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EU-Kommissionspräsident: Webers Endspiel um den EU-Kommissionschef-Posten beginnt

EU-Kommissionspräsident

Webers Endspiel um den EU-Kommissionschef-Posten beginnt

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    Für EVP-Fraktionschef Manfred Weber geht es am Sonntag beim EU-Gipfel um alles.
    Für EVP-Fraktionschef Manfred Weber geht es am Sonntag beim EU-Gipfel um alles. Foto: Marcel Kusch, dpa (Archiv)

    Die magischen Zahlen heißen 21 und 376. Diese beiden Mehrheiten braucht ein Kandidat, der neuer EU-Kommissionspräsident werden will – zunächst im Kreis der Staats- und Regierungschefs, später im Europäischen Parlament. Vor dem Sondergipfel der EU-Staatenlenker am Sonntagabend scheint das Rennen allerdings völlig offen. Keiner der Spitzenkandidaten, mit denen die Parteienfamilien in die Europawahlen gegangen sind, kommt auch nur in die Nähe dieser Zahlen. Mehr noch: Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron erteilte vor einer Woche allen drei Spitzenkandidaten und damit dem Modell generell eine Absage. Sind der CSU-Mann Manfred Weber als Kandidat der europäischen Christdemokraten sowie der Sozialdemokrat Frans Timmermans und die Liberale Margrethe Vestager also gescheitert?

    Die Regierungschef und das Europäische Parlament brauchen einander

    Die stets bestinformierten Diplomaten in Brüssel warnen, vor dem sonntäglichen „Konklave“, wie es EU-Ratspräsident Donald Tusk bezeichnet hat, irgendjemanden abzuschreiben. Denn die Ausgangslage ist kompliziert: Zwar schlagen die Staats- und Regierungschefs einen Kandidaten vor, das Europäische Parlament muss diesen aber wählen. Beide Institutionen brauchen also einander. Die Mehrheit der Parlamentsfraktionen hat sich jedoch festgelegt: Nur ein Spitzenkandidat kann neuer Kommissionschef und Nachfolger von Jean-Claude Juncker werden.

    Sollten die Volksvertreter nicht von ihrer Linie abrücken, sind außer Weber, Timmermans und Vestager alle anderen Namen vom Tisch, die seit Tagen kursieren. Beispielsweise der des in der EU hoch geschätzten französischen Brexit-Chefunterhändlers Michel Barnier, den sich auch Macron vorstellen könnte – nicht aber Kanzlerin Angela Merkel. Es ist kaum vorstellbar, dass sie grünes Licht für einen Franzosen gibt, nachdem Macron alles darangesetzt hat, den deutschen Kandidaten Weber zu torpedieren. Dass Macron, der Weber mit Hinweis auf nicht vorhandene Regierungserfahrung ablehnt, den CSU-Politiker aus Niederbayern doch noch akzeptiert, ist genauso unwahrscheinlich.

    Weber wurde bei Vorgesprächen von der christdemokratischen EVP-Mehrheitsfraktion einstimmig unterstützt. Für Timmermans gilt das nur eingeschränkt: Der Sozialdemokrat aus den Niederlanden kann kaum damit rechnen, dass die Parteifreunde aus dem Osten der Gemeinschaft ihm ihre Stimme geben. Schließlich hat Timmermans als zuständiger EU-Kommissar Polen, Ungarn und andere bis vor den Europäischen Gerichtshof gezerrt.

    Weber bräuchte die Stimmen der Sozialdemokraten plus Grüne oder Liberale, Timmermans die Christdemokraten plus Liberale oder Grüne. Die erstarkte Umweltpartei verlangt nach Garantien für eine Klimawende – sieht aber weder bei den Christ- noch den Sozialdemokraten ein echtes Umdenken.

    So überrascht der Optimismus von Ratspräsident Tusk: „Ich habe das Gefühl, dass wir näher an einer Lösung sind“, sagte er am Rande des G20-Treffens in Japan. Somit bleibt weiter viel Raum für fantasievolle Spekulationen – auch in Webers eigener Partei, der CSU.

    Manfred Weber sei schon mehrfach totgesagt worden

    Dort setzt man unverdrossen und demonstrativ darauf, dass Weber noch alle Chancen auf das Präsidentenamt hat. Er sei, so heißt es aus seiner Umgebung in Brüssel, „schon mehrfach totgesagt worden“. Aber sein Name stehe immer noch auf dem Papier. „Und das Papier liegt immer noch auf dem Tisch.“

    In München geben sich Mitglieder des Parteivorstands etwas zurückhaltender nach dem Motto: Wenn schon nicht Präsident, dann doch ein herausgehobener Posten in der EU. „Ich bin mir relativ sicher, dass er am Ende eine Top-Aufgabe in Brüssel bekommt“, sagt ein Vorstandsmitglied. „Vielleicht bleibt er EVP-Fraktionschef oder er wird Kommissar oder Parlamentspräsident. Er ist ja noch jung“, sagt ein anderer. Offen äußern will sich in dieser ungeklärten Situation keiner der CSU-Granden. „Das gehört sich nicht.“ Die Partei demonstriert Solidarität.

    Das gilt auch für die Herren in der CSU, die nicht unbedingt zum Fanklub des Niederbayern gehören. Webers Fähigkeiten sind in der Partei ebenso bekannt wie sein Ehrgeiz. Ohne Spitzenjob wäre er in der Partei ein freies Radikal. Theoretisch könnte Weber, der schon einmal versucht hat, Parteichef zu werden, Ansprüche auf führende Positionen in Berlin oder München geltend machen. Praktisch aber halten seine Kollegen das für ziemlich ausgeschlossen. Man habe gelernt, dass dieses „Ebenen-Hopping“ zwischen Brüssel, Berlin und München „immer wieder aufs Neue scheitert“. Außerdem habe Weber selbst mehrfach erklärt, dass er weder nach Berlin noch nach München wolle.

    Die Spekulationen gehen weiter

    In Brüssel wird derweil weiter spekuliert. Verzichtet Weber am Ende doch, um dann Parlamentspräsident zu werden – als Entschädigung für volle fünf Jahre? Denn bisher wurde diese Amtszeit geteilt. Für dieses Opfer müsste man den Christdemokraten aber wohl einen attraktiven Ersatz für den Chefsessel der Kommission anbieten – also doch Barnier? Zwei Christdemokraten in Führungspositionen werden die Sozialdemokraten allerdings kaum zulassen, die sich nicht wieder nur mit dem Job des EU-Außenbeauftragten etwa für Timmermans zufriedengeben wollen. Tusk hat nicht ohne Grund von einem „Konklave“ gesprochen. In Brüssel heißt es, der Sondergipfel werde so lange tagen, bis ein für die Staats- und Regierungschefs sowie für das Parlament akzeptables Ergebnis vorliegt. Ein Frühstück am Montagmorgen sei denkbar. Schließlich wissen alle: Chronische Übermüdung in den frühen Morgenstunden ist ein ausgezeichneter Katalysator für Kompromisse.

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