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EU-Kommission: Oettinger: "Weber hat alles, was man braucht, um Europa zu führen"

EU-Kommission

Oettinger: "Weber hat alles, was man braucht, um Europa zu führen"

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    Manfred Weber (CSU) - für seine politische Karriere wird es immer enger.
    Manfred Weber (CSU) - für seine politische Karriere wird es immer enger. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Mit Wehmut wird Manfred Weber an die Zeit nach der Europawahl 2014 denken. Damals hatten sich Jean-Claude Junker, Spitzenkandidat für die Christdemokraten, und Martin Schulz, der ihm als Frontmann der Sozialdemokraten unterlag, hinter verschlossenen Türen zusammengesetzt. Nur kurz stemmte Schulz sich gegen die Niederlage, sah dann aber schnell ein, dass beide an einem Strang ziehen mussten.

    Von da an kämpften sie für ihre gemeinsame Linie: Schulz akzeptierte, dass Juncker als Kandidat der stärksten Fraktion im Europaparlament Kommissionschef werden würde. Der SPD-Politiker wurde Parlamentspräsident. Das wurde in den zurückliegenden fünf Jahren als Beleg für die Stärke der Abgeordnetenkammer gesehen, die sich gegen die Staats- und Regierungschefs durchsetzte, weil sich eine große Mehrheit einig war.

    Das Parlament hat sich das Heft aus der Hand nehmen lassen

    2019 ist davon nichts übrig. Die Sozialdemokraten halten an ihrem unterlegenen Spitzenkandidaten Frans Timmermans fest, die Liberalen an EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Beide schüren ihre Ansprüche, „obwohl sie wissen, dass sie damit einen Tabubruch begehen“, wie es ein deutscher EU-Diplomat gegenüber unserer Redaktion sagte: „Demokratisch sauber wäre, wenn sich angesichts des Wahlergebnisses beide hinter Weber (den Spitzenkandidaten der Christdemokraten, d. Red.) stellen würden, um ihn zum Mann des Parlaments zu machen.“

    Doch davon ist nichts zu sehen. Noch immer streiten die Volksvertreter – über Kandidaten, über ein mehrheitsfähiges Politikprogramm für die nächsten fünf Jahre. Das Parlament hat sich längst das Heft aus der Hand nehmen lassen.

    In der Führungsetage der christdemokratischen Europäischen Volkspartei (EVP) glaubt man, Belege für eine konzertierte Aktion zu haben, die „aus zwei Hauptstädten gesteuert“ werde: Paris und Madrid. Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron lenkt die neue liberale Fraktion „renewEU“, die er mit den Abgeordneten seiner LREM-Regierungspartei personell stark gemacht hat. Spaniens Premierminister Pedro Sanchez mischt nach seinem Wahlerfolg die Sozialdemokraten auf. Beispiel: Die beiden Chefs dieser Fraktionen kündigten am Donnerstag am Rande des EU-Gipfels an, Weber nicht wählen zu wollen. Die Erklärung stammte vom Mittwoch, wurde aber erst rechtzeitig zum Gipfel bekannt – „so, wie Macron und Sanchez es am wirkungsvollsten fanden, um Weber zu beschädigen“, sagt ein EVP-Führungsmitglied. Über die Gründe für diese Kampagne wird spekuliert: „Man hat etwas gegen die Christdemokraten, gegen Deutschland, gegen Merkel – all das bekommt Weber zu spüren“, heißt es.

