen dringen die Fälle an die Öffentlichkeit, wenn sich Menschen ausgerechnet im Krankenhaus mit lebensgefährlichen Krankheitserregern anstecken. Etwa wenn es in Kliniken wie in Bremen, Berlin, Leipzig oder Kiel zu größeren Ansteckungswellen mit multiresistenten Keimen kam, bei denen dutzende Menschen starben, darunter drei Babys auf einer Frühchenstation. Die meisten Schicksale aber verbergen sich hinter anonymen Zahlen von Statistiken über Infektionen, bei denen normale Antibiotika nicht mehr helfen. Eine neue Studie der EU-Gesundheitsbehörde ECDC enthüllt, dass das Risiko durch multiresistente Keime in ganz Europa deutlich angestiegen ist und eine besorgniserregende Dimension erreicht hat.

    Drei Viertel der Infektionen passieren in Krankenhäusern

    Die Zahl der in Europa registrierten ernsthaften Infektionserkrankungen durch multiresistente Keime stieg in dem untersuchten Zeitraum von 2007 bis 2015 um beinahe das Dreifache von 230.000 auf über 670.000 Fälle im Jahr. Damit habe die Zahl der durch antibiotikaresistente Bakterien ausgelösten Krankheiten in Europa bereits die Größenordnung erreicht, wie wenn man die jährlich registrierten Infektionen echter Influenza, Tuberkulose und HIV zusammenzählt, warnen die Experten: „Infektionen durch antibiotikaresistente Bakterien bedrohen die moderne Gesundheitsversorgung“, warnt ECDC-Studienchef Alessandro Cassini. Sein Team schätzt, dass drei Viertel der Infektionen mit antibiotikaresistenten Bakterien in Krankenhäusern oder anderen Gesundheitseinrichtungen passieren. Mehr als die Hälfte der Fälle wären durch bessere Hygiene- und Präventionsmaßnahmen vermeidbar.

    Das Infektionsrisiko ist demnach mit Abstand am größten in italienischen Gesundheitseinrichtungen. In Italien registriert die EU-Gesundheitsbehörde mit rund 11.000 Todesfällen die höchste Sterberate und mit über 200.000 Infektionen auch das gefährlichste Ansteckungsrisiko. Danach folgt Frankreich mit 125.000 Infektionen und 5500 Toten durch multiresistente Keime.

    Viermal mehr Tote durch Krankenhaus-Infektionen als im Verkehr

    Deutschland liegt mit rund 55.000 Fällen und 2500 tödlich verlaufenen Infektionen, die unmittelbar auf resistente Keime zurückzuführen sind, an dritter Stelle. Die Zahl der EU-Studie liegt damit weit über den 35.000 Fällen, die man bislang für die Bundesrepublik angenommen hat. Zudem stecken sich nach Schätzung des Bundesgesundheitsministeriums bis zu 600.000 Patienten im Jahr auch mit anderen Erregern als multiresistenten Keimen während einer stationären Krankenhausbehandlung an. Zehn- bis fünfzehntausend Menschen sterben demnach jedes Jahr an den Folgen.

    Diesen Zahlen zufolge kommen jährlich etwa viermal so viele Bundesbürger durch Krankenhausinfektionen ums Leben, wie es Verkehrstote im Straßenverkehr gibt. Das macht die Herausforderung für das deutsche Gesundheitswesen deutlich – aber auch das Risiko, das vor allem operative Eingriffe mit sich bringen, insbesondere, wenn sie durch andere Therapien vermeidbar wären. Die EU-Studie zeigt aber mit dem Blick auf die multiresistenten Keime auch, dass die Risiken in deutschen Kliniken im Vergleich zu den meisten anderen europäischen Ländern immer noch geringer sind.

    Antibiotikaverbrauch in der Landwirtschaft höher als in der Humanmedizin

    Zwar steht Deutschland bei den absoluten Infektionszahlen an dritter Stelle in der EU. Rechnet man die Erkrankungen aber auf je hunderttausend Einwohner um, liegt die Bundesrepublik mit etwa siebzig Fällen im unteren Viertel: In Italien und Griechenland als den gefährlichsten Ländern ist das Infektionsrisiko demnach mehr als sechsmal so hoch. Allerdings liegt Deutschland dabei schlechter als die skandinavischen Länder sowie die Niederlande, die allesamt seit vielen Jahren einen konsequenten Kampf gegen multiresistente Keime und für bessere Krankenhaus-Hygiene führen.

    Multiresistente Keime entstehen dadurch, dass sich Bakterien ständig weiterentwickeln, um zu überleben. Durch die Aufnahme anderer Gene und Mutation entwickeln sie Widerstände gegen eine Vielzahl üblicher Antibiotika. Oft können zwar Spezialantibiotika helfen, doch nur dann, wenn Ärzte das Problem noch rechtzeitig erkennen können.

    In Deutschland und vielen EU-Staaten gibt es breit angelegte Programme gegen die Bedrohung. Dazu gehört nicht nur eine bessere Krankenhaus-Hygiene. Auch der Einsatz von Antibiotika in der Tiermast soll eingeschränkt werden, der nachweislich zum Problem resistenter Keime beiträgt. Doch noch immer werden in der europäischen Landwirtschaft mehr Antibiotika eingesetzt als in der Humanmedizin.

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