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EU-Ratspräsidentschaft: EU hat weiter Zweifel an Führungsqualitäten Rumäniens

EU-Ratspräsidentschaft

EU hat weiter Zweifel an Führungsqualitäten Rumäniens

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    Der Start der rumänischen EU-Ratspräsidentschaft ist von Zweifeln überschattet. Schafft es das junge EU-Mitglied, sich als unparteiischer Moderator zu präsentieren?
    Der Start der rumänischen EU-Ratspräsidentschaft ist von Zweifeln überschattet. Schafft es das junge EU-Mitglied, sich als unparteiischer Moderator zu präsentieren? Foto: Birgit Zimmermann, dpa (Archiv)

    Der Brexit, die Europawahl, die ständigen Anfeindungen von Populisten und Nationalisten: Die Europäische Union geht hoch nervös ins neue Jahr. Und nun hat mit Rumänien ausgerechnet ein Land das Steuer übernommen, das selbst zu schlingern scheint. Mit dem 1. Januar hat Bukarest die EU-Ratspräsidentschaft inne. Der Ton ist gereizt. „Für ein umsichtiges Handeln braucht es auch die Bereitschaft, anderen zuzuhören und den festen Willen, eigene Anliegen hintenanzustellen. Da habe ich einige Zweifel“, grummelte kürzlich Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Und das wohl aus gutem Grund.

    Die Korruption blüht in Rumänien

    Rumänien ist nach Bulgarien, das den Ratsvorsitz im ersten Halbjahr 2018 innehatte, das zweite Land an der Spitze des EU-Rats, das wegen Mängeln im Kampf gegen die Korruption unter Sonderbeobachtung der EU-Kommission steht. Das Zeugnis könnte kaum schlechter ausfallen. Als die Brüsseler EU-Kommission im November den turnusmäßigen Bericht über die Situation in Rumänien präsentierte, hagelte es schwere Vorwürfe. Statt Fortschritten gibt es Rückschritte. Die vor zwei Jahren eingeleitete Rechtsreform schwächen „die Garantien für eine unabhängige Justiz und unterminieren die Unabhängigkeit von Richtern und Staatsanwälten“, hieß es in dem Papier. Besonders drastisch: Die amtierende Regierung habe Gesetzesverfahren „heimlich und ohne ausreichende Einbeziehung des Parlaments“ durchziehen wollen.

    Verärgert reagierte die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Viorica Dancila (55) und warf Brüssel „Diskriminierung“ vor. Staatspräsident Klaus Iohannis (59) von den Konservativen schaltete sich ein und hielt der eigenen Führung vor, nicht ausreichend auf die EU-Ratspräsidentschaft vorbereitet zu sein. Seitdem wollen ihn Abgeordnete der Regierungspartei wegen „Hochverrats“ vor Gericht zerren.

    Harte Kritik kommt von EU-Parlamentarier Markus Ferber

    „Der Staatspräsident befindet sich mit der Regierung in einem Partisanenkrieg“, sagt einer, der das Land gut kennt: der Augsburger Europaabgeordnete Markus Ferber (CSU). Immer wieder bereist er Rumänien, kennt die Menschen und die Politik – und hatte auch deshalb gegen einen Beitritt Rumäniens in die EU im Jahr 2007 gestimmt. Sein Eindruck: „Die alten Seilschaften haben das Land nach wie vor fest im Griff – und die wollen keine europäischen Regeln, sondern ihre eigenen.“ Die Regierung wolle versuchen, auf EU-Ebene Dinge durchzusetzen, die der eigenen Stabilisierung dienen: Eintritt in die Schengen-Zone, Abschaffung des Monitorings in der Rechts- und Justizpolitik. Ein Bericht des Haushaltskontrollausschusses im EU-Parlament listet rund 4000 Fälle von Korruption auf. „Eine der Grundvoraussetzungen für den Eintritt Rumäniens in die EU wird mit Füßen getreten“, sagt EU-Parlamentarier Ferber. „Die Korruptionsbekämpfungsbehörde ist faktisch entmachtet worden.“ Zusätzlich kompliziert wird die Lage, weil Ministerpräsidentin Viorica Dancila vielen in Rumänien nur als Marionette des eigentlich starken Mannes gilt: Liviu Dragnea, Chef der sozialdemokratischen Regierungspartei PSD. Er ist wegen Wahlmanipulation vorbestraft und kann deshalb selbst nicht Regierungschef sein, zieht aber im Hintergrund die Fäden. „Die Menschen in Rumänien sehnen sich nach einer EU, die das Land aufräumt und nicht nach einem Rumänien, das die EU führt“, sagt

    Dragnea gilt auch als treibende Kraft hinter den Justizreformen. Kritiker halten dem PSD-Chef vor, er wolle sich selbst Probleme vom Hals schaffen. Denn Dragnea steht wegen Anstiftung zum Amtsmissbrauch vor Gericht. Zudem läuft ein Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen mutmaßlicher Veruntreuung von EU-Geldern. Ferber: „Bukarest hat nicht verinnerlicht, dass man während der EU-Ratspräsidentschaft nicht die rumänische, sondern die Brüsseler Brille aufsetzen muss: Es gilt, Interessen von vielen Ländern zusammenzuführen und nicht nur die eigenen Belange in den Mittelpunkt zu stellen.“

    EU steht vor schwieriger Zeit

    Dabei bräuchte die Union gerade in unruhigen Zeiten wie mitten in einem Handelsstreit mit den Vereinigten Staaten oder den immer noch angespannten Beziehungen zu Russland eigentlich eine starke Führungskraft. Immerhin moderiert ein Land, das die Ratspräsidentschaft innehat, nicht nur die Ministerratssitzungen der Union. Es bereitet auch Kompromisse inhaltlich vor und kann Themen auf die Tagesordnung setzen – oder eben nicht. Doch Aussicht auf Besserung ist vorerst nicht in Sicht. Anfang 2020 übernimmt Kroatien die Regie, das gerade erst wegen seines Vorgehens gegen Flüchtlinge in die Kritik geraten ist. Erst im zweiten Halbjahr 2020 dürfte es wohl wieder ruhiger werden: Dann ist Deutschland an der Reihe. Bundeskanzlerin Angela Merkel steht nach 2007 zum zweiten Mal an der Spitze der EU – ein seltener Fall. Nur wenige Staats- oder Regierungschefs waren vergleichbar lange im Amt.

    Das rumänische Arbeitsprogramm für die Zeit in der ersten Reihe der europäischen Mitgliedstaaten enthält wenige Überraschungen. Nur in einem Punkt setzen viele Nachbarländer auf die Minister aus Bukarest: Wie der Großteil der übrigen EU auch, braucht Rumänien viel Geld aus den regionalen Fördertöpfen für sich selbst. Das könnte dazu führen, dass allzu tiefe Einschnitte in den Etat für diesen Bereich vermieden werden.

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