    Oettinger stellt sich klar hinter EVP-Vorsitzenden Weber

    Tatsächlich sieht es so aus, als ob die Zahl derer, auf die der CSU-Politiker weiter zählen kann, kleiner wird. Einer, der hinter ihm steht, ist Günter Oettinger, EU-Kommissar für Haushalt und Personal. „Weber steht für eine ruhige, sachliche, kluge, konstruktive Politik“, sagte der frühere CDU-Ministerpräsident von Baden-Württemberg am Sonntag gegenüber unserer Redaktion. „Er zeichnet sich dadurch aus, dass er gleichermaßen zuhören, integrieren und führen kann.“

    Weber, so Oettinger sei „gut vernetzt – von den Abgeordneten über die jeweiligen Politiker in den einzelnen Ländern bis zu den Regierungschefs. Und er ist über seine langjährige Arbeit im EU-Parlament thematisch sehr gut vorbereitet. All das sind Eigenschaften, die große Bedeutung haben werden.“ Weber, so Oettinger weiter, bringe „alles mit, was man braucht, um Europa politisch zu führen. Wir haben genügend Verwaltungsbeamte in der Kommission.“

    Europaflaggen flattern vor dem Berlaymont-Gebäude, dem Sitz der Europäischen Kommission, im Wind.
    Europaflaggen flattern vor dem Berlaymont-Gebäude, dem Sitz der Europäischen Kommission, im Wind. Foto: Marcel Kusch, dpa

    Bis zum Sonntag ist noch Zeit

    So werden die Appelle lauter, das Parlament solle dringend nachdenken, ob es den Staats- und Regierungschef wirklich alles überlassen will. Denn das könnte, so sagen EVP-Vertreter, zu einer Situation führen, die „eigentlich kein Abgeordneter wollen darf.“ Schließlich geht es beim Personalpaket neben dem Kommissionschef nicht nur um den EU-Ratspräsidenten, den Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) und den Hohen Beauftragten für die Außen- und Sicherheitspolitik, sondern auch um den Präsidenten des Parlamentes.

    Wenn die Fraktionen bis zum Sondergipfel am Sonntag keine Einigung erzielen, werden die Staats-und Regierungschefs das komplette Personalgerüst schnüren. Das hieße auch: Der Gipfel setzt den Abgeordneten de facto einen Parlamentschef vor. Ein EU-Diplomat nannte das am Wochenende „einen demokratischen Super-GAU“. Diese Vision müsste die Volksvertreter „eigentlich zur Vernunft bringen.“ Frage: Was heißt das für Weber? Antwort: „Es ist noch nicht vorbei.“

    Spitzenkandidaten sollen fallen gelassen werden - diese Namen kursieren

    Trotzdem kursieren Namen, sollten die bisherigen Spitzenkandidaten tatsächlich fallen gelassen werden. Brexit-Unterhändler Michel Barnier, die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, und die bisherige litauische Staatspräsidenten Dalia Grybauskaite werden für die Spitze der EU-Kommission genannt. Alle drei gehören den Christdemokraten an. Der bisherige liberale belgische Premier Charles Michel könnte EU-Ratspräsident werden. Spanien pocht auf einen Führungsjob und wäre wohl unter Umständen für das Amt des EU-Außenbeauftragten zu begeistern. Allerdings hat Madrids Außenamtschef Josep Borrell abgewunken. Auch Frans Timmermans wird hier genannt. Er war lange Außenminister der Niederlande.

    Für die Spitze der EZB gelten der Finne Olli Rehn (früherer EU-Währungskommissar) sowie der Franzose François Villeroy de Gaulhau, derzeit Chef der Banque de France, als denkbare Kandidaten. Bundesbank-Chef Jens Weidmann sieht sich heftigem Gegenwind (auch aus Paris) ausgesetzt.

    Das Parlamentspräsidium könnte an den früheren Fraktionschef der Liberalen, Guy Verhofstadt (Belgien), gehen. Allerdings beanspruchen auch die Grünen einen Topjob, sodass der Name Ska Keller, Frontfrau der deutschen und europäischen Grünen bei der Wahl, fällt.

    In dieses Tableau würde ein deutscher Kommissionspräsident gut passen. Am Anfang dieser heißen Woche, die mit dem Sondergipfel endet, ist dennoch völlig offen, wer welches Rennen macht.

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